Flugunfähig: Wie Brot unsere Wasservögel krank macht

12.11.2020, 05:54 Uhr
Eine der Kanadagänse in Katzwang: Das Tier hat einen Kippflügel und ist flugunfähig. Die Erkrankung kann auch beidseitig ausgeprägt sein. 

© Foto: Jessica Schmidt Eine der Kanadagänse in Katzwang: Das Tier hat einen Kippflügel und ist flugunfähig. Die Erkrankung kann auch beidseitig ausgeprägt sein. 

Beim täglichen Gassigehen mit dem Hund im Marienbergpark ist einem Leser eine Gänsefamilie über den Weg gelaufen. „Eine Mutter, ein Vater und zwei Jungtiere, von denen eines jedoch eine Art Verletzung am Flügel hat“, berichtet er. Einzelne Schwungfedern stehen ab und sind kaputt. Der Hundebesitzer beobachtete, „dass der Vater mit dem anderem Jungen wegflog und die Mutter mit dem verletzten Tier zurückblieb“.

Robert Derbeck vom Tierschutzverein Noris dazu: „Uns ist der Fall bekannt. Und so gerne wir helfen würden, sind uns hier Grenzen gesetzt.“ Das Jungtier sei nicht verletzt, sondern leide unter einem sogenannten Kippflügel. „Eine hauptsächlich durch den Menschen verursachte Anomalie bei Wasservögeln infolge falschen Futters.“

Kippflügel entstehen bei jungen Wasservögeln durch zu viel energiereiche Nahrung – Brot wird da zum Problem – und ein Ungleichgewicht von Vitaminen und Mineralien, sagt Jessica Schmidt, Wildtierbiologin und Vereinsmitglied. Die Schwungfedern wachsen zu schnell und entwickeln ein Gewicht, das vom knöchernen Gelenk noch nicht getragen werden kann. Die Flügel sind auf Dauer geschädigt und die Tiere flugunfähig. „Ich gehe nicht davon aus, dass sie lange überleben“, befürchtet sie.

Reine Pflanzenfresser

Die Nürnbergerin betont: „Kanadagänse dürfen nicht gefüttert werden, es sind reine Pflanzenfresser.“ Die Tiere ernähren sich von Gräsern, Kräutern und Wasserpflanzen.

Die junge Gans am Marienbergweiher ist kein Einzelfall. „Auch vom Wöhrder See, Dutzendteich, Langwassersee, beim Heilig-Geist-Spital oder den Rednitzauen werden uns wöchentlich immer wieder Fälle gemeldet“, berichtet Derbeck.

Die Zahlen nehmen offenbar zu – vor allem bei Kanadagänsen, die für diese Erkrankung besonders anfällig sind. Aber es betrifft auch Schwäne oder Stockenten, so Schmidt.

Was kann man tun? „Rigoros das Füttern unterbinden. Dabei reichen reine Verbotsschilder nicht aus“, sagt die 40-jährige Biologin. „Die Unwissenheit ist sehr groß. Die meisten Menschen ahnen nicht, dass die Tiere erkranken. Das muss man auf den Schildern erklären.“

Die Stadt sieht das anders. André Winkel vom Servicebetrieb Öffentlicher Raum (Sör) erklärt: „Wir werden keine weiteren Schilder aufstellen.“ Auf Nachfrage, weil man ja immer wieder Menschen beim Entenfüttern beobachtet, ergänzt der Sör-Sprecher: „Die Stadt sieht hier keinen zusätzlichen Informationsbedarf, da die Grünanlagensatzung eindeutig ist.“ Darin heißt es: „In den Grünanlagen ist den Benutzern insbesondere untersagt: das Füttern von wild lebenden Tieren, insbesondere von Fischen, Wasservögeln und Ratten.“

Flügel bandagieren

Die Leidtragenden sind die Wasservögel. Eine Heilung sei in den meisten Fällen nicht möglich, weiß Schmidt. Wenn die Gans noch sehr jung ist, kann die Fehlstellung durch Bandagieren des Flügels noch korrigiert werden. Dafür muss das Tier eingefangen werden. „Erfahrungsgemäß leiden Kanadagänse in einer Pflegestelle stressbedingt mehr als in Freiheit“, so die Biologin, „es sind ja Wildtiere.“

Hinzu komme ein hoher formeller Aufwand. Kanadagänse unterliegen dem Jagdrecht, man müsse sich im Vorfeld mit der Unteren Naturschutzbehörde, der Unteren Jagdbehörde sowie mit dem jeweils zuständigen Jagdpächter abstimmen.

Ausgezeichnete Biologin

Trotzdem: Jessica Schmidt, die im Oktober für ihr Fachwissen und Engagement mit dem Tierschutzpreis der Bayerischen Staatsregierung ausgezeichnet wurde, hat versucht, vier jungen Kanadagänsen zu helfen. Bei einer hatte sie Erfolg. Das Tier konnte wieder ausgewildert werden, die anderen befinden sich auf einer Weide in Katzwang.

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