Greenpeace Nürnberg fordert Werbeverbot für Billigfleisch

27.1.2020, 05:46 Uhr
Auch in Nürnberg protestierte Greenpeace am Wochenende gegen Billigfleisch in Supermärkten.

© Günter Distler Auch in Nürnberg protestierte Greenpeace am Wochenende gegen Billigfleisch in Supermärkten.

Wer gerne Fleisch isst und wem es egal ist, was er da der Familie in die Pfanne haut, kann sich heute freuen. Dann bietet ein großer Discounter die 500-Gramm-Packung Schweineschnitzel statt für 3,29 Euro für schlappe 2,59 Euro an — echtes Billigfleisch also. Dennoch scheint man kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Schließlich offenbart das Label auf der Verpackung, dass das Tier eine Haltung genoss, die der Stufe 1 entspricht. Dumm nur, dass diese Stufe das Schlimmste ist, was bei der Tierhaltung noch legal ist.

Mogelpackung für Verbraucher

Seit vergangenen April kennzeichnen die großen Supermarktketten Fleisch freiwillig und einheitlich von Stufe 1 bis Stufe 4, wie das Tier zuvor gehalten worden ist. Was auf den ersten Blick auch dem Tierwohl zugute kommen könnte, da der Verbraucher ein Stück aufgeklärt wird und damit die Wahl beim Kauf zu haben scheint, bezeichnen Verbraucherschützer, wie etwa die Organisation "Foodwatch", schlicht als Mogelpackung. Denn von den großen Supermarktketten wird eben vor allem Billigfleisch verkauft.

 

 

So hat nun eine Abfrage von Greenpeace bei neun führenden deutschen Lebensmittelanbietern ergeben, dass 88 Prozent des Fleischs im Handel mit den Haltungsformen 1 oder 2 gekennzeichnet sind. Und das wirft ein fragwürdiges Licht auf die Ware in der Kühltheke. Denn Stufe 1 bedeutet "Stallhaltung", was lediglich den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.


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In der Praxis bedeutet das, dass ein ausgewachsenes 100-Kilo-Schwein gerade mal 0,75 Quadratmeter Platz zur Verfügung hat. Stufe 2, "Stallhaltung plus", macht die Sache nicht wirklich besser, denn hier haben die Tiere zehn Prozent mehr Platz. Aber wer weiß das schon und will es vor allem hören, wenn Billigpreise locken?

Keine Werbung mehr für Billigfleisch

"Auch deshalb fordern wir, dass Billigfleisch nicht mehr beworben wird", sagt Julia Salomon von Greenpeace Nürnberg. Wie in bundesweit 52 anderen Städten standen auch die Nürnberger Aktivisten am Samstag vor Supermärkten und machten auf die Missstände aufmerksam. Sie versuchten ein Stück weit, auch Einblick in die Produktion und Deklarierung zu geben.


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Denn vieles ist dem Verbraucher nicht zwangsläufig klar. Etwa, dass das System der Haltungsform-Stufen bei Fleisch genau umgekehrt zur Eierkennzeichnung erfolgt: Die folgt dem Schulnotensystem – die beste Note 0 gibt es für die ökologische (Bio-) Erzeugung von Eiern. Stufe 1 steht für Freilandhaltung, 2 für Boden- und 3 für Käfighaltung. Auch diese fehlende Einheitlichkeit ist ein Umstand, den Verbraucherschützer kritisieren.

An der Wursttheke tappt der Kunde im Supermarkt schließlich komplett im Dunkeln. Er erfährt nicht, wie die verarbeiteten Tiere gehalten wurden und ob die Ferkel ohne Betäubung kastriert oder den Schweinen die Ringelschwänze abgeschnitten wurden. Es ist ein Milliardengeschäft. Das erklärt das große Schweigen bei den Produzenten.

3,9 Millionen Tonnen Fleisch

Laut statistischem Bundesamt wurden in Deutschland im ersten Halbjahr 2019 insgesamt 29,4 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Pferde und Ziegen geschlachtet und einschließlich Geflügel zu insgesamt 3,9 Millionen Tonnen Fleisch verarbeitet – ein Spitzenwert im internationalen Vergleich. Also wird in Deutschland mehr Fleisch produziert, als die Deutschen verbrauchen. Und das tun sie im Übermaß, wie Julia Salomon kritisiert. "In Deutschland wird viel zu viel Fleisch gegessen." Der jährliche Verbrauch liegt im Jahr bei durchschnittlich 60 Kilogramm. Die Folgen der Massentierhaltung sind verheerend: unter anderem gerodete Wälder, mit Nitrat belastetes Grundwasser, Gülleüberschuss, nicht zuletzt der hohe Ausstoß von schädlichem Methan bei der Rinderhaltung.

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