Kriechtiere

Giftspinnen und Schlangen in Nürnberg: Einsätze immer häufiger

7.5.2021, 07:45 Uhr
Die Schlange am Haken: Mit diesem Imitat einer Klapperschlange demonstriert Feuerwehrmann Ralf Seifert seinen Kollegen, wie man sich bei so einem Fund verhält, um nicht selbst verletzt zu werden.

© Eduard Weigert, NNZ Die Schlange am Haken: Mit diesem Imitat einer Klapperschlange demonstriert Feuerwehrmann Ralf Seifert seinen Kollegen, wie man sich bei so einem Fund verhält, um nicht selbst verletzt zu werden.

Bei bestimmten Einsätzen hat Ralf Seifert in der rechten und in der linken Hosentasche je ein handliches Fläschchen mit Desinfektionsmittel. Aber nicht, um seine Hände keimfrei zu halten. Der 52-jährige Feuerwehrmann hat das Ethanol zur Sicherheit in seinen Taschen, sobald er es mit Würgeschlangen zu tun haben sollte. Beißt eine sich am linken Arm fest, ist der rechte frei für den Griff in die rechte Tasche. Beißt sie in den rechten Arm, um diesen zu umwickeln, ist Seifert froh, ein weiteres Fläschchen in der linken Tasche zu haben. Die Flüssigkeit würde er dann ins Maul der Schlange träufeln. "Ethanol mögen sie gar nicht, sie würden ihren Biss dann lockern", sagt der Spezialist für gefährliche Tiere bei der Berufsfeuerwehr Nürnberg. Die Schlange kann dann vom Arm gelöst und in eine sichere Kiste gelegt werden.

Das Krokodil im Keller

In der Feuerwache 2 an der Veilhofstraße existiert auch das Sondergerätelager für spezielle Einsätze mit gefährlichen Tieren. Die Kräfte der Wache sind auch am Zug, wenn große Tiere verunglücken wie etwa im vergangenen Januar die beiden Haflinger in der Nähe von Greding. In solchen Fällen kommt das spezielle Pferdehebegeschirr zum Einsatz.

Die Spezialisierung auf gefährliche Tier soll jetzt bei der Berufsfeuerwehr weiter ausgebaut werden. Hintergrund ist die Zunahme dieser Einsätze, auch wenn sich nach näherer Begutachtung das vermeintlich gefährliche Tier oft als harmlos oder gar als Imitat herausstellt, wie im November 2016 in der Königshammer Straße in Nürnberg. Eine Frau alarmierte die Einsatzzentrale, weil sie eine Giftschlange gesehen haben will. Kräfte der Feuerwehr rückten an und näherten sich mit Spezialausrüstung. Aus sicherer Entfernung tippten sie das vermeintliche Reptil an. Das Kriechtier blieb aber steif liegen. "Made in China" stand auf der Unterseite der Nachbildung aus Plastik.

Dieses Kunststofftier bewahrt Ralf Seifert mit anderen Imitaten in einem Karton als Andenken auf und lässt die Tierchen raus, wenn er vor Feuerwehrleuten in Schulungen über gefährliche Tiere und den richtigen Umgang mit ihnen berichtet. "Wir nehmen jede dieser Alarmierungen sehr ernst, auch wenn sich das Tier später als ungefährlich herausstellt", sagt er. Wachleiter Peter Saul erinnert sich an einen Einsatz in Nürnberg, bei dem der Mitteiler von einem "Krokodil im Keller" sprach. Als Kräfte der Feuerwache 2 kamen, fanden sie im Keller eine kleine, ungefährliche Eidechse. "Der Anrufer hatte eine Tortenglocke über das Reptil gestülpt", sagt Peter Saul.

Eine echte Klapperschlange im Karton

Angespannt war Seifert während eines Einsatzes nachdem die Vermieterin eines Wohnhauses angerufen hatte, weil ein Mieter spurlos verschwunden war und sie wusste, dass er in Terrarien zwei Python- und drei Königsboa-Schlangen hielt. "Wir haben die Tiere gefunden und sicher eingefangen", sagt Ralf Seifert.

