Gostenhof – das SoHo von Mittelfranken

23.2.2012, 10:20 Uhr
Gostenhof – das SoHo von Mittelfranken

© dpa

Gostenhof – lange stand dieser Nürnberger Stadtteil für Auswanderer, Kriminalität und zersplitterte Fensterscheiben. Was ihn heute ausmacht, erinnert an Kreuzberg in Berlin oder die Schanze in Hamburg. Kulturzentren, Galerien und alternative Cafés. Aus Gostenhof ist mittlerweile GoHo geworden – in Anspielung an den berühmten New Yorker Stadtteil SoHo. Gegen den Begriff „Szeneviertel“ wehrt man sich in Mittelfranken aber. Noch.

„Wir machen uns nicht groß Gedanken, ob das jetzt hip ist“, sagt Eva Bär vom Kreativzentrum Musikzentrale. „Wir fühlen uns hier einfach wohl.“ Schon seit 1984 sitzt der Verein für die regionale Musikszene in Gostenhof. Durch die zugezogenen Kreativen fühlt man sich in der Nachbarschaft aber zunehmend besser vernetzt. Das sehen auch andere Gostenhofer so.

Künstler bringen "Sex-Appeal"

„Die Künstler und die jungen Leute bringen schon so ein bisschen Sex-Appeal“, sagt Inge Klier. Auch sie lebt seit gut 20 Jahren im Kiez – und hat dessen Wandlung mitgestaltet. „Als ich nach Gostenhof gezogen bin, haben mich diverse Menschen gewarnt“, erzählt Klier. „Das war wirklich ein Glasscherbenviertel.“ Heute betreibt die 43-Jährige in der Glockendonstraße einen Design-Laden. „Wenn ein paar Leute den Mut haben, einen Laden zu eröffnen, dann kommen immer mehr hinterher.“ Der Renner: T-Shirts mit dem Aufdruck „I love GoHo“. Die träfen hier einen Nerv.

Altbau-Charme und Multikulti ziehen seit einigen Jahren Familien und Studenten in das ehemalige Arbeiterviertel. Denn zwischen türkischen Bäckereien und orientalischen Imbissen lässt es sich günstig leben. Reihenweise Jugendstil-Bauten sind hier noch erhalten. Weil die größtenteils unsaniert sind, sind die Mieten noch relativ niedrig. „400 Euro für 60 Quadratmeter Altbau mit Balkon“, sagt die 22-jährige Lena. Das war für die Studentin ein Argument für Gostenhof.

Nachts wird es unheimlich im Viertel

Nur nachts, da fühle sie sich schon ab und zu unwohl. Alkoholiker mit Discounter-Tüten, ein hoher Ausländeranteil und undichte Altbau-Fenster. Auch das ist GoHo. Für viele Anwohner macht aber gerade das die Authentizität aus. „Es ist nicht gut, wenn die Anwohnerstruktur nur einseitig ist“, findet Udo Kloos. Der 39-Jährige betreibt in der Gostenhofer Hauptstraße eine Galerie. Kloos liebt seinen Kiez, beklebt Litfaßsäulen mit Foto-Tapeten, will Hängematten zwischen den Bäumen vor seiner Galerie aufhängen.

Im Salon Regina in der Fürther Straße sitzt Matthias Sauermann und trinkt Kaffee. Der 34-Jährige ist aus der Nachbarstadt Fürth hergekommen. „Hier findet man noch richtige Cafés jenseits von Starbucks“, sagt er. Blümchentapete, Plüschsofas und 50er-Jahre Wohnzimmer-Atmosphäre – erinnert schwer an die Szene-Treffs in Berlin.

Hinterhof-Atmosphäre - besser als New York

Ein bisschen SoHo stecke auf jeden Fall in GoHo, erzählt Frank Jegensdorf. Der 44-Jährige hat in GoHo eine leerstehende Etage gekauft und zum Loft umgebaut. Wenn er da aus dem Fenster schaue, fühle er sich wie in New York. „Richtig tolle Hinterhof-Atmosphäre.“ Der Unterschied zu SoHo: „In Gostenhof hat man alles auf engstem Raum.“ Aber ist GoHo nun ein Szeneviertel oder nicht? „Ich finde es immer süß, wenn man sich mit den Großstädten vergleicht und dann befürchtet, dass es hier genauso wird“, sagt Kloos. Er bezeichnet Gostenhof lieber als „kleine Insel, die sich sehr kultiviert hat“.

Bei der Stadt Nürnberg sieht man das ähnlich. „So ein Viertel, das eine bunte Mischung ist, verbreitet ein gewisses Flair“, meint Wirtschaftsreferent Michael Fraas. „Was wir aber vermeiden wollen, ist eine Gentrifizierung (Verdrängung bisheriger Bewohner), wie man sie aus Prenzlauer Berg kennt.“ Designerin Klier hat davor keine Angst. „Welcher Überflieger kommt schon nach Nürnberg?“, sagt sie und lacht. Promis gebe es hier keine, dafür aber „die nettesten Clubs und die schönsten Cafés“.

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