Für Kinder: Braucht Nürnberg einen Vorführ-Bauernhof?

24.11.2019, 05:46 Uhr
Auf dem Erlebnisbauernhof in Erlangen-Eltersdorf dürfen Kinder Kühe füttern und lernen die Hintergründe der Landwirtschaft kennen.

Auf dem Erlebnisbauernhof in Erlangen-Eltersdorf dürfen Kinder Kühe füttern und lernen die Hintergründe der Landwirtschaft kennen.

Herr Tasdelen, es soll Kinder geben, die bis heute glauben, Kühe seien lila, weil sie das aus der Werbung nicht anders kennen. Da scheint ein Lehr-Bauernhof doch sinnvoll?

Tasdelen: Ich kenne mich in München zwar nicht ganz so gut aus, weil ich abends, wann immer es geht, zurück nach Nürnberg fahre. Eins weiß ich aber sicher: Nürnberg braucht so einen Bauernhof nicht.

Das müssen Sie erklären.

Tasdelen: Es mag sein, dass es im Münchner Speckgürtel keine landwirtschaftlichen Betriebe mehr gibt, auf denen die Kinder sich anschauen können, wie eine Kuh aussieht. Wir in Nürnberg sind privilegierter. Wir haben das Knoblauchsland mit seinen zahlreichen Höfen. Wir haben den Erlebnisbauernhof in Erlangen. Wir haben den Tag der offenen Höfe, der jedes Jahr Tausende Familien anlockt. Bei uns läuft das auch ohne staatlichen Hof. Bei uns wissen die Kinder noch, wie eine Kuh aussieht.


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Der Gedanke hinter der Idee der Ministerin ist aber nicht falsch. Sie glaubt, dass die Menschen zu wenig darüber wissen, wie es in der Landwirtschaft zugeht, gerade in den Städten. Oder sehen Sie das anders?

Tasdelen: Das mag stimmen. Aber das Problem lösen wir doch nicht, indem wir eine Art Wanderbauernhof installieren, der dann einmal im Jahr auf dem Hauptmarkt gastiert. Wer dort hingeht, hat dann vielleicht einen lustigen Vormittag. Aber wirklich etwas lernen wird er dort nicht.

Was macht Sie da so sicher?

Tasdelen: Wenn ich mir meine achtjährige Tochter so ansehe, frage ich mich, wo für sie der Mehrwert einer solchen Veranstaltung wäre. Gut, sie kann sich ein paar Tiere und Pflanzen ansehen. Aber das war es dann auch. Ich bezweifle, dass sie bei der Gelegenheit viel erfährt über regionale Ernährung oder über ökologischen Landbau. Wenn wir hier etwas verändern wollen in den Köpfen, dann müssen wir das über die Schule tun.

Warum über die Schule?

Tasdelen: Ich habe die ersten Jahre meines Lebens in der Türkei verbracht und war dort in der Grundschule. Das Einzige, woran ich mich aus der Zeit erinnere, ist die regionale Woche, die wir im Unterricht gehabt haben. Die Lehrer haben uns beigebracht, dass jedes Gemüse und jede Frucht eine eigene Zeit hat. Wir haben uns angeschaut, was in der Gegend wächst, Und am Schluss haben wir ein Picknick gemacht mit regionalen Speisen aus regionalen Produkten. Das habe ich bis heute nicht vergessen.


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Aber das ließe sich doch verbinden, Unterricht und Schau-Bauernhof.

Tasdelen: Mal abgesehen davon, dass ich gar nicht wüsste, wie die vielen Schulklassen, die wir in jeder Stadt haben, über so einen Hof geschleust werden könnten und wie viel Zeit dann dort für jede Klasse bliebe: In Nürnberg brauchen wir das nicht. Unsere Landwirte im Knoblauchsland machen schon jetzt sehr viel; jeder kann sie besuchen; sie haben Hofläden; sie liegen mit ihren Betrieben vor den Toren der Stadt. Aber es spricht nichts dagegen, wenn wir beides verbinden, den Unterricht und einen Besuch auf einem Hof. Nur braucht es eben dafür keinen speziellen Bauernhof, jedenfalls nicht bei uns. In München offensichtlich schon.

Ihre Tochter ist acht. Weiß sie denn, was sie da auf dem Teller hat und wo es herkommt?

Tasdelen: Den Bezug dazu, den ich habe, weil ich auf dem Land aufgewachsen bin, den hat sie sicher nicht. Aber wir vermitteln ihr so viel, wie wir können, zum Beispiel über Tierdokus im Fernsehen.

 

 

Zur Realität gehört, dass die Tiere auf den Höfen irgendwann zum Fleisch werden, das wir essen. Wie sollen wir das vermitteln?

Tasdelen: Sicher nicht, in dem wir auf dem Bauernhof die Tiere vor den Augen der Kinder schlachten. Das macht ohnehin kaum ein Landwirt selbst. Dazu müssten wir mit den Kindern ins Schlachthaus. Aber das will niemand im Ernst. Ich glaube, dass auch hier die Schule der richtige Ort ist, der den Kindern vermittelt, welcher Kreislauf dahintersteckt. Dort können wir die Kinder dafür sensibilisieren, dass ein Tier geschlachtet werden muss, damit wir etwas zu essen haben. Das hat auch mit Respekt vor der Natur zu tun.

Also kein Schaubauernhof für Nürnberg?

Tasdelen: Wenn es nach mir geht, ganz klar nein. Die Millionen, die das kosten würde, können wir sinnvoller investieren. Zum Beispiel in die Schulen.

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