Fall Deniz: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Polizei

8.11.2012, 09:00 Uhr
In der Grasergasse trafen Polizei und Antifaschisten am 31. März aufeinander.

© Stefan Hippel In der Grasergasse trafen Polizei und Antifaschisten am 31. März aufeinander.

Seit April 2012 sitzt der junge Mann, der aus dem Raum Stuttgart stammt, in Untersuchungshaft – und in dieser Zeit habe er viel nachgedacht, erklärt der Angeklagte.

Vor seiner Inhaftierung habe er ein Praktikum in einer Werkstatt für behinderte Menschen begonnen, nun schwebe ihm eine Ausbildung zum Heil- und Erziehungspfleger vor. Deniz K. bemüht sich um jedes Wort, sein Ton ist freundlich. Und auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe zeichnet das Bild eines angenehmen jungen Mannes. Gemeinsam mit seinem älteren Bruder, dieser ist inzwischen als Polizist tätig, wuchs er bei seiner alleinerziehenden Mutter auf. Als Kind habe Deniz K., der in Istanbul geboren wurde, viel Sport getrieben. Nach dem Umzug nach Deutschland leistete er, ebenso wie seine Mutter, ehrenamtlich Übersetzungsdienste und gab Nachhilfe. 

"Hilfsbereit“ sei K., attestiert ihm auch die Sozialpädagogin der Untersuchungshaftanstalt. Käme es zu Streit unter den Gefangenen, agiere er sogar regelmäßig als Schlichter.

Ein Bild, das zu den Vorwürfen der Anklagebehörde nicht so recht passen will. Oberstaatsanwältin Ulrike Pauckstadt-Maihold wirft ihm brutales Handeln vor – gezielt soll er mit einer spitzen Stange in Richtung Hals und Kopf mehrerer Polizisten gestoßen haben. Doch zu diesem Vorwurf sagt Deniz K. weiterhin kein Wort.

Seit er in U-Haft sitzt, erhält er immer wieder neue Solidaritätsadressen aus der Antifa-Szene, ein Komitee "Freiheit für Deniz“ wurde gegründet, selbst T-Shirts wurden verkauft. Deniz K. selbst ließ seine Unterstützer mit einem Brief aus der U-Haft wissen, dass ihn die "Zeit im Knast nur stärke im revolutionären Kampf“.

Polizist mit Pfefferspray

Markige Worte eines Heranwachsenden, die Anklägerin hält sie ihm vor. Doch auch dazu schweigt Deniz K.; verständlich ist das nicht unbedingt. Protest gegen gesellschaftliche Missstände und solide Berufspläne schließen sich freilich nicht aus.

Doch, so zeigt ein Blick in die Vorgeschichte des Angeklagten, Deniz K. ist eben nicht nur ein sozialverträglicher junger Mann. Gegen ihn wurde schon einmal wegen Körperverletzung und einem Verstoß gegen das Waffengesetz ermittelt. Damals wurde das Verfahren eingestellt.

Zudem brachte ihm eine Attacke mit Pfefferspray gegen Polizisten sowie ein Wurf mit einer Flasche eine Verurteilung samt einer Woche Dauerarrest ein. Der Anlass dieser Tat: Er hatte im September 2010 gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 protestiert.

Seine mutmaßliche Gewaltbereitschaft soll Deniz K. in diesem Fall mit Hilfe von Videoaufnahmen nachgewiesen werden. Tatsächlich lassen die Filme der Polizei keinen Zweifel daran, dass die Beamten während der Demonstration am 31.März in der Nürnberger Innenstadt erheblichem Stress ausgesetzt waren, von manchen Teilnehmern als Prügelknaben betrachtet wurden.

Doch die öffentliche Vorführung dieser Filme im Gerichtssaal hat nun zunächst vor allem eine Konsequenz: Die Anklagebehörde ermittelt nun auch gegen einen Polizisten. Eben weil die Beamten mit maximaler Macht und Waffen ausgestattet sind, dürfen sie das staatliche Gewaltmonopol nicht missbrauchen. Nun stellt sich nicht nur die Frage, ob Deniz K. ein Gewalttäter ist. Nach diesem Verfahren wird auch zu klären sein, ob die dünne Linie zwischen noch angemessener und exzessiver Gewalt bei diesem Einsatz auch durch einen Staatsbediensteten überschritten wurde.

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