"Geht nicht gibt’s nicht": Nürnberger Fitnesstrainer halten Community über Online-Kurse fit

15.2.2021, 19:37 Uhr
Kniebeugen, Liegestütze, Sit-Ups: Bei "Geht nicht gibt's nicht" wird mit dem eigenen Körpergewicht trainiert.

© privat Kniebeugen, Liegestütze, Sit-Ups: Bei "Geht nicht gibt's nicht" wird mit dem eigenen Körpergewicht trainiert.

Es war ein sonniger Tag im Juni 2020, als Walid Rasho den Entschluss fasste, etwas Neues zu probieren. Der Lockdown war endlich vorbei, Sportbegeisterte fluteten die Fitnessstudios, und auch an den Stangen und Sprossenwänden der Stadt wurde bis zur Erschöpfung gedrückt und gezogen.

Doch obwohl Rasho nach Monaten der Kurzarbeit endlich wieder im Studio arbeiten durfte, gab es etwas, das dem Fitnesstrainer fehlte: Kurse zu geben. Menschen bei der Ausführung von Übungen zu unterstützen, sie zu korrigieren und zu höheren Leistungen anzutreiben. "Das ist nicht nur mein Beruf, sondern mein größtes Hobby", erzählt der 26-Jährige. “Gemeinsam mit anderen Menschen Sport zu machen, ihnen zu helfen, die Übungen richtig auszuführen. Wenn mir jemand erzählt, dass er dank mir endlich keine Rückenschmerzen mehr hat oder seine Bänder und Sehnen wieder besser belasten kann, ist das für mich die größte Freude."

Weil Kurse in den geschlossenen Räumen des Studios, in dem er arbeitet, aber zunächst nicht erlaubt waren, begann er, gemeinsam mit seinen Kollegen Chris und Thomas, Outdoor-Kurse zu geben. Hier eine Telefonnummer, da ein neuer Kontakt - Schon waren die ersten 50 Sportbegeisterten in der WhatsApp-Gruppe, die Rasho "Geht nicht gibt’s nicht" taufte.


Fitness oder Wahn? Ein Gespräch über Crossfit


Um die zehn bis 15 Leute waren jedes Mal dabei, wenn im Westtorgraben, im Quelle-Park oder unter der Theodor-Heuß-Brücke gemeinsam geschwitzt wurde. Interessierte Schaulustige wurden einfach eingegliedert, unabhängig von Alter oder Fitness-Level, so dass sich die Mitglieder-Anzahl schnell verdoppelte.

"In Sachen Motivation ist diese Truppe wirklich einzigartig", sagt Katharina, die von Anfang an dabei ist. "Es ist etwas ganz anderes, wenn man sich aufs gemeinsame Trainieren mit den anderen Teilnehmern und den Trainern freut, als wenn man sich alleine zum Sport überwinden muss."

Ein weiterer Vorteil: Viel Vorbereitung und Equipment ist nicht nötig. Ein, zwei Bänder in den Rucksack geworfen und ein Handtuch dazugepackt - das war’s. Das wichtigste Trainingsgerät, den eigenen Körper, hat man ohnehin immer bei sich. Das Trainieren mit eigenem Körpergewicht erfährt in letzter Zeit, 200 Jahre nach Turnvater Jahn, eine wahre Renaissance. Auch in Nürnberg und Umgebung sprießen neue Outdoor-Anlagen geradezu aus dem Boden.

"Wir konzentrieren uns beim Training an Geräten im Fitness-Studio viel zu sehr auf die großen Muskelgruppen. Außerdem können die Übungen dort nur statisch ausgeführt werden", erklärt Thomas, der mit Walid zusammen die Trainings leitet. "Dabei sind es gerade die kleinen, nicht ganz so beachteten Muskeln, die helfen, Schäden am Bewegungsapparat vorzubeugen. Auf die fokussieren wir uns."

