Fall 11: Armut trotz harter Arbeit

21.11.2019, 10:20 Uhr
Unter anderem als Bedienung arbeitete Anita P. oft bis spät in die Nacht, während die Kinder zuhause schliefen.

© Marc Tirl/dpa-Zentralbild/dpa Unter anderem als Bedienung arbeitete Anita P. oft bis spät in die Nacht, während die Kinder zuhause schliefen.

Grund für den Wohnungsverlust ist offenkundig auch, dass eine große Immobiliengesellschaft als Hauseigentümerin mit allen Mitteln versucht, vor allem die langjährigen Bewohner loszuwerden. Die profitierten bisher, wie auch die 43-Jährige Nürnbergerin, von vergleichsweise günstigen Mieten. Denn die Vorbesitzer-Firma war noch gemeinnützig. Nun aber sollen offenkundig satte Erhöhungen durchgesetzt werden.

Sie arbeitete, wenn die Kinder schliefen

Aber die Probleme, in denen sich die Frau nach und nach verstrickte, reichen viel weiter zurück. Weil sie in ihrem ursprünglichen Beruf nicht arbeiten konnte und stets auf sich allein gestellt war, schlug sie sich im Laufe der Jahre mit lauter unsicheren und schlecht bezahlten Jobs durch – als Küchenhilfe, als Bedienung und nicht zuletzt in Spielhallen. "Da konnte ich abends und nachts arbeiten, wenn die Kinder schliefen."


Zur CKM-Eröffnung: Exklusive Aussicht aufs Christkind zu gewinnen


Die miserable Bezahlung zwang sie allerdings, noch parallel Nebentätigkeiten anzunehmen. So kam die Mutter nicht selten auf 60-Stunden-Wochen. Doch sobald sie sich krankmelden musste, auch mal wegen der Kinder, war sie ihre Jobs los. Damit nicht genug: Die Arbeitgeber blieben ihr nicht nur Lohn schuldig, sondern auch diverse Bestätigungen – was Anita P. beispielsweise so büßen musste, dass die Arbeitsagentur erst mal die Zahlungen sperrte. Oder das Finanzamt verlangte Geld von ihr, das eigentlich die Firma hätte überweisen müssen.

"Ich wollte alles alleine schaffen"

Sicher spielten bei alledem auch eine Portion Unkenntnis und Überforderung eine Rolle. "Den letzten Arbeitsvertrag hätten Sie zum Beispiel nie unterschreiben dürfen, der ist einfach sittenwidrig", gab die vom Jugendamt bestellte Familienhelferin der Mutter zu bedenken. Die aber war stets nur darauf fixiert, "immer schnell etwas zu verdienen, um Rechnungen bezahlen zu können. Und ich wollte unbedingt immer alles allein schaffen", so die 43-Jährige.

Bis sie sich vor ein paar Monaten eingestehen musste, dass sie nicht mehr aus noch ein weiß. Was die Kinder durchgemacht haben, soll an dieser Stelle ausgespart bleiben. Die Kündigung der Wohnung war schließlich der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

"Zum Glück haben das Jugendamt und der Fachdienst zur Vermeidung von Obdachlosigkeit sehr gut reagiert und wenigstens einen Aufschub erreicht", freut sich die Familienhelferin für Anita T. und lobt ausdrücklich deren "Steh-auf-Mentalität" und den Durchhaltewillen. Mit einer Privatinsolvenz und einer Umschulung Richtung Pflege sind die Weichen für einen Neuanfang gestellt. Wäre da bloß nicht das Wohnungsproblem.

Verwandte Themen