In 15 Metern Tiefe: Beklemmende Atmosphäre im Atombunker

29.9.2020, 17:00 Uhr
In 15 Metern Tiefe: Beklemmende Atmosphäre im Atombunker

© Hartmut Voigt

Passanten laufen in der Krebsgasse achtlos an der grauen, mit Kritzeleien verschmierten Stahltür vorbei. Dahinter geht es viele Treppen in die Tiefe, bis man die Schleuse des Schutzraums erreicht. Die Stahltür ist rund gewölbt, sie sollte einer starken Druckwelle standhalten. Dort befindet sich die zweistöckige Bunkeranlage.

Exakt 1885 Menschen hätten im Ernstfall unterkommen sollen. Doch Ralf Arnold vom Förderverein Nürnberger Felsengänge meint: "Wenn die Atombombe über dem Stadtzentrum gezündet worden wäre, dann wäre auch der Bunker zu Staub zerfallen." Kein wirksamer Schutz also.

Pritschen stehen dicht an dicht

Im Untergrund herrscht eine beklemmende Atmosphäre. Die Pritschen sind dicht an dicht gestellt. Viel Platz, um sich zu bewegen, gibt es nicht. 16 Stunden sitzen, acht Stunden Schlafen - so war der Rhythmus für die Insassen gedacht. Die Menschen sollten nicht herumlaufen, sondern ruhig an ihren Plätzen ausharren. Nur der Gang zur Toilette (für jeweils 50 Personen war eine Kloschüssel vorgesehen) sollte erlaubt sein. Vorräte gab es nur für 14 Tage, dann wäre die Versorgung mit Essen, Strom und Frischluft am Ende gewesen. Wobei das Essen nur aus Suppe und Tee bestanden hätte.

Warum war die Versorgung auf so kurze Zeit beschränkt? "Damals dachte man, dass die atomare Strahlung nach zwei Wochen abgeklungen ist. Heute wissen wir, dass das keinesfalls so ist", meint der 57-Jährige. Er will den Teilnehmern nicht nur die heute unter Denkmalschutz stehende Anlage erklären, sondern auch den zeitgeschichtlichen Hintergrund zum "Tag der Deutschen Einheit" am Ende des "Kalten Krieges" erläutern.

Auf einem großen Schild ist "2 + 4" zu lesen, daneben sind die Fahnen der DDR und BRD sowie gegenüber die Flaggen Frankreichs, der Sowjetunion, Großbritanniens und der USA angeordnet. Vor über drei Jahrzehnten verhandelten die Deutschen mit den Siegerstaaten des Zweiten Weltkriegs über die Wiedervereinigung. Unterstützung kam von der USA, Frankreich und England hatten massive Bedenken vor einem vergrößerten, starken Deutschland.

Für Raketenangriff gerüstet?

Misstrauen und Unsicherheit herrschten trotz des politischen "Tauwetters" vor, auch "Glasnost" und "Perestrojka" (russisch für: Offenheit und Modernisierung) des sowjetischen Staatschef Gorbatschow war bei seinen eigenen Landsleuten umstritten.

Gegen "kalte Krieger" sollten ursprünglich Bunker wie jener in der Krebsgasse helfen - in Nürnberg gab es 18 derartige Schutzräume. Ein Placebo: Im Falle einer Bombardierung der Stadt hätten die Kapazitäten für nur 3,4 Prozent der Gesamtbevölkerung gereicht. Doch in der Ost/West-Konfrontation seit dem Ende den 1950ern wollte man für einen Raketenangriff gerüstet sein.

Der zwischen 1964 und 1977 gebaute Bunker an der Krebsgasse will den Eindruck von Sicherheit für die Zivilbevölkerung vermitteln: Eine technische Zentrale sollte die Versorgung mit Licht, Wasser und Frischluft sicherstellen. Ein 125 Meter tiefer Brunnen war dafür gebohrt worden, ein komplexes Filtersystem sollte für ausreichend Sauerstoff sorgen.

Mit der politischen Entspannung, die in der Wiedervereinigung Deutschlands gipfelte, wurden die Bunker überflüssig, der Bund löste die Schutzeinrichtungen bis 2007 alle auf. Die Einrichtung in der Krebsgasse - sie gehört einem Immobilienunternehmen - steht unter Denkmalschutz. Da hatten Diskotheken-Pläne für die unheimlichen, unterirdischen Betonbauten natürlich keine Chance auf Realisierung. Auch aus Überlegungen, ein Museum dort einzurichten, ist bislang nichts geworden.

Führungen online Buchen

Der Förderverein Nürnberger Felsengänge erinnert mit Bunker-Führungen ab Freitag, 2. Oktober bis Sonntag, 4. Oktober, an die Zeit des "Kalten Krieges" und an die Wiedervereinigung. Die Führungen finden am Freitag ab 14 Uhr bis 20 Uhr und am Wochenende von 10 Uhr bis 20 Uhr statt. Die Gruppen sind coronabedingt auf zehn Personen begrenzt. Die Tickets sind bei der Tourist-Info am Hauptmarkt und am Bahnhofsplatz oder online zu erwerben. Eine Karte kostet zehn Euro. Ganz wichtig: Mund-Nasen-Schutz mitbringen!

Keine Kommentare