Für solche Einsätze haben die Feuerwehrleute eine entsprechende Schutzkleidung. Dazu zählen Plexiglasschilde, wie sie die Polizei bei Demonstrationen zum Eigenschutz einsetzt, Handschuhe mit "höchstem Stichschutz" und Gesichtsschilde. Diese brauchen die Fachleute, wenn sie es mit Giftschlangen zu tun haben, wie einmal am Tiergarten, als Unbekannte vor dem Zoo einen Karton mit einer echten Klapperschlange abstellten. "Diese Schlangen können ihr Gift auch speien oder es durch Fauchen vernebeln. Das kann zur Erblindung führen", erklärt er. Kürzlich hat der Tiergarten sogar einen Wüstenluchs aufgenommen, der verbotenerweise in einer Mietwohnung gehalten wurde.

Welche Folgen es haben kann, wenn eine Giftschlange in der Wohnung ausbüxt, zeigt ein Fall, der sich im April 2010 in Mülheim an der Ruhr ereignete: In einem Mehrfamilienhaus hielt sich ein Mieter eine hochgiftige Kobra. Das Kriechtier entkam und löste einen mehrtägigen Großeinsatz aus. Die Mieter flohen aus Angst aus dem Haus, Straßen wurden gesperrt, die Dachgeschosswohnung des Schlangenhalters auf der Suche nach dem Tier komplett entkernt und das Haus Tage später versiegelt. Am Ende blieb die Kobra auf einer Klebefalle hängen - und starb. Die horrenden Einsatzkosten wurden dem Halter in Rechnung gestellt.

Bei äußerst giftigen Tieren sei so ein massiver Einsatz nötig. Seifert legt aber wert auf die Feststellung, dass die heimische Kreuzotter und die Aspisviper zwar zur Gattung der Giftschlangen gehören, ein Biss dieser Tiere sei allerdings "vergleichbar mit einem Wespenstich".

Verbotene Haltung: Bis zu 10.000 Euro Bußgeld

Doch wie kommen solche Exoten überhaupt nach Deutschland? Zum einen lassen sich solche Tiere oft problemlos im Internet bestellen, nicht jedes Paket kann der Zoll unter die Lupe nehmen. "So eine Diamant-Klapperschlange wird teils für fünf Dollar im Netz angeboten", sagt Wachleiter Peter Saul. Zum anderen aber schleppen Touristen Spinnen oder Skorpione mit ihrer Rückkehr selbst ein. "Steht der Koffer am Urlaubsort offen, kriechen die Tierchen gerne in Schuhe oder Klamotten", ergänzt Seifert. Am Münchner Flughafen zögen Zoll-Beamte regelmäßig gefährliche Tiere aus dem Gepäck. Die Exoten kommen dann in eine spezielle Reptilienauffangstation.

Wer gefährliche Tiere legal halten will, muss dafür einige Hürden nehmen. Nach Angaben des städtischen Ordnungsamtes muss dafür ein berechtigtes Interesse vorliegen. Das aber "ist sehr eng gefasst. Es kann beispielsweise vorliegen bei wissenschaftlicher Arbeit, Zirkus, gewerblicher Ausstellung, etwa bei einer Reptilienshow. Das muss aber immer nachgewiesen werden. Liebhaberei, Hobby reichen nicht", erklärt Robert Pollack, stellvertretender Leiter der Behörde. Der Interessent müsse zudem zuverlässig sein. "Die Zuverlässigkeit umfasst auch die Fähigkeit, die Tiere halten zu können, was durch eine Sachkundeprüfung nachzuweisen ist."

Wer sich verbotenerweise darüber hinwegsetzt und trotzdem ein gefährliches Tier hält, muss mit einem Bußgeld bis zu 10.000 Euro rechnen. In den vergangenen zehn Jahren hat das Ordnungsamt laut Pollack sechs Erlaubnisse erteilt, für zwei Spinnen, eine Schlange, einen Tiger, einen Alligator und für gefährliche Fische. Fünf Haltungen wurden untersagt.

Keine Kommentare