Fifty Shades of Grey: 50 Schattierungen der Langeweile

Christian Urban

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13.2.2015, 14:53 Uhr
Ein Film voller Klischees: "50 Shades of Grey" ist seit Wochen in den Schlagzeilen.

© Verleih Ein Film voller Klischees: "50 Shades of Grey" ist seit Wochen in den Schlagzeilen.

"Twilight" ist an allem schuld. Die bis zum Erbrechen weichgespülte Vampir-Saga wurde nicht nur besonders bei Frauen zwischen 10 und 30 zum Kult, sondern sie hat auch eine Menge "Fan-Fiction" hervorgebracht - also Fortschreibungen und Erweiterungen der Saga durch die Fans. Eine davon erschien 2009, trug den etwas unbescheidenen Titel "The Master of the Universe" und thematisierte eine SM-lastige und streckenweise recht explizite Liebesgeschichte zwischen Edward Cullen und Bella Swan, den Hauptfiguren der Vampirgeschichte.

Nur drei Jahre später waren aus Edward und Bella Christian und Ana geworden - und aus der Geschichte, nun unter dem Titel "Fifty Shades of Grey", ein Phämonen, das dem Hype um "Twilight" in nichts nachsteht. Während die Kritiker die drei Bücher der Reihe wegen ihres geringen literarischen Niveaus und der in der Geschichte steckenden herzzerreißenden Naivität durchgehend verrissen, verschlangen insbesondere Frauen die Trilogie und machten sie zu weltweiten Bestsellern.

Das Genre des Hausfrauenpornos war geboren - und eine Verfilmung der Geschichte quasi obligatorisch. Die Frage war nur: Ist es möglich, aus einer schlechten literarischen Vorlage einen guten oder zumindest annehmbaren Film zu machen?

"Sie sind ja ein Mann!"

Die Beantwortung dieser Frage gestaltet sich zunächst erstaunlich herausfordernd: Man(n) muss im Foyer des Kinos erst einmal eine Reporterin eines örtlichen Fernsehsenders überwinden ("Wahnsinn, Sie sind ja ein Mann! Hat Ihre Frau Sie zum Ansehen des Films gezwungen?"). Dann die Tatsache verarbeiten, dass sich insgesamt tatsächlich nur knapp zehn Männer im gesamten Saal befinden, während sich der Großteil des Publikums aus 40- bis 50-jährigen Prosecco-Hühnern rekrutiert.

Und dann die Werbung. Für die Real-Verfilmung von "Cinderella". Für die Fortsetzung des Tanz- und Gesangsfilms "Pitch Perfect". Für eine vaginale Feuchtcreme (hysterisches Gekicher im Saal). Für den Film "Traumfrauen". Für eine Sexshop-Kette. Für ein Internet-Dating-Portal. Noch einmal für die vaginale Feuchtcreme (mehr hysterisches Gekicher im Saal). Noch einmal für den Film "Traumfrauen". Und zum Abschluss noch für ein Internet-Seitensprung-Portal. Man(n) weiß also schon vor dem Film, wohin die Reise geht, und was die Zielgruppe ist.

Wobei besonders die Werbung für "Cinderella" ein wenig befremdlich wirkt - schließlich ist "Shades of Grey" nichts andere als eine zeitgenössische Version dieses "armes Mädchen trifft stinkreichen, gleichzeitig aber irgendwie beschädigten Traumprinzen, der sie aus ihrem Elend rettet, wodurch auch sie ihn letztlich retten kann"-Märchens. Dass dieses Thema nicht nur in einer Märchenwelt wunderbar funktionieren kann, zeigten Julia Roberts und Richard Gere 1990 im herzerwärmenden Klassiker "Pretty Woman".

