Ist Schluss mit dem Genuss?

13.6.2010, 00:00 Uhr
Ist Schluss mit dem Genuss?

© Matejka

Das Wort Diät nehmen Fachleute heute nicht mehr gern in den Mund. Bei Diät denken viele an den berühmten »Jojo-Effekt«. Schluss mit Genuss und Schlemmerei. Heute heißt das Abnehmprogramm »Ernährungsumstellung«. Denn so schlau sind wir mittlerweile alle, dass wir wissen, was wir tun müssen, um schlank zu bleiben.

Weniger Pommes, Hamburger Royal TS und Chips, dafür gedünstetes Gemüse, Hühnerfleisch oder Putenbrust. Statt Weißbrot die Vollkornvariante, am besten auch Vollkornnudeln und Vollkornreis. Aber was gibt es derzeit für Möglichkeiten auf dem Markt, ein paar lästige Kilos zu verlieren, um sich im Schwimmbad wohlzufühlen?

»Crash-Diäten bringen langfristig gar nichts«, sagt Silke Restemeyer, Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Sicher ist zwar, dass man sehr schnell ein paar Kilos verliert, da der Körper ja mit einer einseitigen Diät wesentlich weniger Kalorien in Form von Ananas oder Kohlsuppe zugeführt bekommt. Aber auf Dauer, sagt die Fachfrau, helfe nur eine konsequente Umstellung der Ernährung.

»Metabolic« in aller Munde

»Metabolic Balance« ist ein »Stoffwechselprogramm«, das derzeit in aller Munde ist. Erfunden von einem Dr. med Wolf Funfack. Das Original ist teuer, basiert es doch auf einem Bluttest, dessen Auswertung die Lebensmittel ausweist, die jeder ganz persönlich verträgt. Viel Eiweiß, wenig Kohlenhydrate. Darüber hinaus darf man nur dreimal täglich essen und muss fünf Stunden Pause einhalten.

Mittlerweile gibt es etliche Nachahmer, die billiger sind. Ebenso Kochbücher für den Hausgebrauch. Und fast jeder kennt wieder jemanden, der »wahnsinnig abgenommen« hat mit »Metabolic Balance«. Irgendwie auch logisch, schließlich sind die Portionen winzig.

Die Fachwelt ist ratlos. Es ist derzeit nicht möglich, zu diesem Programm eine Einschätzung zu geben, erklärt Silke Restemeyer. »Der DGE liegen keine verlässlichen oder prüfbaren Unterlagen zum Metabolic-Balance-Programm vor, die uns eine entsprechende Beurteilung des Programms nach wissenschaftlichen Kriterien ermöglicht.« Die Blutuntersuchung gilt bei Gegnern der Methode als Blödsinn, da sie nichts zum Stoffwechselgeschehen aussage. Die wenigsten würden darüber hinaus diese Art von Ernährung über Jahre hinweg durchhalten. Aber, so sagen Befürworter, wenn sich sogar belegbar manche Krankheiten, wie Neurodermitis beheben lassen sollen, warum nicht?

Apropos Kohlenhydrate: Sie werden derzeit verteufelt als Dickmacher. »Man muss unterscheiden zwischen Kohlenhydraten, wie sie beispielsweise im Vollkornbrot oder in Vollkornnudeln und Gemüse und Obst stecken und denjenigen, die sich in Kuchen und Süßigkeiten finden«, sagt Silke Restemeyer. Die »guten« sättigen, Zucker hingegen ist ein leerer Energieträger und sättigt nur kurzzeitig. »Die DGE erarbeitet derzeit eine Leitlinie zu Kohlenhydraten«, fügt die Ökotrophologin hinzu. Dass auch kohlenhydratarme Diäten beim Abnehmen helfen, ist mittlerweile belegt. Die Abbrecherquote ist aber höher als bei Low-Fat-Diäten.

»Power Slim« als Neuheit

Für diejenigen, die möglichst rasch Erfolge erzielen, aber auch etwas über richtige Ernährung erfahren möchten, hat »Powerplate« (die Firma, die mit der gleichnamigen »Vibrierenden Platte« bekannt wurde) seine ganz eigene Ernährungsumstellung auf den Weg gebracht. Und verkauft seit Anfang 2010 auch in Deutschland dazu die passenden, eigens konzipierten und hergestellten Lebensmittel.

