Freude für alle - Fall 29: Drogensüchtig, wohnungslos und allein

17.12.2020, 09:49 Uhr
Das Leben auf der Straße ist hart. Wer von Heroin abhängig ist, lebt ein Leben am Rande der Gesellschaft - und braucht dringend Hilfe.

© Boris Roessler, NN Das Leben auf der Straße ist hart. Wer von Heroin abhängig ist, lebt ein Leben am Rande der Gesellschaft - und braucht dringend Hilfe.

Und plötzlich übernahm Heroin bei ihm das Ruder. "Mit etwa 23 Jahren merkte ich, dass es nicht mehr ohne geht", sagt Peter H., wenn er an die Zeit denkt, in der er abrutschte. In ein Leben in die Abhängigkeit, in der es nur noch eine Größe gab: Das Geld für den nächsten Schuss besorgen.

Dabei spielten Drogen bei dem heute 41-jährigen Mann schon früh eine Rolle: Bereits mit 14 Jahren beginnt er zu trinken und Gras zu rauchen. Am Anfang aus Spaß, wie er sagt. Es ist aber auch eine mentale Flucht aus den schwierigen Verhältnissen zuhause, wo der gewalttätige Stiefvater auch mit Schlägen seinen Willen durchsetzt.

Mit 17 bezieht er eine eigene Wohnung, versucht sich an zwei Ausbildungen, schlägt sich so durch und scheitert schließlich doch an den Folgen seines massiven Drogenkonsums. Irgendwann frisst das Heroin das Geld für die Miete auf. Peter H. verliert seine Wohnung und landet auf der Straße. Seine Tage sind ziellos zwischen Hauptbahnhof und der nächsten Notschlafstelle.

Regelmäßig kommt er irgendwann auch in die "Hängematte", eine Einrichtung, die sich gezielt an Menschen richtet, die suchtkrank sind und kein Zuhause haben. An Menschen, die meist nur noch das besitzen, was sie am Leib tragen, täglich mit ihrer Krankheit kämpfen – und daher nur schwer in einer Obdachlosenpension unterkommen. Von einer eigenen Wohnung ganz zu schweigen.


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Corona kommt unten an

22 Betten stehen im Verein "Hängematte" zur Verfügung. Vor allem sind hier aber auch Menschen, die zuhören, die sich Zeit nehmen. Es ist ein Ort, an dem zumindest für ein paar Stunden ein wenig Ruhe in ein sonst ruheloses Leben einkehrt. Hier kann man übernachten, einfach nur eine Kleinigkeit essen, einen Tee trinken oder duschen. Eigentlich. Denn die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind längst auch in der "Hängematte" angekommen.

Denn Besuche im Kontaktladen sind nicht mehr erlaubt - nur wer auch einen Schlafplatz ergattern konnte, darf derzeit die Räume in der Tafelfeldstraße betreten. "Die anderen müssen wir leider wieder wegschicken. Das ist umso tragischer, da viele auch hierher kommen, um reden zu können oder sich einfach nur auszuruhen", sagt Sozialpädagoge und Suchttherapeut Uwe Kartmann. Stattdessen könne man die Menschen derzeit nur durch das Gitter etwa mit sauberen Spritzen versorgen. Viel zu wenig für die, die keinen Zufluchtsort haben, schlicht alleine sind. Auch sonst ist das Leben für die Suchtkranken in Corona-Zeiten noch härter geworden: Weniger Menschen in der Stadt reduziert auch die Möglichkeit, Geld von Passanten zu schnorren. "Und die Leute gehen nun noch mehr auf Distanz als ohnehin schon", sagt Kartmann.

Bleibt die Frage, wo man nach einem ziellosen Tag in der Nacht hin soll. Wer Glück hat, kann in der "Hängematte" ab 20 Uhr ein Bett beziehen. Auch wenn er morgens um 8 Uhr wieder gehen muss. Es ist ein Angebot für den Notfall, eine dauerhafte Bleibe will die "Hängematte" nicht sein, sondern unterstützen und im Idealfall beim Neustart helfen. Auch Peter H. weiß, wie es sich anfühlt, morgens wieder auf der Straße stehen zu müssen. "Das ist schon hart", sagt er. Denn da ist eben nichts außer der Szene am Bahnhof.


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Sechs Jahre lang clean

Doch vor neun Jahren beginnt sich das Blatt für ihn zu wenden. Zumindest scheint es so. Als Peter H.s Freundin schwanger wird, hört er sofort mit den Drogen auf. "Nach drei Wochen kalten Entzug hatte ich es überstanden", sagt er heute. Sechs Jahre lang ist er clean, führt ein normales Leben. Doch dann zerbricht die Beziehung. Er verliert sein Zuhause, seinen Job, jeden Kontakt zu seinem Kind und schließlich jeden Halt.

Auch eine kleine WG bietet die "Hängematte" an, in denen unter anderem Suchttherapeut Uwe Kartmann die fünf Bewohner begleitet.

Auch eine kleine WG bietet die "Hängematte" an, in denen unter anderem Suchttherapeut Uwe Kartmann die fünf Bewohner begleitet.

Immer wieder geht er in dieser Zeit in die "Hängematte", wo ihm die Pädagogen schließlich bei der Suche nach einem Entgiftungsplatz helfen und den Weg in die Substitution ebnen.

Erst seit ein paar Wochen ist er clean und glaubt dennoch daran, dass er es dieses Mal schaffen wird. Auch, weil er endlich ein Dach über dem Kopf hat. Seit ein paar Monaten wohnt er in der kleinen WG, die die Pädagogen der "Hängematte" neben der Notschlafstelle und dem Kontaktladen im Haus betreuen. "Er war einer unserer Wunschkandidaten", sagt Uwe Kartmann über Peter H.. Denn dieses Angebot richtet sich an Abhängige, die in der Lage und bereit sind, an ihrer Situation etwas zu ändern - so wie Peter H. Der setzt alles daran und muss dabei auch sonst gesundheitlich wieder auf die Beine kommen. Denn die jahrelange Sucht hat seine Leber massiv geschädigt. Er klagt dennoch nicht. Er träumt von einem festen Job und einem Leben jenseits der Abhängigkeit. Nur das wird ihm auch den Weg zurück zu seinem inzwischen achtjährigen Sohn ebnen, den er seit zwei Jahren nicht mehr sehen darf. "Wie auch", sagt Peter H. Er war ja ganz unten.

Unterstützt wird die "Hängematte" vom Bezirk Mittelfranken und der Stadt Nürnberg. Dennoch ist der Verein dringend auf Spenden angewiesen, um die wir heute herzlichst bitten.

Am Beispiel von Peter H. bittet "Freude für alle" um Unterstützung – auch für andere mit ähnlichen Schicksalen.

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