Frisbee: Die schönste, andere Sportart

24.4.2013, 15:49 Uhr
Frisbee: Die schönste, andere Sportart

© Anestis Aslanidis

Plötzlich ist Botto da. Unbemerkt hat er sich materialisiert in der Endzone des Gegners und fängt die Scheibe, so wie die Scheibe überall auf der Welt gefangen wird, an Stränden, in Parks oder an diesem trüben Nachmittag auf der Anlage des DJK Berufsfeuerwehr. Botto fängt sie mit Leichtigkeit, ein weiterer Punkt für ExGen, Bottos Ultimate-Mannschaft.

Botto? ExGen? Ultimate? Dieser Einstieg wirft Fragen auf. Fangen wir mit Botto an, auf dessen Personalausweis natürlich nicht Botto steht, sondern Dr. Bernhard Otto. Und als solcher ist er auch im Verbandsregister eingetragen, der Vizepräsident des Deutschen Frisbeeverbands und Ultimate-Vorstand. Nach Nürnberg ist er gekommen, um mit seiner Mannschaft, die ExGen heißt, weil sie eine Generation ehemaliger Nationalspieler versammelt, in der offenen Klasse deutscher Masters-Meister zu werden. Offene Klasse? Masters? Später. Erst einmal soll der Funktionär sprechen, zu verlockend ist die Gelegenheit.

Geist triumphiert über Geld

Man stelle sich vor, Wolfgang Niersbach träte bei einem Alt-Herren-Turnier des DJK BFC an. Also, Herr Präsident, Sie führen hier eine faire, trotzdem intensive, hochinteressante, schlicht wunderbare Sportart vor. Nur, warum weiß trotzdem kein Mensch, was sich hinter Ultimate verbirgt? Botto: „Tja, das ist ein Problem. Wie mit der Henne und dem Ei, ich selbst habe meine erste Scheibe schon als Pimpf im Alter von acht Jahren in der Hand gehalten, Ultimate aber erst im Hochschulsport kennengelernt. Unser Ziel ist es, dass jedes Kind Ultimate aus der Schule kennt. Und dafür ist es nun einmal die ideale Sportart.“

Wahrscheinlich hätte das an dieser Stelle auch der Präsident des Deutschen Fußballbunds gesagt, im Gegensatz zu Wolfgang Niersbach hat Botto aber gute Argumente zu bieten. Bottos Sport ist ideal für all jene, die sich mit dem herkömmlichen Sportangebot nicht mehr zufriedengeben wollen, für all jene, die gewinnen wollen — aber nicht zu jedem Preis. Ultimate, das geht so: Zwei Mannschaften à sieben Spieler stehen sich auf einem Feld von der Länge und der halben Breite eines Fußballfeldes gegenüber, Ziel ist es, das Spielgerät (eine Frisbee-Scheibe) in der Endzone zu platzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, dürfen alle laufen, nur derjenige nicht, der die Scheibe (maximal zehn Sekunden) in der Hand hält. Den Gegner darf man nicht absichtlich berühren. Passiert das trotzdem, versuchen sich die Spieler zu einigen, einigen sie sich nicht, kehrt die Scheibe zur letzten Spielsituation zurück.

Schiedsrichter gibt es nicht. So weit, so simpel. Über all dem aber steht der Geist des Spiels, der Spirit of the Game, so lautet schon die erste und wichtigste Regel: „Ultimate beruht auf dem Spirit of the Game, der die Verantwortung des Fair Plays jedem Spieler als wichtigste Aufgabe überträgt. Es wird darauf vertraut, dass kein Spieler absichtlich die Regeln verletzt. Hoher kämpferischer Einsatz wird zwar gefördert, darf aber niemals auf Kosten gegenseitigen Respekts, des Festhaltens an den vereinbarten Spielregeln oder der Freude am Spiel gehen.“

Frisbee: Die schönste, andere Sportart

© Anestis Aslanidis

Das Turnier in Nürnberg erfüllt die Grundregel mit Leben. Fouls gibt es nur wenige, diskutiert wird allenfalls kurz, gekämpft mit hohem Einsatz, die Freude am Spiel ist stets zu beobachten. Man könnte meinen, dass es daran liegt, dass der Meister der Masters, der über 32-Jährigen ausgespielt wird. Aber das stimmt nicht. Der Nachwuchs des Nürnberger Klubs bestreitet nebenbei ein Spiel. Wie es ausgegangen ist, erzählt Christoph Schlötter später nicht, er erzählt unübersehbar stolz, wie fair es war.

Schlötter ist zu jung, um bei der Meisterschaft teilnehmen zu dürfen, mit 30 Jahren aber alt genug, um Grundsätzliches formulieren zu dürfen. Die Szene sei schon sehr zufrieden mit sich, sagt der Abteilungsleiter und Jugendtrainer von Next Generation, der Frisbee-Abteilung beim DJK BFC. Er sagt nicht, dass sie „zu zufrieden“ sei, aber man kann sich vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, einen Sport bekanntzumachen, der vielleicht nicht von allen bekanntgemacht werden will.

Plötzlich ist Michael da. Unbemerkt hat er sich materialisiert. Christoph Schlötter fragt ihn, wie oft er schon Deutscher Meister war. Michael hebt die Hand, spreizt die Finger und erzählt davon, wie sein Team 42 (jawohl, benannt nach Douglas Adams‘ ultimative Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest) Ende der 80er Jahre den Geist des Spiels gerettet hatte. Der größte Widersacher war damals eine Mannschaft aus Essen, vor allem aber der US-amerikanische Sportartikelhersteller, der die Mannschaft aus Essen unterstützt hatte. Das Geld hatte den Geist herausgefordert, am Ende aber triumphierte der Geist.

Der Spaß am Rumrennen

Klassentreffen, Jugendlager, eine Art sportliches Occupy-Camp, die Eindrücke von diesem Turnier sind so vielfältig wie die Teilnehmer. Botto, der weißhaarige Michael, die engagierte blonde Frau (daher: offene Klasse) mit dem schwarzen Stirnband und dazwischen ein paar jener lässiger Typen, die im Mauerpark oder am Marienberg mit einer Kippe im Mundwinkel die Scheiben fliegen lassen. Der Sport selbst ist ebenso sehenswert.

Es geht rasant zu. Die Scheiben fliegen weit, die Menschen selten an den Scheiben vorbei. Jeder gibt jedem Anweisungen. Danach wird darüber geredet, Arm in Arm mit dem Gegner. Es sieht nach einem großen Vergnügen aus. „Man sollte Spaß am Rumrennen haben“, sagt Jens von Next Generation, er hat das Turnier mitorganisiert, ebenso wie Ahmet. Nachnamen und Funktionärsbezeichnungen sind im Ultimate nachrangig. Ahmet schwärmt vom perfekten Flug der Scheibe. „Das begeistert mich. Wenn ich die Scheibe einmal die Woche perfekt fliegen sehe, egal ob sie von mir oder einem anderen kommt, dann bin ich zufrieden.“

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