Hochhaus-Streit: Teilerfolg für Neuselsbrunner Eigentümer

30.10.2019, 20:44 Uhr
Hochhaus-Streit: Teilerfolg für Neuselsbrunner Eigentümer

© Foto: Eduard Weigert

Als die Richterin des Amtsgerichts dieses Wort ausspricht, fällt rund 50 Neuselsbrunnern, die zur Urteilsverkündigung in den Saal 600 des Nürnberger Justizpalasts gekommen waren, zumindest ein kleiner Stein vom Herzen. Das Gericht hatte die Frage zu klären, ob der Finanzierungsbeschluss zum Abriss der Fassaden der fünf Neuselsbrunner Hochhäuser, an denen brennbares Material nachgewiesen wurde, Gültigkeit hatte.

Rückblick: Die Vonovia Immobilien Treuhand (VIT) ist als damalige Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft in Neuselsbrunn (WEG) von der Bauordnungsbehörde der Stadt am 11. Oktober 2018 im Zuge von Brandschutzbegehungen informiert worden, dass an den Fassaden von fünf Hochhäusern brennbare Materialien verbaut sein könnte. Der Verdacht bestätigte sich bei einer Untersuchung im Labor, nur wenige Tage später begann der Abriss der als brennbar eingestuften Fassaden. Betroffen sind 390 Wohneinheiten.

Urteil war Basis dafür, die VIT abzuwählen

Im Zuge einer außerordentlichen Mitgliederversammlung hatten die Eigentümer dann der Finanzierung dieser Maßnahmen zugestimmt. Die Kosten für den Abriss, die mittlerweile auf rund 5,8 Millionen Euro beziffert werden, wurden dann auf die Mitglieder der WEG umgelegt. Für den Wiederaufbau wird mit weiteren Kosten von rund 15,8 Millionen Euro gerechnet. Eine Vielzahl der Eigentümer war daraufhin gezwungen, einen Kredit aufzunehmen. Rund 54.000 Euro werden nach derzeitigem Stand pro Wohnung für Abriss und Wiederaufbau fällig.

Im Februar 2019 entschied das Amtsgericht Nürnberg – ein Teil der Eigentümer hatte sich zwischenzeitlich aufgrund von Zweifeln an der Notwendigkeit der Maßnahme anwaltliche Hilfe gesucht – in einem Eilverfahren, dass die VIT wegen formeller Fehler im Wahlverfahren zum Zeitpunkt des Abrisses gar nicht rechtmäßig als Hausverwalterin bestimmt war. Hintergrund: Die VIT verwaltete die gesamte WEG, führte das Wahlverfahren aber in jedem der Gebäude der Hochhaussiedlung einzeln durch. Sie hätte jedoch stets auf einer Versammlung aller Mitglieder gewählt werden müssen.

Dieses Urteil lieferte einerseits die Basis dafür, die VIT abzuwählen. Und andererseits war es die Voraussetzung für die gestrige Entscheidung des Amtsgerichts. In dem Verfahren hatte ein Teil der Eigentümer gegen den Finanzierungsbeschluss geklagt. Die Richterin sah es als erwiesen an, dass der Beschluss ungültig ist, unter anderem, weil eine nicht berechtigte Hausverwalterin zu der Versammlung eingeladen hatte.

Noch nichts entschieden

"Damit ist allerdings nichts entschieden", stellt Justizsprecher Friedrich Weitner klar. Es sei nur ein Anfang. Etwas optimistischer sieht das Rechtsanwalt Norbert Gold, der für die Kanzlei "Kratzer & Kollegen" (siehe hierzu auch Infokasten) einen Großteil der Eigentümer der 390 betroffenen Wohneinheiten vertritt.

"Es ist weniger wichtig, dass dieser Beschluss gekippt wurde. Entscheidend ist die Begründung: weil die Vonovia nicht rechtmäßige Verwalterin war", sagt Gold. Das bedeute nämlich auch, dass alle von der VIT geschlossenen Verträge – etwa mit den für den Abriss beauftragten Firmen – nicht rechtmäßig waren. Die Konsequenz: Wenn ein Vertreter ohne Vertretungsvollmacht einen Vertrag schließt, ist er haftbar – und muss somit eventuell auch für die Kosten aufkommen.

Ob der Fassadenabriss wirklich notwendig war und wer für die entstandenen Schäden, zum Beispiel Schimmelbildung durch die fehlende Dämmung über den Winter, aufkommt, muss in weiteren Verfahren geklärt werden. Und: "Gegen dieses heutige Urteil Berufung einzulegen, ist seitens der VIT natürlich möglich", sagt Weitner – und auch mehr als wahrscheinlich.

Keine Kommentare