Verkehrsregeln wenig bekannt

Immer wieder Klagen in Nürnberg: Hupen und Drängeln auf Fahrradstraßen

3.9.2021, 07:09 Uhr
Im Oktober 2019 eröffnet: Nürnbergs erste Fahrradstraße am Rennweg.

© Stefan Hippel, NN Im Oktober 2019 eröffnet: Nürnbergs erste Fahrradstraße am Rennweg.

Es hat sich noch nicht richtig im allgemeinen Bewusstsein festgesetzt, dass Radler auf den neu eingerichteten, teilweise mit rotem Belag markierten Fahrradstraßen nebeneinander fahren dürfen. "Viele Autofahrer kennen diese Regel nicht", meint Leserin Julia Schön in einer Mail an die Lokalredaktion, manche würden die Radler anhupen, beschimpfen oder sie mit hoher Geschwindigkeit und ohne Mindestabstand überholen.


Diese Regeln gelten auf Fahrradstraßen


"Hupen geht gar nicht, denn das Nebeneinanderfahren auf Fahrradstraßen ist laut Straßenverkehrsordnung gestattet", betont Frank Jülich, Leiter der städtischen Verkehrsplanung. Radler haben dort Vorrang, Autofahrer dürfen nicht drängeln und nur überholen, wenn sie den Mindestabstand von 1,50 Metern einhalten. Außerdem gilt in den Fahrradstraßen generell Tempo 30.

Tempo-30-Schilder müssen weg

Der 54-Jährige bedauert, dass dort jedoch die bereits vorhandenen Tempo-30-Schilder abgebaut werden müssen. Es ist keine Soll-Bestimmung, sondern eine Vorschrift der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO): Damit will man vermeiden, dass ein unübersichtlicher Schilderwald im Stadtgebiet entsteht.

"Die Verordnung geht davon aus, dass die Verkehrsteilnehmer die gültigen Regeln kennen", meint Jülich. Er räumt aber ein, dass es derzeit bei den Fahrradstraßen keineswegs so ist.

Auch das Verteilen von Flyern, die Auskunft über die relativ neuen Verkehrswege geben, hat noch nicht den Durchbruch gebracht. Anfangs erhielten nur direkte Anwohner von Fahrradstraßen das Infoblatt, mittlerweile kommt es in alle Briefkästen der betroffenen Umgebung. Die Verkehrsplaner informieren außerdem über die Presse und Soziale Medien.

Klagen gibt es häufiger über eine unerwünschte Auswirkung der momentan 15 Kilometer Nürnberger Fahrradstraßen: Da sie als Vorfahrtsstraßen gelten und die Rechts-vor-Links-Regel aufgehoben ist, fahren Pkw-Lenker oft zu schnell - trotz Tempo-30-Vorschrift. Mit Geschwindigkeitskontrollen will die Stadt prüfen, ob dies ein allgemeines Problem bei Fahrradstraßen ist. Außerdem sollen die Piktogramme auf der Fahrbahn größer und besser erkennbar werden.

Noch wenig Erfahrungswerte

Da die erste Fahrradstraße in Nürnberg erst im Oktober 2019 eröffnet wurde, gibt es noch vergleichsweise wenig Erfahrungswerte. Doch die Verwaltung will die Rückmeldungen aus der Bevölkerung und vom Runden Tisch Radverkehr bei der weiteren Planung berücksichtigen. Der Runde Tisch setzt sich aus Vertretern von Polizei, Rad-Initiativen, Vereinen und Parteien zusammen und tagt viermal pro Jahr.

Abschnitte der Fahrradstraßen sind zur besseren Erkenntlichkeit rot eingefärbt - wie hier an der Wilhelm-Spaeth-Straße (Stadtteil St. Peter).

Abschnitte der Fahrradstraßen sind zur besseren Erkenntlichkeit rot eingefärbt - wie hier an der Wilhelm-Spaeth-Straße (Stadtteil St. Peter). © Stadt Nürnberg/Verkehrsplanungsamt, NN

Die SPD bittet die Verwaltung um einen ersten Erfahrungsbericht und fragt, welche Maßnahmen am besten geeignet sind, um den Verkehr auf den Fahrradrouten langsamer zu machen. Sie denkt an mobile Geschwindigkeitsanzeigen, an Verengung der Fahrbahn oder neue Bodenbeläge. Auch Info-Plakate mit den neuen Regeln wie in Fürth seien denkbar. Die Sozialdemokraten wünschen darüber hinaus einen "Fahrplan" für den weiteren Ausbau der Nürnberger Fahrradstraßen.

Durchgehende Fahrradweg-Achsen

Diese sind Teil des Mobilitätspakts, den die Rathaus-Parteien gegen eine Gegenstimme beschlossen hatten. Jedes Jahr sollen bis 2030 zehn weitere Kilometer Fahrradstraßen dazu kommen. Die insgesamt 100 Kilometer würden zwar nur einen kleinen Teil im 4300 Kilometer langen Nürnberger Straßennetz ausmachen. Durch eine geschickte Verknüpfung sollen aber durchgehende Fahrradweg-Achsen entstehen.

So ist für nächstes Jahr ein Anschluss im Norden an die geplante Radschnellweg-Verbindung nach Erlangen gedacht. Aus dem Knoblauchsland kann man künftig auf Fahrradstraßen ohne Unterbrechung durch die Nordstadt bis hin zum Maxtorgraben der Altstadt kommen. Daneben sind weitere Trassen in der Südstadt vorgesehen.


Im Südosten: Nürnbergs längste Fahrradstraße


Beschwerden kommen übrigens nicht nur von Radfahrern, sondern auch von Pkw-Lenkern. Sie bemängeln, dass Fahrradstraßen mitunter unübersichtliche, unfallträchtige Situationen begünstigen. Auch das Aufstellen von Pfosten, um zu breite Straßen enger zu machen, führe an manchen Stellen dazu, dass diese trotz geringer Geschwindigkeit angefahren werden. Das zu starke Abschnüren mancher Kreuzung erscheint manchem Autofahrer als "geradezu unsinnig".

"Mehr Rücksichtnahme erforderlich"

Verkehrsplaner Jülich teilt diese Sichtweise nicht: Alle Maßnahmen entsprächen der Straßenverkehrs-Ordnung. Es sei mehr Umsicht und Rücksichtnahme seitens der Autofahrer erforderlich. "In den vergangenen Jahrzehnten war der Verkehr auf die Autos ausgerichtet, das wird jetzt anders", unterstreicht er. Mit der beschlossenen Mobilitätswende wollen die Kommunalpolitiker den Öffentlichen Nahverkehr und die Radfahrer stärken.

Dies ist kein speziell "Nürnberger Weg", alle größeren Städte müssen sich mit überlasteten Straßen und Visionen für den Verkehr der Zukunft auseinander setzen. Gerade erst hat die französische Kapitale Paris stadtweit Tempo 30 beschlossen. Kenner der dortigen Verhältnisse meinen, dass dies aber keineswegs so revolutionär ist wie es klingt: Man könne auf den verstopften Verkehrswegen ohnehin nicht schneller fahren. Soweit ist es in der Frankenmetropole allerdings nicht.

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