Geht die Kreide aus?

7.10.2015, 20:06 Uhr
Geht die Kreide aus?

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Ausgerechnet Finnland. Das Land, das bei der Pisa-Studie regelmäßig als Klassenbester hervorgeht, will Stifte aus den Klassenzimmern verbannen und durch Tastaturen ersetzen. Die Skandinavier beugen sich damit einem Trend, der schon länger anhält: der zunehmenden Digitalisierung des Alltags. Doch seit die Finnen Anfang des Jahres mit ihrem Plan in die Öffentlichkeit gegangen sind, haken Kritiker immer öfter nach. Der Tenor: Welche Auswirkung hat es, wenn Grundschulkinder nicht mehr mit Stift, sondern mit Tasten das Abc lernen? Für die Finnen, und mittlerweile auch für manche Politiker in Schweden, steht fest, dass das Tippen auf der Tastatur mit dem Alltag der Schüler viel einfacher in Verbindung zu bringen ist. Wozu also überhaupt noch Handschrift? Warum werden Kinder damit noch getriezt?

Dass hier auch ein ganzer Industriezweig an so einer Entwicklung zu knabbern hat, liegt auf der Hand. Für die Firma Staedler aus Nürnberg sei das alleine aber nicht der Grund gewesen, weshalb sie jetzt eine umfassende wissenschaftliche Studie zu diesem Thema unterstützt. „Wir machen damit keine Auftragsforschung, das ist vielmehr ein Gesellschaftsthema — und wir sind ein Teil davon“, erklärt Staedler-Geschäftsführer Axel Marx.

Doch bereits die Vorstudie der Ulmer Forscher Katrin Hille und Markus Kiefer hat ein deutliches Ergebnis gebracht, welche Folgen ein Aus der Schreibschrift in Grundschulen haben könnte, wie bei einer Pressekonferenz im Museum Industriekultur bekanntwurde. Demnach schränkt das ausschließliche Tippen auf der Tastatur die Feinmotorik ein. „Das lässt sich gut bei älteren Menschen erkennen: Sie haben im Vergleich zu jüngeren eine bessere Feinmotorik“, berichtet Psychologe Professor Kiefer.

Gedächtnisspuren

Die Forscher sind auch davon überzeugt, dass durch das Schreiben mit dem Stift sich die Kinder die Buchstaben bessere einprägen können. Denn das Tippen ist lediglich eine einförmige Bewegung auf die Taste. „Mit der Handschrift forme ich den Gehalt eines Buchstaben“, sagt der Forscher. Es gehe ihnen mit Blick auf die Handschrift um mehr als nur um den Erhalt einer überlieferten Kultur. Denn hier finden Lernprozesse statt, die durch das Tippen nicht geleistet werden können. Jeder per Hand geschriebene Buchstabe hinterlässt nach Ansicht der Wissenschaftler eine „motorische Gedächtnisspur“.

Vier Wochen lang untersuchten die Forscher des TransferZentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL), das zur Universität Ulm gehört, Kinder. Sie teilten die Kleinen in zwei Gruppen, die eine sollte dabei Buchstaben per Tastendruck, die andere per Handschrift erlernen. Verlierer waren dabei die Tasten-Probanden. Bei den Handschreibern fanden die Tester heraus, dass sie Buchstaben besser erkennen konnten, und es wurde bei dieser Gruppe „eine höhere Aktivität der Gehirnareale“ gemessen.

Ab 1. November startet nun ihre großangelegte Studie. 150 Kinder im Alter von vier bis fünf Jahren werden sich daran beteiligen. Die Forscher gehen dazu acht Wochen lang in Ulmer Kindergärten. Auch hier werden wieder zwei Gruppen gebildet. Katrin Hille: „Bisher gibt es keine verlässlichen Studien dazu und viel zu wenige Daten.“

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