Jahrhundertealte Bäume am Nürnberger Klinikum mussten weichen

15.1.2021, 20:13 Uhr
Es waren stattliche Bäume, die jetzt gefällt wurden: Der Spitzahorn und dahinter die Winterlinde bei Haus 37.

© Claudia Beyer Es waren stattliche Bäume, die jetzt gefällt wurden: Der Spitzahorn und dahinter die Winterlinde bei Haus 37.

Hinter dem Bauzaun auf dem Gelände des Nordklinikums ragen die abgesplitterten Holzreste der über 250 Jahre alten Winterlinde in die Luft. Ähnlich schaut der anscheinend abgebrochene Stumpf des über 180 Jahre alten Spitzahorns dahinter aus, in den Spreißeln steckt ein Zettel mit einem Zitat des Naturforschers Alexander von Humboldt (1769 bis 1859): "Habt Ehrfurcht vor dem Baum, er ist ein einziges großes Wunder, und euren Vorfahren war er heilig."

"Null Sensibilität"

Viele haben sich für die Bäume eingesetzt, die lange vor dem Krankenhaus, Baubeginn 1894, hier standen. Vergebens. Dabei hatte das Klinikum noch im Sommer auf seiner Homepage vermeldet: Die große Linde und der große Spitzahorn beim Haus 37 bleiben unversehrt. "Man sieht, dass hier mit wenig Sachverstand und null Sensibilität vorgegangen wurde", kommentiert Mathias Schmidt vom Arbeitskreis Bäume beim Bund Naturschutz. Er spricht von einer Hauruck-Aktion, "die vermuten lässt, dass man möglich schnell vollendete Tatsachen schaffen wollte". Alles deute darauf hin, dass keine Baumfachfirma im Einsatz war.
Klinikumssprecherin Sabine Stoll sagt dazu: "Über die Art und Weise, wie die beiden Bäume gefällt wurden, sind auch wir nicht glücklich." Das beauftragte Unternehmen, ein zertifizierter Abbruch- und Entsorgungsfachbetrieb, habe dem Klinikum zugesichert, "dass die Bäume fachgerecht gefällt werden".

inter dem Bauzaun sieht man die Reste der über 250 Jahre alten Linde beim Haus 37.

inter dem Bauzaun sieht man die Reste der über 250 Jahre alten Linde beim Haus 37. © privat

Mit Spezial-Zange

Geplant sei gewesen, "die beiden Bäume mit Hilfe eines großen Baggers und einer Spezial-Zange Ast für Ast zu entfernen". Anstelle des geplanten Baggers sei jedoch eine deutlich kleinere Baumaschine zum Einsatz gekommen. "Corona-bedingt, so das Unternehmen", sagt Stoll. Dieser Bagger habe sich dann auch noch im Untergrund festgefahren, "so dass die Bäume leider nicht wie geplant gefällt werden konnten und mit der Zange bearbeitet werden mussten".

Zum Hintergrund: Auf dem Gelände des Nordklinikums soll ein Zentrum für seelische Gesundheit entstehen. Dafür stand bereits im Februar 2020 mit Genehmigung der Stadt die Fällung von insgesamt 40 Bäumen und der Abriss von drei Gebäuden an – Haus 37, 38, 39. Der Bund Naturschutz sprang für drei "besonders schützenswerte Bäume" in die Bresche.

Und so erhielten jene Winterlinde und der Spitzahorn nahe beim Haus 37, das zum damaligen Zeitpunkt noch belegt war, eine Gnadenfrist. Ebenso der Totholzbaum mit einem Fledermausquartier, der sich am Rande des Baufeldes befindet. Er ist der Letzte von den ehemals 40 Bäumen, der noch steht.

Altbau wird abgerissen

Wie geht es weiter? Laut Klinikum sollen bis Ende Januar das oberste Geschoss des Hauses 37 entkernt und das Dach abgetragen werden. Im Anschluss erfolgt der Abriss. Danach folgen weitere bauvorbereitende Maßnahmen: Es werden etwa Kabel umverlegt, Fernwärmeleitungen verschweißt, Kellergänge rückgebaut und Lagerhäuschen umgesetzt. Ein neuer Gang soll den künftigen Neubau mit dem unterirdischen Versorgungsnetz des Klinikums verbinden.


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Und der Totholzbaum? "Er bleibt bis auf weiteres erst einmal stehen", informiert Stoll. Im Zuge der weiteren Planung werde geprüft, ob er erhalten werden kann.

"Nicht leichtfertig opfern"

ÖDP-Stadträtin Inga Hager hat sich bis zuletzt für die Bäume starkgemacht. Sie unterstreicht, dass sie nicht prinzipiell gegen den Bau des Zentrums sei, "wobei sich mir die Notwendigkeit, alle psychiatrischen Bereiche wie Akut, Ambulant, Kinder-, Jugend-, Gerontopsychiatrie in einem Gebäude unterzubringen, bisher nicht erschließt". Gerade für die seelische Gesundheit seien doch grüne Riesen besonders heilsam.
"So alte Bäume haben einen unschätzbaren Wert, sie dürfen nie leichtfertig für Bauprojekte geopfert werden. Denn selbst mit Ersatzpflanzungen wird der Wert dieser Riesen erst in vielen Jahrzehnten ausgeglichen", unterstreicht Hager.

Dass die Fällungen genehmigt wurden, sei typisch für das Vorgehen der Stadt. Und so will die Stadträtin mit einem Antrag erwirken, dass das Abholzen besonders schützenswerter Bäume durch den Stadtrat abgesegnet werden muss.

Hager ergänzt: "Wenn dann in jeder Beschlussvorlage die bereits versprochene Rubrik ,Klimarelevanz‘ bedacht und ausgefüllt wird, dann müssen solche Großprojekte – wie auch ein Konzertsaal – so geplant werden, dass sie neben oder um die Bäume herum passen."

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