Grablichter gegen Tierversuche: Protest vor Nordklinikum

23.10.2017, 10:05 Uhr
Rund 70 Tierschützer demonstrierten während der "Langen Nacht der Wissenschaften" vor dem Nordklinikum.

© Roland Fengler Rund 70 Tierschützer demonstrierten während der "Langen Nacht der Wissenschaften" vor dem Nordklinikum.

Neben anderen Veranstaltungen im Klinikum hatte auch das Institut für Anatomie der privaten Paracelsus Universität eingeladen, um das Forschungsgebiet zu künstlichen Knorpeln und Sehnen vorzustellen. Die Verantwortlichen planen ab 2018 auch Experimente mit Versuchstieren.

Dagegen gibt es in Tierschutz-Kreisen starken Protest — auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Zahllose Grablichter flackerten an der Professor-Ernst-Nathan-Straße vor dem Haupteingang des Krankenhauses. Die Veranstalter der Mahnwache wollten ihre Haltung deutlich machen: dass es sich bei den Nagern um Lebewesen handelt, denen der Mensch nicht einfach das Leben nehmen darf. Auf einem großen Plakat stand: "Tatort Labor: Wo menschliche Gewalt an Tieren keine Grenzen hat." Ein anderes Transparent plädierte für "Forschung ohne Tiere".

Für Mitveranstalter Helmut Wolff von der Partei Mensch-Umwelt-Tierschutz ist unverständlich, dass die Wissenschaft Alternativen zu Tierexperimenten nicht stärker ausbaut: "In den USA kann man bereits neun menschliche Organe mit einem Chip simulieren", meint Wolff, "warum führt man in Deutschland die barbarischen Methoden der Tierversuche aus dem letzten Jahrhundert weiter?" Elisabeth Mederer von "Menschen für Tierrechte" fordert, andere wissenschaftliche Wege zu gehen — etwa die Forschung mit menschlichen Zellen oder das Erstellen künstlicher Implantate mit Hilfe von 3D-Druckern.

Bei den angebotenen Rundgängen des Instituts für Anatomie der Paracelsus- Universität wollte man nicht über die geplanten Tierversuche und Alternativendazu sprechen. Es gehe an diesem Abend darum, einen fachlichen Beitrag zur "Langen Nacht der Wissenschaften" zu leisten. Interessierte konnten sich dort über Kreuzbandplastikenund Knorpelersatz aus Polyurethan oder über Zellschnitte unter dem Mikroskop informieren.

Das Krankenhaus war offenbar überrascht und verunsichert, welch starke Proteste das Vorhaben der Paracelsus Universität ausgelöst hat, im Nordklinikum ein Tierversuchslabor einzurichten. Der Pressesprecher des Klinikums untersagte es, an diesem Abend Fotos in der Anatomie zumachen. Man wolle die Mitarbeiter vor einem "Spießrutenlauf" bewahren. 

Lebhafte Auseinandersetzung

Bereits in den vergangenen Wochen hat das Vorhaben zu einer lebhaften Auseinandersetzung geführt. Professor Martin Wilhelm, erster Forschungsdekan der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität, hält Tierversuche für "unerlässlich", bis der Einsatz neuer Entwicklungen beim Menschen ethisch vertretbar sei. Wilhelm verweist auf Krebserkrankungen, bei denen sich die Aussichten für die Patienten durch neue Medikamente deutlich verbessert hätten.

Der Hochschullehrer und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin betont: Mehr als 90 Prozent der Substanzen, die in der Zellkultur Tumorzellen angreifen, würden nie in der Klinik zum Einsatz kommen, weil sie sich im Tierversuch als zu toxisch oder unwirksam erwiesen hätten.

Tierschützer widersprechen dieser Argumentation. Sie bezweifeln die einfache Übertragbarkeit von Ergebnissen aus Tierversuchen auf den Menschen. Falls sich eine Substanz im Tierversuch als toxisch erweist, heiße das nicht, dass sie auch beim Menschen in dieser Weise wirke. Denn dann hätten auch Aspirin, Ibuprofen und Penicillin wegen schwerwiegender Schäden bei verschiedenen Tierarten keine Zulassung für die Humanmedizin bekommen.

Noch kein Antrag der Universität

Veterinär Hans Giering vom Ordnungsamt äußerte gegenüber der Lokalredaktion, dass das Tierhaus noch einmal gründlich kontrolliert werde, wenn die Nager in den Käfigen sind. Die Regierung von Unterfranken ist als zweite Behörde für das geplante Tierlabor im Nordklinikum zuständig. Sie muss die Tierversuche genehmigen.

Bislang liegt laut Presseprecher Johannes Hardenacke noch kein Antrag der Paracelsus Universität vor. Wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird, muss die Regierung eine fachliche und rechtliche Prüfung des einzelnen Experiments durchführen. Unterstützt wird sie von einer Versuchstierkommission (auch Ethikkommission genannt), die aus vier Wissenschaftlern und zwei Vertretern von Tierschutzorganisationen besteht.

Das geplante Tierlabor in Nürnberg beschäftigt auch die Politik: Grünen-Stadträtin Monika Krannich-Pöhler hat sich ebenso kritisch geäußert wie Susann Biedefeld, Tierschutzpolitische Sprecherin der SPD im bayerischen Landtag. Die Sozialdemokratin möchte generell die Zahl der Tierversuche weiter verringern, indem die Forscher auf alternative Methoden ausweichen. Sie appelliert an Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf, keine Genehmigung von Tierversuchen im Nordklinikum zu erteilen, bis alle offenen Fragen beantwortet sind.

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