Gesprengte Ticketautomaten: Fälle in Franken häufen sich

27.2.2017, 05:56 Uhr
Immer öfter werden Fahrkartenautomaten aufgebrochen oder gesprengt.

© Boris Roessler/Archiv (dpa) Immer öfter werden Fahrkartenautomaten aufgebrochen oder gesprengt.

Es ist früh. Zu früh, als dass jemand etwas von den Männern mitbekommt, die sich auf dem Bahnsteig aufhalten. Auf einen Zug warten sie sicher nicht, denn um 3 Uhr morgens fährt am Bahnhof Eschenbach bei Markt Erlbach nichts. Doch ihr Ziel steht auf keinem Fahrplan der Deutschen Bahn. Ihr Ziel ist der Fahrkartenautomat am Bahnsteig, der etwas Abseits steht. Mehrere Tausend Euro können im Bauch eines solchen Apparates stecken - und die wollen sie haben.

Die Täter lassen Campinggas in das Gerät strömen. Dann zünden sie. Durch die heftige Detonation wachen Anwohner auf, in der Zwischenzeit sammeln die Täter Banknoten und Münzen ein, rennen weg und rauschen mit einem Wagen, in dem ein Komplize gewartet hatte, davon. Eine Fahndung der Bundespolizei, die für Bahnanlagen zuständig ist, und der Landespolizei bleibt ohne Erfolg. 

Die Sprengung des Fahrkartenautomaten vom 1. Dezember 2016 in Eschenbach ist eine von dreien in jüngerer Zeit. Am 11. November 2016 explodierte bereits ein Automat in Neuhof an der Zenn (Ortsteil Adelsdorf), der Ort liegt ebenfalls im Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Der Landkreis scheint ein Schwerpunkt der Täter zu sein. Denn auch der dritte und jüngste Vorfall ereignete sich in diesem Kreis: Am 9. Februar 2017 gegen 2.45 Uhr flog auf dem Bahnhof Dietersheim ein weitere Automat in die Luft.

In zwei von drei Fällen sahen Anwohner einen dunklen Wagen davonrasen. Bei allen drei Taten wurden die Fahrkartenautomaten komplett zerstört. Es entstand ein Gesamtsachschaden von mindestens 150.000 Euro. Bei Sprengungen im Zusammenhang mit einer schweren Straftat sind nicht mehr die Sicherheitskräfte des Bundes, sondern die des Landes Bayern zuständig. Deshalb hat die Kripo Ansbach die Ermittlungen aufgenommen. Sie geht davon aus, dass es "aufgrund der räumlichen Nähe" einen Zusammenhang der drei Fälle gibt.

Attacken häufen sich

Attacken auf Fahrkartenautomaten häufen sich, heißt es in der Nürnberger Zentrale der Bundespolizei. Die aktuellen Fälle erinnern die Ermittler an eine Bande aus Osteuropa. Sie ging den Ermittlern 2015 ins Netz. Doch die Gruppe brach die Ticketspender noch mit Bohrmaschine, Trennschleifer und Stemmeisen auf.

"Es wird immer brachialer. Mit den Sprengungen ist ein weiterer Höhepunkt erreicht. Kein Wunder, die Täter wollen ja so schnell wie möglich vom Tatort verschwinden", sagt Ferdinando Caputo. Er war leitender Ermittler in diesen Fällen. Am Ende konnten er und seine Kollegen der Tätergruppe zehn Aufbrüche in der Region nachweisen. Die Bande machte eine Beute von 40.000 Euro, an den Automaten entstand ein Gesamtsachschaden von 110.000 Euro.

Doch wie kamen sie den fünf Männern auf die Schliche? Die Bundespolizisten nennen den Schlüssel, der zur Aufklärung führte, "elektronischer Fingerabdruck". Sie wandten sich an den Staatsanwalt, legten ihm ihre Erkenntnisse vor und bekamen einen wichtigen Beschluss: Sie konnten damit ermitteln, welche Handys im Funkmast in der Nähe eines Tatortes eingeloggt waren.

Spur führte in den Raum Dortmund

"Es musste ganz schnell gehen, weil die Handy-Dienstleister die Daten nur sieben Tage lang speichern müssen", erklärt Josef Retzer, Leiter des Ermittlungsdienstes bei der Nürnberger Bundespolizei. Die Beamten ließen sich alle Nummern geben, die am Tattag zwei Stunden vor und zwei Stunden nach dem Bruch eines Automaten am Bahnhof "Kinding (Altmühltal)" vom Funkmast erfasst wurden.

Einige Nummern tauchten auch in der Umgebung anderer Tatorte auf, die Spur führte bis in den Raum Dortmund. "Auch dort wurden Fahrkartenautomaten aufgebrochen", sagt Retzer. Für den nächsten Schritt benötigten die Ermittler einen weiteren staatsanwaltschaftlichen Beschluss, den sie auch erhielten: Anhand der Nummern konnten sie nun die Inhaber der Anschlüsse abfragen. Auf diese Weise konnten die Wege der identifizierten Personen weiter verfolgt werden. Als die Bande von Essen nach Österreich fuhr, wurden die dortigen Sicherheitsbehörden informiert.

"Drei Automaten knackten sie in Österreich", sagt Polizeihauptkommissar Retzer. Dann bekam die Sondereinheit Cobra der österreichischen Polizei den Befehl zum Zugriff: Auf einem Rastplatz an einer Autobahn wurden die fünf Täter in ihren Wagen aus dem Schlaf gerissen und festgenommen. Der Prozess lief in Essen. Den Männern konnten insgesamt 30 Aufbrüche nachgewiesen werden, sie wurden zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Mit den aktuellen Sprengungen ist eine neue Täter-Generation am Werk. Bei den Ermittlungen spielen auch hier Telefondaten eine große Rolle.

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