Athletiktraining für den FSV Erlangen-Bruck

Die angebotenen Kurse kamen gut an, die Größe der einzelnen Trainings schwoll über den Sommer zeitweise auf bis zu 20 Teilnehmer an, und die Euphorie bei den Trainern stieg. "Wir hatten Pläne, uns selbstständig zu machen, waren auf der Suche nach einem eigenen Raum für unsere Kurse", erzählt Rasho. "Sogar die ersten Fußball-Jugendmannschaften haben uns für ihr Athletik-Training angefragt."

Doch dann kam der Herbst, und mit ihm der zweite Lockdown, der alle Gründungseuphorie hinwegschwemmte. Gruppentrainings waren nicht mehr erlaubt, die Fitness-Trainer mussten wieder in Kurzarbeit.

Einfach nur zuhause bleiben und sich isolieren - Verdammt schwer für jemanden, dessen soziale Kontakte sich vor allem über gemeinsame Bewegung definieren.

"Mir ist ein paar Wochen lang wirklich die Decke auf den Kopf gefallen", erzählt Rasho. "Stundenlang habe ich alleine Übungen gemacht, aber mir fehlte das Unterrichten." Einige Wochen später kam ihm dann die Lösung. Wenn Konferenzen, Schulunterricht und sogar Chorgruppen virtuell stattfinden konnten, musste das in seiner Branche doch auch irgendwie möglich sein. Er meldete sich bei der Videokonferenz-Plattform Zoom an. Gemeinsam mit seinem Kollegen Thomas turnte er die Übungen vor der Kamera vor, die Teilnehmer taten es ihm zuhause hinter ihren Bildschirmen gleich.

Die ersten Schritte waren noch zäh, geprägt von technischen Problemen, abgeschnittenen Beinen oder Armen und Verbindungsproblemen. Doch schon bald lief es runder, und schnell waren wieder bis zu 20 wechselnde Teilnehmer im Inner Circle und schwitzen regelmäßig hinter ihren Bildschirmen mit. Alles kostenlos und auf Spendenbasis. Inzwischen geben die beiden um die sieben Kurse pro Woche, unter anderem auch für die Jungs der U15 vom FSV Erlangen-Bruck, deren Athletiktraining sie übernommen haben.

"Pamela Reif kommt nicht zu dir nach Hause"

Doch nicht alle, die am Anfang bei "Geht nicht gibt’s nicht" dabei waren, nutzen das aktuelle Angebot. "Wir machen jetzt immer Workouts von Pamela", schrieb eines der Gruppenmitglieder einmal, nachdem Rasho den Link zu einem bevorstehenden Training in die WhatsApp-Gruppe gesetzt hatte. Gemeint war die Fitness-Influencerin Pamela Reif. Teilnehmerin Katharina kann das nicht nachvollziehen, sie sieht ganz klare Vorteile gegenüber anderen Online-Angeboten wie Gymondo, Fitnessraum oder Youtube-Trainings wie denen von Influencern: "Pamela Reif kommt nicht bei dir zu Hause vorbei und bringt dir ein Superband, wenn du keines hast - Walid schon. Und Pamela Reif spricht auch nicht mit dir, korrigiert keine Übungen und motiviert dich nicht, noch ein bisschen durchzuhalten - unsere Trainer machen das. Wir sind inzwischen eine richtige Gemeinschaft geworden, in der Form sehe ich das bei keinem der anderen Angebote."

Eben darum geht es bei "Geht nicht gibt’s nicht": Die Gemeinschaft, das kollektive Trainieren. Denn auch, wenn das Internet über Kontinente hinweg vernetzt, ist es genau das, was Menschen in Zeiten wie diesen brauchen: Ihre lokale Community nicht zu verlieren. Die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass bald wieder alles zumindest ein bisschen so wird wie früher. Dass man sich im echten Leben begegnet, sich beim gemeinsamen Sport in die Augen schauen kann, ohne mehrere Kilometer Distanz oder zwischengeschaltete Bildschirme.

Mitmachen beim kostenlosen Training? Hier geht's zum Instagram-Account von "Geht nicht gibt's nicht"

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