Jugendliche nehmen Politiker in die Verantwortung

19.1.2019, 08:00 Uhr
Jugendliche nehmen Politiker in die Verantwortung

© Eduard Weigert

Nicht das bisschen Winterkälte ist ihr Feind, sondern die Erwärmung der Erde. Und die Regierungen, die ihrer Meinung nach nichts gegen den Klimawandel tun, sondern ihn durch verfehlte Energiepolitik noch befeuern – zum Beispiel, indem sie weiterhin auf Kohle setzen.

Erwartung übertroffen

Die Nürnberger "Fridays For Future"-Gruppe existiert erst seit gut einem Monat. Zwei Schülerinnen aus Nürnberg und der Region haben sie gegründet: Johanna Reichenbach und Johanna Bergmeier. Beide schätzen sich als "umweltpolitisch sehr engagiert" ein. Sie haben bei der ersten Demo ihrer Gruppierung mit 100 bis 150 Teilnehmern gerechnet. Dass dreimal so viele gekommen sind, können sie kaum fassen.

Wie ihr großes Vorbild Greta Thunberg ist auch Johanna Reichenbach 16 Jahre alt. In Neumarkt/Oberpfalz besucht sie die 10. Klasse des Ostendorfer-Gymnasiums. "Eine sehr umweltbewusste Schule", meint Johanna, die ihrerseits offenbar einer sehr umweltbewussten Familie angehört. Denn auch ihr großer Bruder Jona zählt heute zu den Anführern der Aktion vor dem Nürnberger Rathaus.

"Es ist unser demokratisches Recht und unsere Pflicht, auf die Straße zu gehen. Wir und auch unsere Kinder haben ein Recht auf eine gesunde Zukunft!", sagt Jona. Dann beweist er sein Talent, die imposante Menschenmenge richtig in Stimmung zu bringen. Er gibt die Slogans vor und lässt sie von den Teilnehmern laut wiederholen: "Ihr habt kein Recht/die Zukunft zu zerstören!" Das richtet sich an die Verantwortlichen in der Politik, von denen "Fridays For Future" einen "schnellen Ausstieg aus der Kohle und weiterführende Maßnahmen" fordert.

Als Nächstes setzen die Organisatoren ein geschicktes Mittel ein. Sie intonieren den größten Hit des letztjährigen Sommers, "Bella Ciao". Das Protestlied, ursprünglich durch die italienischen Partisanen im Zweiten Weltkrieg bekanntgemacht, avancierte zur Hymne von Antifaschisten, Anarchisten, Kommunisten und Sozialdemokraten. Selbst wenn viele Jugendliche diesen Hintergrund wohl nicht kennen, stimmen sie doch begeistert ein. Für die Protestkation wurde der Text umgedichtet, ins Englische übertragen und vervielfältigt. Die Zettel mit den Versen reichen bei weitem nicht aus, aber die Schüler teilen sich gerne mit mehreren anderen ein Blatt: "We’re on a planet/That has a problem/We need to solve it, get involved/And do it now – now – now!"

Eigentlich hätten die Mädchen und Jungen Unterricht. Den lassen sie für ihr Anliegen ausfallen, weil sie überzeugt sind, die Schule für ein größeres Ziel zu schwänzen. Doch nicht alle haben "gestreikt". 60 Schüler der zwölften Jahrgangsstufe des Theresien-Gymnasiums in Ansbach sind mit Lehrkräften nach Nürnberg gefahren – sie haben eine Art sozialwissenschaftliche Exkursion daraus gemacht.

Angst vor Strafe

Andere fürchten, es könne Schulstrafen geben wegen Fernbleibens vom Unterricht. Einige Dreizehntklässlerinnen der Nürnberger Lothar-von-Faber-Fachoberschule sagen aber, Lehrer hätten sie zur Teilnahme durchaus ermutigt. Alle hoffen auf Schulleitungen, die von Strafen absehen. Die Reaktion der Politiker auf die Aktion in Nürnberg fällt unterschiedlich aus: "Befremdet" zeigt sich nur die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, weil Grüne, SPD und Die Linke den Schulschwänzern Rückendeckung gegeben hätten.

In der Nachbarstadt Erlangen kamen mehrere Hundert Schüler zusammen. Mit den gleichen Parolen wie in Nürnberg demonstrierten die jungen Aktivisten am Hugenottenplatz. "Die Resonanz war fantastisch!", erzählt Sebastian Hornschild, Organisator der Aktion "Fridays for Future" in Erlangen.

Die Polizei schätzt die Zahl der Teilnehmer auf etwa 400. Viele hatten Banner und Plakate mitgebracht, die mit Sprüchen wie "There is no Planet B" oder "Respect Existence or Expect Resistance" ihren Unmut ausdrücken sollten. Darüber hinaus traten Redner aus verschiedenen Altersgruppen auf. Nach einer guten Stunde war die Veranstaltung beendet. "Es war definitiv ein Erfolg", so Hornschild. Erlangen wäre im Vergleich zu anderen Städten vorne mit dabei gewesen.

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