Geheimnis im Hinterhof: Motorradmechaniker macht Entdeckung

19.2.2021, 17:00 Uhr
Stefan Berthold hat im Hinterhof seiner Motorradwerkstatt einen original erhaltenen Raum der ehemaligen Mühlenbauanstalt Arold gefunden und möchte ihn erhalten.

© Claudia Wunder Stefan Berthold hat im Hinterhof seiner Motorradwerkstatt einen original erhaltenen Raum der ehemaligen Mühlenbauanstalt Arold gefunden und möchte ihn erhalten.

"Ist das nicht faszinierend? Ich vergesse total die Zeit, wenn ich erst mal anfange, in der Vergangenheit zu stöbern." Stefan Berthold ist die Begeisterung anzusehen, seine Augen leuchten, als er die Tür zum Anbau an seiner Nürnberger Motorradwerkstatt öffnet.

Vor zehn Jahren ist Berthold mit seiner Familie in das Haus in der Neubleiche gezogen, seit acht Jahren betreibt er hier sein Gewerbe. "Ich wusste schon, dass sich hinter dieser Tür eine "alte Schreinerei" befindet und dass die Mühlenbauanstalt Arold hier einmal ansässig war", sagt er.

Schwer zugänglich

Doch erst im Zuge von Aufräum- und Renovierungsarbeiten sah er sich den Raum, der voller Gerümpel stand und daher schwer zugänglich war, näher an. Und kam immer mehr ins Staunen. "Es ist so, als hätte jemand in den 1960er Jahren hier abgesperrt. Seitdem wurde nichts verändert, es ist also fast alles noch originalgetreu wie damals."

Aus heutiger Sicht sehr abenteuerlich: uralte Steckdosen.

Aus heutiger Sicht sehr abenteuerlich: uralte Steckdosen. © Claudia Wunder

Sprich: Schränke und altes Werkzeug aus den 1930er bis 1950er Jahren, Steckdosen, die seit den 1970er Jahren schon verboten sind, eine Handkreissäge, die man kaum anheben kann, mit der früher aber gearbeitet wurde, eine schwere Hobelbank, eine Tischkreissäge aus den 1950er Jahren, ein alter, riemengetriebener Schleifstein, der, schätzt Berthold, wohl aus den 1910/1920er Jahren stammen könnte.

Auch Geräte, "von denen ich absolut nicht weiß, wofür man sie verwendet haben könnte", hat Berthold vorgefunden. Und: alte, verstaubte Unterlagen. Lohnbücher, Lieferanten- und Kundenverzeichnisse, Handelsregister. Referenzen von Geschäftspartnern mit vorgeschriebenen Zeugnissen für die gute Arbeit Arolds, die offensichtlich von den Kunden nur noch unterschrieben werden mussten.

Staubige Unterlagen, alte Berufe

Eine Zeugnismappe dokumentiert, welche Berufe es dort gab, die wir heute nicht mehr kennen, wie Riffelmeister oder Mühlenbauschreiner. Auch persönliche Notizbücher finden sich in den Schränken oder eine Mappe mit Zeitungsartikeln zu politischen Themen, Operationsmethoden für den Grauen Star und zum Mühlensterben in den 1960er Jahren sowie Testamente.

"Wer hat diese Mappe angelegt und warum zu diesen Themen?", fragt sich Berthold. "Das hat was von Forschen und Geheimnisse aufdecken – und einen gewissen Suchtfaktor: Einmal damit angefangen zu stöbern, kann man nicht mehr aufhören", sagt er, "weil man sich wie auf eine Zeitreise begibt."

Ein Grund für den guten Erhalt dürfte die Tatsache sein, dass der Raum wohl unbeschadet den Krieg überstanden hat, während die meisten Wohngebäude außenherum stark beschädigt wurden.

Bis 1969 in Betrieb

Zusätzlich wandte sich Berthold an das Stadtarchiv. Dort konnte man ihm lediglich bestätigen, dass Johann Wolfgang Arold, geboren am 29. November 1881, am 3. Juni die Maschinen– und Mühlenbauanstalt angemeldet hatte und den Betrieb bis zu seinem Tode am 15. Oktober 1967 leitete. Ab dann wurden seine Kinder Helene und Wilhelm Gesellschafter der Firma, Letzterer betrieb noch einen Großhandel für Maschinen und Zubehörteile in der angrenzenden Stephanstraße.

 „Leistungsfähigstes Spezialgeschäft am Platze“ heißt es auf den Aufklebern der Arold'schenMaschinen.

 „Leistungsfähigstes Spezialgeschäft am Platze“ heißt es auf den Aufklebern der Arold'schenMaschinen. © Claudia Wunder

Zum 30. Juni 1969 meldete er sowohl die Mühlenbauanstalt als auch den Maschinenhandel ab. Ein Großteil des Nachlasses ging in die Pauline und Wilhelm Arold-Stiftung über, die Wilhelms zweite Frau Pauline gegründet hatte. Seit ihrem Tod vor knapp vier Jahren ist ein Stiftungsvorstand dafür verantwortlich, dass der Stiftungszweck erfüllt wird.

Sicher ist: In der Neubleiche wurden Maschinen gebaut, Getreidemühlen und -pressen hergestellt, wurde Metall gegossen, gefräst und gebohrt, hart gearbeitet. Sicher ist auch: Johann Arold hat auch die Oedmühle in Weigendorf betrieben. Offen bleibt jedoch, ob die Betreiber der Bleichmühlen, die Namensgeber für die Straße Neubleiche, und Arold etwas miteinander zu tun hatten.

Wer weiß etwas?

Berthold möchte gerne noch mehr wissen, um das Andenken an die Mühlenbauanstalt zu erhalten, denn "das Anwesen hier atmet schließlich Geschichte". Gibt es Leute, die alte Fotos haben? Oder Angehörige, die einmal hier gearbeitet haben? Diese können sich gerne per Mail an info@kellerharrer.de bei ihm melden. Denn Berthold plant, den historischen Raum zu erhalten und eine Art Erinnerungsstätte einzurichten.

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