»Power Slim« heißt die Methode, »eine kohlenhydratlimitierte, kalorienbilanzierte und proteinreiche Ernährung«, die ein regelmäßiges und gut abgestimmtes Bewegungsprogramm, am besten auf der »Powerplate« beinhaltet, so die Hersteller. Im Paket ist auch eine »Ernährungsberatung, die eine Umstellung der Essgewohnheiten zum Ziel hat und unterstützen soll, das Zielgewicht dauerhaft zu halten«.

»Power Slim« besteht aus mehreren Phasen, in sechs Wochen sollen bis zu 80 Prozent des Zielgewichts erreicht werden. 14 Wochen wird man begleitet.

Als erstes und bislang einziges Fitnessstudio in Nürnberg hat »Figura Fitness&Wellness für Frauen« sowie die »Powerplate-Trainings Lounge« (auch für Männer im selben Haus) »Power Slim« im Programm. »Mit »sensationellem Erfolg«, wie Inhaberin Dagmar Feser sagt. Einige Mitglieder hätten bis zu 15 Kilo in der ersten Phase abgenommen.

Die Nahrungsumstellung beginnt mit einem Pappkoffer. Darin sind die Mahlzeiten für eine Woche zum Ausprobieren, anschließend bastelt man sich aus seinen Lieblingsgerichten sein eigenes Konzept. »Die Power-Slim-Lebensmittel sollen in Kombination mit frischen Lebensmitteln verwendet werden«, erklärt Ökotrophologin Yvonne Leonhard. Also Salat und Gemüse, so viel man will. Ein wenig mageres Fleisch oder Fisch. Vom Frühstück über das Mittagessen bis zum Abendessen ist alles drin.

Naschkatzen mit Heißhunger auf Süßes oder Salziges sollen dank zweier »Snacks« wie Sojakugeln oder Schokowaffeln pro Tag ohne Reue snacken können. Die erhöhte Menge an Eiweiß, kombiniert mit Sport soll den Abbau wichtiger Muskulatur verhindern. Aus »hochwertigen« Proteinen und Ballaststoffen bestehen die Produkte zum Großteil, so Leonhard. »Sie sind aber nicht als Dauerernährung gedacht«, sagt die Ökotrophologin.

Vielmehr können sie nach der erfolgreichen Abnahme in eine gesunde Ernährung integriert werden. Das hat seinen Preis. Der Einstiegskoffer samt Betreuungsprogramm und Ernährungsberatung im Fitnessstudio kostet rund 150 Euro.

Das Punkte-System

Nach wie vor beliebt sind die »Weight Watchers« mit ihrem Punktesystem, die seit Anfang diesen Jahres mit einem verbesserten Konzept werben: Mit der »ProPoints«-Formel können die Lebensmittel viel präziser bewertet werden.

Jetzt werden die vier Nährstoffgruppen Eiweiß, Kohlenhydrate, Fett und Ballaststoffe einzeln aufgeführt, das sei viel effektiver, als nur Kalorien zu zählen, so das Unternehmen. Wer sich nicht zu einem der vielen Treffpunkte (siehe Kasten) bewegen möchte, kann sich auch übers Internet »coachen« lassen. Ein Konzept, das auch die »Brigitte-Diät« oder sogar Plattformen, wie »Eltern.de« anbieten. Im Internet füllt man sein Ernährungstagebuch aus, erhält von einem »Ernährungs coach« Rezeptvorschläge und kann sich in Foren austauschen.

Programm der AOK

Auch die Krankenkassen springen auf den Zug auf. »Abnehmen mit Genuss« heißt ein Programm der AOK, an dem nur Versicherte teilnehmen können. 2001 ins Leben gerufen, haben schon mehr als 160 000 Menschen daran teilgenommen. Zwei Drittel waren erfolgreich. Auch hier soll die Ernährung langfristig umgestellt werden.

Man wird während der ganzen Zeit begleitet: per Post, E-Mail oder Telefon. Die Abnehmwilligen sollen so individuell und sanft erzo- gen werden. Ein Programm fürs Leben, bei dem man langfristig abnehmen und sein Gewicht halten können soll.

Denn, sind wir mal ehrlich: Eigentlich ist es ja ganz einfach: Statt Pommes Kartoffeln, alkoholfreies Bier statt gehaltvollem Pils und ein Obst-Magerquark statt eines Puddings. Dann ist auch mal ein Eisbecher drin. Und der Jahrhundertsommer kann kommen. KATJA JÄKEL