Frauen und Männer - auch im Tiergarten schwierig!

8.3.2019, 12:04 Uhr
Frauen und Männer - auch im Tiergarten schwierig!

© Tiergarten Nürnberg

Felix ist sozusagen der bekannteste Sex-Tourist in der europäischen Zoolandschaft. Der Eisbär reiste jahrelang von einem Tierpark zum nächsten, um für Nachwuchs zu sorgen. Mit Erfolg – allein in Nürnberg hat er mit Vera schon vier Jungtiere gezeugt, die überlebt haben: Flocke, das Zwillingspaar Gregor und Aleut sowie Charlotte. "Auch in freier Wildbahn treffen sich Eisbären und -bärinnen nur zur Zeugung", sagt der stellvertretende Tiergartendirektor Helmut Mägdefrau, "und bei Tigern ist das meist auch der Fall."

Viele Tiere am Schmausenbuck leben in Haremsstrukturen mit männlichem Anführer. So sind laut Mägdefrau bei etwa einem Drittel der Säugetierarten im Zoo die "Frauen" in der Mehrheit. Das Spektrum reicht von den Gorillas bis zu verschiedenen Hirscharten. Gibt es in solchen Gruppen Nachwuchs, müssen die "Jungs" weg, sobald sie erwachsen werden und in Konkurrenz zu ihrem Vater treten würden.

Ein Beispiel für eine Tierart, die friedlich in Haremsgruppen lebt, sind die Dybowski-Hirsche: Die Damen scharen sich um ihren "Chef" – den Kuhreiher schert das wenig, er sucht auf der Wiese nach Futter.

Ein Beispiel für eine Tierart, die friedlich in Haremsgruppen lebt, sind die Dybowski-Hirsche: Die Damen scharen sich um ihren "Chef" – den Kuhreiher schert das wenig, er sucht auf der Wiese nach Futter. © Tiergarten Nürnberg

In einigen Zoos hat man für überzählige Männer verschiedener Arten reine Junggesellen-Wohngemeinschaften eingerichtet; bekannt ist die Gorilla-Gruppe im Loro Parque auf Teneriffa. Das Problem ist, dass diese WGs in den meisten Zoos zu viel Platz blockieren, der eigentlich für Zuchtgruppen benötigt wird. Deshalb hat man für überschüssige männliche Tiere eine pragmatischere Lösung: Wenn sie sich dazu eignen, werden sie an die Raubtiere verfüttert. So stehen in Nürnberg bei Löwen, Tigern, Eisbären und Schneeleoparden zum Beispiel verschiedene Antilopen oder Büffel immer wieder auf dem Speiseplan.

Auch im Tierreich gibt es so etwas wie emanzipierte Frauen, die sogar eine Gruppe anführen – etwa bei den Elefanten –, während andere Weibchen sich dem männlichen Anführer unterwerfen. Mägdefrau nennt als Beispiel die Paviane. Bei denen wird der Mann als Pascha respektiert, "und wenn sich ein Weibchen bei ihm einschleimen will, beginnt sie mit einer liebevollen Fellpflege".

Selbst "Transgender" ist ein Thema bei den Zootieren. Wenn manche Fische wie der Clownfisch geschlechtsreif werden, sind sie zunächst männlich und leben mit mehreren Geschlechtsgenossen und einem dominierenden Weibchen zusammen. Stirbt dieses, dann verwandelt sich das stärkste Männchen in ein Weibchen.

Bei anderen Tieren unterscheiden sich Männchen und Weibchen nicht nur durch die Geschlechtsorgane, sondern auch durch unterschiedliches Aussehen. Das kennt man aus der Vogelwelt und von Insekten. Die im Naturkundehaus lebenden Gespenstschrecken zeichnen sich normalerweise durch größere, rundlichere und stärker gefärbte Weibchen gegenüber den Männchen aus. Um eine echte Ausnahmeerscheinung handelt es sich bei dem Exemplar, das Zoopädagoge Christian Dienemann kürzlich entdeckt hat: eine Gespenstschrecke, deren eine Körperhälfte männlich, die andere weiblich ist.

Kurioses findet sich aber nicht nur bei den Tieren am Schmausenbuck. Die menschlichen Zoobesucher überraschen mitunter durch recht erstaunliche Wünsche. In diesen Tagen kam eine Mail bei der Direktion an, deren Verfasser um eine "gendersensible Bezeichnung der Tierarten" bat. Moniert wurde das Wort "Löwengehege" auf der Informationstafel vor dem Raubtierhaus, stattdessen wurde "Löw*innengehege" vorgeschlagen. Auch bei allen anderen infrage kommenden Tierarten solle dies berücksichtigt werden, etwa bei "Adler*innen" oder "Eisbär*innen". Unterzeichnet war das Schreiben mit "Absender/in Herr Frauke . . .".

Helmut Mägdefrau war um eine Antwort nicht verlegen. "Bei den Gehegebeschilderungen geht es um Tierarten – und diese sind geschlechtsneutral, sie umfassen weibliche und männliche Individuen, Jungtiere, Zwitter und Arten, bei denen die Individuen im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht ändern können." Der Zoo-Vize endet folgendermaßen: "Lassen Sie bitte die Kirche im Dorf und setzen Sie sich für eine Gleichberechtigung der Menschen (und Menschinnen?) in unserer Gesellschaft ein."

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