Ihre Lebensaufgabe war der Kampf gegen die Todesstrafe

29.4.2021, 14:49 Uhr
Tamara Chikunova im September 2005 in der Nürnberger Straße der Menschenrechte nach ihrer Preisverleihung, unsere Berichterstattung beschrieb sie damals als "sichtlich gelöst und spontan zur Musik an der Friedenstafel tanzend".

© Harald Sippel Tamara Chikunova im September 2005 in der Nürnberger Straße der Menschenrechte nach ihrer Preisverleihung, unsere Berichterstattung beschrieb sie damals als "sichtlich gelöst und spontan zur Musik an der Friedenstafel tanzend".

Sie starb bereits am 31. März, wie die Stadt Nürnberg am Donnerstag bekanntgab. Die Russin, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in Usbekistan lebte, hat das wohl Schlimmste erfahren, was einer Mutter passieren kann: Sie musste damit leben, dass ihr Sohn Dmitrij im Jahr 2000 wegen falscher Anschuldigungen, er habe zwei Menschen getötet, ohne rechtsstaatliches Verfahren in Taschkent zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde. Es gab keinen Abschied. Nur einen letzten Brief des Sohnes. Dmitrij bekam kein Grab. Im selben Jahr gründete Chikunova die Organisation "Mütter gegen Todesstrafe und Folter".

"Bewundernswerte Zivilcourage"

Sie sei nur eine "kleine besiegte Frau", die dafür arbeite, dass das Leben siegt, sagte die studierte Juristin und Ingenieurin über sich. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) würdigt die Lebensleistung von Tamara Chikunova: "Das Recht auf Leben und das Verbot der Folter gehören zum Kernbestand der Menschenrechte. Frau Chikunova hat mit bewundernswerter Zivilcourage und unter vielen persönlichen Opfern für diese Rechte gekämpft."


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Ihr Engagement zeigte Erfolge: 2008 schaffte Usbekistan die Todesstrafe ab, andere Staaten in Zentralasien folgten nach, zuletzt erst zu Jahresbeginn Kasachstan. Mit ihren Mitstreiterinnen rettete sie etliche Todeskandidaten und politische Häftlinge. Die Organisation leistete Rechtsbeistand für Angehörige und brachte Menschenrechtsverstöße und staatliche Willkür im autoritär regierten Usbekistan unter dem bis zu seinem Tod 2016 amtierenden Staatspräsidenten Islam Karimow an die Öffentlichkeit.


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Da sie auch einmal in der DDR gelebt hatte, sprach sie etwas Deutsch. Bei ihrem letzten Besuch in Nürnberg 2015 sagte sie: "Ich weiß gar nicht, ob ich ohne den Preis noch leben würde." Um Bedrohungen in Usbekistan zu entkommen, lebte sie seit 2009 in Novara in Norditalien in der katholischen Laiengemeinschaft Sant’Egidio. Trotz angeschlagener Gesundheit setzte sie sich bis zuletzt in der Gefangenenbetreuung und Friedensbewegung ein. Sie wurde nach Angaben des Rathauses 72 Jahre alt.

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