Es droht die Schließung

In der Krise: Unverpackt-Läden in Nürnberg geht die Puste aus

2.3.2022, 05:56 Uhr
Bei der Eröffnung von "ZeroHero" waren Arthur Koenig und Thomas Linhardt (re). noch guter Dinge. Das hat sich geändert.

© Roland Fengler, NN Bei der Eröffnung von "ZeroHero" waren Arthur Koenig und Thomas Linhardt (re). noch guter Dinge. Das hat sich geändert.

Dass seit Beginn der Pandemie immer mehr Einzelhändler sich in ihrer Existenz bedroht sehen, ist fürwahr kein Geheimnis. Schon seit Längerem wurde aus dieser Sorge trauriger Ernst – jetzt wendet sich mit dem Unverpacktladen „ZeroHero“ ein Pionier einer ganzen Bewegung an die Öffentlichkeit: „Es ist kurz vor knapp.“

„Wenn sich nicht ganz schnell etwas ändert, müssen wir in vier, spätestens acht Wochen eine Entscheidung treffen: Welchen unserer beiden Läden in Nürnberg und Erlangen können wir weiterführen – oder müssen wir beide schließen?“ sagt Thomas Linhardt, der gemeinsam mit Arthur Koenig "ZeroHero" 2017 gründete und heute Sprecher des deutschen Unverpackt-Verbandes ist, der mit 800 Mitgliedern 350 Läden führt. Er weiß: „Alle kleinen Läden befinden sich in einer ausgesprochen prekären Lage und haben zu kämpfen. Die großen Ketten sind die Gewinner.“

Die Einkaufs- und Lebensgewohnheiten der Menschen haben sich gravierend geändert. „Ich bin da ja nicht anders: Man ist den ganzen Tag daheim im Homeoffice, kommt kaum noch raus, und wenn man mal was braucht, geht man schnell zum Supermarkt um die Ecke und fährt nicht extra zu uns", sagt Linhardt.

Erschwerend komme hinzu, dass in den umliegenden großen Betrieben in Gostenhof kaum Arbeitnehmer vor Ort sind, die in der Mittagspause oder nach Feierabend ihren Einkauf erledigen. Ein Kundenmangel, den auch andere Einzelhändler und Gastronomen schmerzlich zu spüren bekommen. „Vor dem ersten Lockdown hatten wir durchschnittlich einhundert Kunden täglich, am Samstag nochmal mehr. Das ist jetzt auf weniger als die Hälfte geschrumpft.“

Zu wenig, um zwei Filialen mit heute noch insgesamt 14 von vormals 20 Mitarbeitern wirtschaftlich am Laufen zu halten. Zudem seien Themen wie plastikfreies Leben und Klimaschutz in den Hintergrund gerückt – zu viele andere Sorgen beschäftigen die Menschen. „Wir laufen seit zwei Jahren im Krisenmodus, haben uns nur dank der staatlichen Hilfen über die Runden gerettet“, so Linhardt. „Die Zahlen sind im Keller, alle Reserven aufgebraucht.“

Ohne Corona-Hilfen und Kurzarbeit hätte man gar nicht so lange überleben können. „Ohne diese Unterstützungen gäbe es uns schon nicht mehr." Doch die Kundschaft solle erfahren, wie es um die Geschäfte steht. "Jetzt, wo es eigentlich schon viel zu spät ist. Doch besser spät als nie." Zwar versuche man aktuell im Eiltempo, einen Onlineshop und ein Click-&-Collect-System zu erarbeiten, wohlwissend, dass diese Rettungsmaßnahme zu spät kommen könnte, aber den Versuch sei es allemal wert. „Wir versuchen natürlich auch hier, so nachhaltig wie möglich zu arbeiten, und sammeln beispielsweise schon länger alles an Verpackungsmaterial, was anfällt, um es für einen möglichen Online-Versand wiederzuverwenden“, sagt Linhardt, der weiß, dass die Zeiten sich ändern - „und dann müssen wir das auch“. Gleichzeitig gehört es aber auch zur ZeroHero-Philosophie, Menschen vor Ort im Laden zu sensibilisieren und informieren.

„Der Online-Handel allein könnte uns ohnehin nicht retten. Nur die Kundschaft kann uns retten“, so Linhardt. Trotzdem könnte das ganze Projekt in Kürze der Vergangenheit angehören: „Wenn sich in den kommenden vier bis acht Wochen nichts ändert, müssen wir Entscheidungen treffen.“ Und das würde unweigerlich bedeuten, dass mindestens einer der Pionier-Läden der Unverpackt-Bewegung schließt.

"Wenn es kriselt, wird als Erstes bei den Lebensmitteln gespart"

Mit „Freivon“ hört man auch vom zweiten Nürnberger Unverpackt-Laden, der im September 2020 in der Hans-Sachs-Gasse an den Start ging, nichts allzu Hoffnungsvolles. „Im letzten Sommer sind unsere Umsätze um bis zu 50 Prozent eingebrochen“, berichtet Gründerin Denise Fischer. So richtig erholt habe man sich davon bislang nicht, zehre vom Gründungskredit, der aber bis September dieses Jahres aufgebraucht ist. Stammkunden kämen, doch was die Innenstadt an Laufkundschaft in den Laden tragen sollte, bleibe weitestgehend aus. Gründe? Ungewiss. „Wir wissen es nicht, haben auch nur Ideen, wie beispielsweise die Mentalität, die in Deutschland hinsichtlich Lebensmitteln herrscht: Wenn es den Leuten gut geht, sind sie bereit, für Essen Geld auszugeben. Wenn es irgendwo kriselt, wird als Erstes bei den Lebensmitteln gespart.“ Im Onlinegeschäft sieht Fischer eine Chance, aber keinen Heilsbringer: „Pfandsystem, Lieferkosten – wir sind uns nicht sicher, ob die Kunden dazu bereit sind.“

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