Gegen Tarifflucht: Gewerkschaftstag in Nürnberg hat begonnen

6.10.2019, 19:13 Uhr
Arbeitsminister Hubertus Heil (links) war einer der Gastredner im Kongresscentrum des Messegeländes.

© Edgar Pfrogner Arbeitsminister Hubertus Heil (links) war einer der Gastredner im Kongresscentrum des Messegeländes.

Sind die Delegierten dem Rat ihrer Gewerkschaft gefolgt und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln angereist, dürfte ihnen dieses Plakat unmöglich entgangen sein: "Liebe IG Metall, jetzt weiterdenken" heißt es darauf mahnend. Auf dem Spiel stehe die Zukunft von 870.000 Beschäftigten allein in Bayern.

Bezahlt hat das Plakat, das seit einigen Tagen an vielen Ecken Nürnbergs zu sehen ist, der Verband der bayerischen Metallarbeitgeber. Die Botschaft an die Adresse der IG Metall ist klar: Übertreibt es nicht mit euren Forderungen. Schon gar nicht jetzt. Jetzt, das ist für die deutsche Industrie die Rezession – denn anders als die restliche deutsche Wirtschaft steckt sie bereits mitten drin. "Das goldene Jahrzehnt ist vorbei", lassen die Arbeitgeber dann auch per Pressemitteilung wissen.

Transformation ist das große Thema

Allerdings weiß das auch die IG Metall. Ihren Gewerkschaftstag hat sie deshalb unter das große Thema Transformation gestellt - gemeint sind die Veränderungen, die Digitalisierung, Strukturwandel und die Anforderungen des Klimaschutzes für die Branche bringen. Bis zum kommenden Samstag beraten die knapp 500 Delegierten in Nürnberg über den künftigen Kurs in dieser Frage. "Die Meisterringer von Nürnberg" nannte einst der Spiegel die Delegierten angesichts der Masse von Anträgen, über die sie bei einem Gewerkschaftstag zu befinden haben. 1958 war das, auch damals fand der Gewerkschaftstag in Nürnberg statt. 321 Anträge lagen zu jener Zeit vor, diesmal sind es fast 800.


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"Die Transformation ist nicht vor uns, sie hat schon begonnen", greift Gastredner Hubertus Heil das Thema des Gewerkschaftstags auf. Der Bundesarbeitsminister sieht trotz Rekordbeschäftigung und einer Arbeitslosigkeit auf einem historischen Tiefstand Zukunftssorgen um sich greifen – "auch bei denen, denen es heute gut geht". Die Digitalisierung werde Arbeitsplätze überflüssig machen, aber andere schaffen, sagt Heil. "Die Schicksalsfrage ist, die Arbeitnehmer heute in die Lage zu versetzen, die Arbeit von morgen zu machen."

Recht auf betriebliche Weiterbildung

Der SPD-Politiker stellt sich deshalb ausdrücklich hinter die Vorschläge, die die IG Metall zum Thema Qualifizierung gemacht hat: Die Gewerkschaft fordert ein Recht auf betriebliche Weiterbildung. Die Arbeitgeber lehnen das als Angriff auf die unternehmerische Freiheit ab – und drohen indirekt mit Tarifflucht. "Einige Arbeitgeber meinen, ohne Tarifverträge besser zu fahren", sagt Christiane Benner, Zweite Vorsitzende der IG Metall, an ihre Adresse. "Eine funktionierende Volkswirtschaft und eine Demokratie funktionieren aber besser mit Tarifverträgen."

Heil will der Gewerkschaft in dieser Frage zur Seite springen. In 14 Bundesländern gebe es bereits Tariftreuegesetze. Diese legen fest, dass Firmen nur dann an öffentliche Aufträge kommen, wenn sie tarifliche Standards einhalten. Der Arbeitsminister kündigt an: "Wir brauchen auch für den Bund ein Tariftreuegesetz." Die kommenden Tarifverhandlungen, dieses Signal geht schon jetzt von Nürnberg aus, werden wohl mit harten Bandagen geführt werden.

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