Im Namen von St.Katharina

7.8.2011, 13:33 Uhr
Im Namen von St.Katharina

© Schorr

1389 soll Heinrich Ketzel der Jüngere nach Jerusalem und zum Katharinenkloster auf dem Sinai gepilgert sein und damit eine familiäre Tradition begründet haben.

Auf dem Grabstein über dem Familienwappen wurden die während der Pilgerfahrten erworbenen Ordensabzeichen eingemeißelt: Jerusalemskreuz, Katharinenrad vom Sinaikloster, Schwertorden von Rhodos, Kannenorden des Königs Ferdinand I. von Aragonien und Sizilien. Im oberen Feld des Epitaphs befindet sich eine Darstellung von der Rettung der Seelen aus dem Fegefeuer durch Engel.

Auch der angesehene Nürnberger Kaufmann und Bürgermeister Hans Tucher d.Ä. unternahm 1479/80 eine Pilgerreise nach Jerusalem, um in der Grotte der Grabeskirche am Heiligen Grabe Jesu Christi zu beten, den Sündenablass zu empfangen und sich zum Ritter vom Hl. Grabe schlagen zu lassen. Anschließend zog er weiter nach Süden zum Katharinenkloster am Mosesberg auf der Sinai-Halbinsel.

Auch Hans Tucher machte Gebrauch von der unterwegs an den verschiedenen Stationen erworbenen Erlaubnis, seine Pilger- bzw. Ordensabzeichen auf eigenen Bildnissen zeigen zu dürfen. Er ließ die Wahrzeichen dieser Pilgerfahrt auf seinem Epitaph und auf dem von ihm gestifteten Votivbild für die Grablege seiner Familie in der Sebalduskirche anbringen.

In farbiger Wiedergabe erscheinen dieselben Insignien zusammen mit dem Familienwappen in Tuchers Reisebericht „Verzeichnuss der Reyss zum Heyligen Land“ (Augsburg 1481), was die damalige hohe Wertschätzung einer Wallfahrt ins Heilige Land und zum Sinai unterstreicht; wies sich deren Inhaber doch damit als Mitglied der angesehenen geistlichen Ritterbruderschaften aus.

Erst kürzlich wurde der Hintergrund für die damals üblichen Abstecher der pilgernden Europäer zum Katharinenkloster in der Felswüste des Sinai beschrieben: Es handelte sich um eine Nachwirkung des Ritterpatronats der großen Volksheiligen Katharina von Alexandrien während der Epoche der Kreuzzüge. Seit der Zeit der Kreuzzüge (1095–1291) war die byzantinische Heilige Katharina (gestorben 306) in Europa die populärste weibliche Volksheilige – abgesehen von der Jungfrau Maria. Heute gilt ihre tatsächliche Existenz jedoch als äußerst ungewiss.

Ursprünglich war sie eine Patronin der geistlichen Orden und des Adels. Um die Adeligen und ihre Ritter zur Teilnahme an einem Kreuzzug anzuspornen, beschrieben die Theologen ihnen Katharina und andere heilige Märtyrer und Märtyrinnen der Alten Kirche als leuchtende Vorbilder, denen sie nacheifern sollten.

Die Parallelität ist unübersehbar: Wie einst die Märtyrer, so sollten auch die Kreuzfahrer den Gedanken ins Auge fassen, im Glaubenskampf ihr Leben zu riskieren. In der Funktion einer überweltlichen Schlachtenhelferin der christlichen Ritter hatte Katharina einen herausragenden Status, sie war geradezu das weibliche Pendant zum Heiligen Georg, des Ritterheiligen schlechthin.

Die Kreuzzüge blieben im Gedächtnis der nachfolgenden Generationen, sie wurden zum Mythos. Die Helden und Heiligen dieser Epoche waren und blieben verehrte Gestalten. Dabei zeigt sich, dass Bürger und Bauern den Adel nachahmten, auch in religiös-kirchlicher Hinsicht. So wurde die Ritterpatronin Katharina von Alexandrien europaweit zu einer großen Volksheiligen.

Heilige nach dem eigenen Bedürfnis

Das Volk schuf sich die Heilige jedoch nach den eigenen Bedürfnissen um. Neben zahllosen anderen Zuständigkeiten behielt Katharina noch lange ihr Ansehen als Soldatenpatronin, bis dieses Patronat schließlich in Vergessenheit geriet.

Vermutlich ist im christlichen Kulturkreis kein weiblicher Vorname häufiger als Katharina mit seinen angeblich 70 Spielarten. Ferner zeugen die zahllosen St.Katharinenkirchen und -klöster, Schulen und sonstigen Einrichtungen, die weltweit diesen Namen tragen, von der besonderen Verehrung der alexandrinischen Jungfrau in allen Schichten der Bevölkerung.

In der Basilika des Katharinenklosters am Fuße des Mosesbergs auf der Sinai-Halbinsel, traditionell der Berg der Gesetzgebung des Alten Testaments, werden Reliquien aufbewahrt, die als Gebeine der Heiligen Katharina gelten. Das Kloster gehört als eines der ältesten der Welt zum UNESCO-Welterbe. Erst im 13. Jahrhundert ist der Titel „St.Katharinen“ bezeugt.

Seit der Frühzeit des Christentums war der Mosesberg auf dem Sinai ein bedeutendes Pilgerziel für Christen der Ost- und Westkirche. Es bot nur männlichen Wallfahrern Obhut. Im späten Mittelalter war die Pilgerreise europäischer Adeliger und Patrizier zum Katharinenkloster am Mosesberg, die gewöhnlich im Anschluss an einen Aufenthalt in Jerusalem erfolgte, äußerst prestigeträchtig.

Die Jerusalem- und Sinaifahrer kehrten mit einem oder mehreren vollständigen Sündenablässen zurück und mit den oben erwähnten Abzeichen, die sie als „Ritter vom Heiligen Grabe Jesu Christi und vom Orden der Hl. Katharina“ sowie gegebenenfalls als Angehörige weiterer Ritterorden auswiesen. Als solche gaben sich nicht nur die Nürnberger Hans Tucher und die beiden Heinrich Ketzel zu erkennen.

Wie sie reisten Zehntausende deutsche, schweizerische und niederländische Personen der hohen und höchsten gesellschaftlichen Stände, Adelige und Bürger Seite an Seite, als Pilger ins Heilige Land und zum Sinaikloster.

Nach 1480 wurde die beschwerliche Tour zum Sinai jedoch seltener unternommen. Die meisten Heiltumsfahrer begnügten sich mit einem Besuch der Katharinenkapelle zu Bethlehem. Und nach 1522 war die Gefahr durch Überfälle auf See und an Land so stark erhöht, dass die Seereisen von Venedig nach Jaffa immer seltener stattfanden.

Nahezu zum Erliegen kam die Heiliglandfahrt abendländischer Christen nach der osmanischen Eroberung der venezianischen Insel Zypern im Jahre 1570.

Unsere Autorin ist Historikerin und hat das Buch „Katharina von Alexandrien. Die Kreuzritter und ihre Heilige“ verfasst, das im Berliner Lukas Verlag erschienen ist (220 Seiten, 20 Euro)

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