"Fifty Shades" dagegen reitet lediglich auf diesen alten Klischees herum, ohne dabei auch nur ansatzweise zu berühren. Dakota Johnson spielt Ana Steele als so abgrundtief verschüchtertes, vor Ehrfurcht stammelndes kleines Mäuschen, dass sie bereits nach wenigen Minuten einfach nur noch nervt. Jamie Dornan alias Christian Grey macht seine Sache etwas besser - so lange er den zum emotionalen Eisblock erstarrten Jungmilliardär spielt.

Leider behält er aber diese Ausdruckslosigkeit auch in den (eher spärlich gesäten) Sex- und Soft-SM-Szenen bei, so dass selbst diese Passagen wirken wie das, was sie eigentlich sind: Schauspiel. Reichlich grotesk wirkt in diesem Zusammenhang übrigens das erneut aufbrandende hysterische Gekicher im Saal, als Mr. Grey zum ersten Mal zur Gerte greift, während die teilweise himmelschreiend unbeholfenen Dialoge vom Publikum mit erstaunlichem Gleichmut hingenommen werden.

Hysterisches Gekicher

Selbst die SM-Handlungen - das eigentliche "Skandal"-Element der Shades-Trilogie - werden nur angedeutet, was vermutlich der Freigabe ab 16-Jahren geschuldet ist. Ja, man sieht ein paar Brüste, gelegentlich einen Schamhaar-Ansatz (wieder hysterisches Gekicher im Saal), mehr passiert aber eigentlich nicht. Und das ist das Problem des Films: Abgesehen von einer wirklich prickelnden Szene, in denen Ana mit Christian wie echte Business-Partner über ihren Sklavenvertrag verhandeln (das Schriftstück, in dem Anas Rechte und Pflichten als Christians Gespielin exakt festgelegt werden sollen), passiert einfach nichts.

Außer dass Christian seine gesammelten Männerspielzeuge vorführt (wobei besonders das Product Placement von Audi und Apple irgendwann reichlich penetrant wird), Ana ständig in Ehrfurcht erstarrt und Christian nachts, wenn er von den Dämonen seiner schweren Kindheit getrieben wird, im dunklen Wohnzimmer Klavier spielt (was selbst bei geringen Ansprüchen so klischeehaft ist, dass es schmerzt). Aber wenigstens wird der Zuschauer von Anas ständiger Zwiesprache mit ihrer "inneren Göttin" verschont, die in den Büchern bei jeder Gelegenheit tanzt, jubiliert oder seufzt.

BDSM als Resultat eines kindlichen Traumas

Und was bleibt nach dem Film? Ernüchterung - und ein gewisser Ärger. Ärger darüber, dass der Film exakt das ist, was schon die Buchvorlage war: Unreflektierte, naive, flache und letztlich abgedroschene Hausfrauen-(Soft)Pornografie, in der BDSM als Selbsttherapie für eine verletzte Seele dargestellt wird - und als Resultat eines schweren kindlichen Traumas, das von einer Retterin geheilt werden kann und muss.

Ärger über eine Geschichte zweier Menschen, die einfach nicht füreinander bestimmt sind, von der literarischen Vorlage aber zum gemeinsamen Glück gezwungen werden. Eine Geschichte zweier Menschen, die eigentlich ständig nur damit beschäftigt sind, den jeweils anderen zu verbiegen, damit er den eigenen Wunschvorstellungen entspricht.

Eine Geschichte einer naiven jungen Frau, die sich kein Dasein als Sub oder Sklavin wünscht, sondern einfach nur einen Mann, der sie liebt und mit ihr ausgeht. Eine Geschichte eines zutiefst egozentrischen Manipulators, der sich selbst für einen dominanten Sadisten hält, dabei aber lediglich ein emotionaler Krüppel ist und gegen so ziemlich jedes ungeschriebene BDSM-Gesetz verstößt - das Fesseln mit Kabelbindern eingeschlossen.

Vollbracht hat Miss Steele die Zähmung von Mr. Greys Dämonen am Ende des Films übrigens noch nicht, so viel sei gesagt. Aber sie hat ja noch Zeit: Schon 2016 soll der nächste Teil der Trilogie in die Kinos kommen.

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