Gutes Gewissen kann man fairkaufen

14.1.2012, 15:00 Uhr
Gutes Gewissen kann man fairkaufen

© Hagen Gerullis

Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein, die Uhren langsamer zu ticken, der Umgang persönlicher. Keine Spur vom sterilen Plastikambiente des 08/15-Discounters um die Ecke. Es herrscht sympathischer Tante-Emma-Laden-Flair wohin man schaut.

Seit September verkauft die Inhaberin Anja Herrmann ihre gesunden Lebensmittel und kleinen Snacks in der Kernstraße 36 und wirkt, als hätte sie nie etwas anderes getan. Dabei ist die 47-Jährige ein Neuling im Bio-Business.

Erst vor eineinhalb Jahren zog die gebürtige Oberfränkin mit ihrer Tochter nach Nürnberg und ließ ihr altes Leben als Gesundheitsberaterin hinter sich. „Es war Zeit für einen Umbruch“, sagt die Wahl-Nürnbergerin, die in ihrer alten Heimat einen Bauernhof bewohnte. „Und als ich die leerstehenden Räume in der Kernstraße sah, wusste ich sofort, das ist es!“ Mit ihrer Tochter tüftelte sie seit dem Umzug an dem Konzept für ihren Laden. Auf die Idee für den Namen kamen die beiden durch die Adresse in der Kernstraße.

Die spürbar familiäre Atmosphäre gefällt auch den Kunden, die im Laden ein- und ausgehen: Studenten, Lebenskünstler, Omas, und die Inhaber der umliegenden Geschäfte. Während Frau Herrmann einen Vater berät, der „etwas Gesundes zum Kochen für seine Kinder“ sucht, verbringen vier Herren ihre Mittagspause im Sitzbereich am Fenster und beobachten das wuselige Gostenhofer Treiben auf der Straße. Mit einem Klingeln öffnet sich die Tür des Ladens. Herein kommt eine Passantin mit großer Tasche, um ihre angesammelten Pfandgläser zurückzubringen, in denen im „Vollkern“ die Desserts serviert werden.

Gutes Gewissen kann man fairkaufen

© Hagen Gerullis

Das Sortiment besteht ausschließlich aus ökologischen Lebensmitteln. Obst und Gemüse liefert ein regionaler Biobauer. Das schwarz-blau-grüne Fairtrad- Siegel prangt auf Kaffee, Saft und Schokolade und garantiert, dass unter fairen Bedingungen hergestellt und zu fairen Preisen verkauft wird. Für Veganer gibt es einen hausgemachten und selbst kreierten Sesam-Burger. Herrmanns Rahmfladen sprach sich innerhalb kurzer Zeit im Viertel herum und zählt zu ihren Bestsellern. Es gibt ihn mit Speck oder vegetarisch mit Gorgonzola.

„Privat beschäftige ich mich schon länger mit dem Thema gesunde Ernährung und Fair-Trade-Produkten. Mit dem Laden habe ich mir einen heimlichen Traum erfüllt“, sagt die Bioladen-Besitzerin, die Nürnberg vor ihrem Umzug nur von Besuchen bei ihrem Bruder kannte.

„Erinnert mich ein wenig an die Läden aus meiner Stadt“, meint eine Berlinerin auf Wohnungssuche, die vor ihrem nächsten Besichtigungstermin eine Kaffeepause im „Vollkern 36“ einlegt. Sie spielt auf den boomenden Gesundheits-Hype in der Hauptstadt und die Biomarkt–Ketten an, die dort wie Pilze aus dem Boden schießen.

Als konventionellen Bio-Supermarkt sieht Anja Herrmann das „Vollkern“ nicht. Sie ist dem Trend zwar gefolgt und hat in Gostenhof eine Nische gefunden, legt aber trotzdem viel Wert auf einen kleinen Laden mit nettem Ambiente und persönlichem Kontakt.

Dem Geschäftsmann, der den letzten Rahmfladen kauft, scheint’s zu gefallen: „Hier hat man beim Essen wenigstens kein schlechtes Gewissen.“

Mehr Informationen über das Vollkern 36 in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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