Wanderausstellung zu Gast
Justizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit
6.7.2021, 10:18 UhrDie so genannte Rosenburg am Venusberg in Bonn - ein Landhaus im neoromanischen Stil - war von 1950 bis 1973 der Hauptsitz des Bundesministeriums der Justiz.
Wie ging man hier nach 1949 mit der NS-Vergangenheit im eigenen Haus um? Im Jahr 2012 setzte die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine unabhängige wissenschaftliche Kommission ein, die den Umgang der Behörde mit der NS-Vergangenheit in den Anfangsjahren der Bundesrepublik erforschen sollte.
Wanderausstellung bis 25. August
Beauftragt wurden der Historiker Manfred Görtemaker von der Universität Potsdam, er befasst sich insbesondere mit der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, und der Jurist Christoph Safferling, Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg.
Die beiden Wissenschaftler legten im Herbst 2016 mit der "Akte Rosenburg" ein 588 Seiten starkes Werk vor. Um die Erkenntnisse der Forschungsarbeit öffentlich zu verbreiten, hat das Bundesjustizministerium die Wanderausstellung "Die Rosenburg - Das Bundesjustizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit" konzipieren lassen. Sie ist im zweiten Obergeschoss des Justizpalasts an der Fürther Straße zu sehen.
Totalitäres Rechtsverständnis
Im Bundesministerium für Justiz wiesen in den 1950er Jahren und den 1960er Jahren die meisten Abteilungsleiter und Unterabteilungsleiter, auch viele Referatsleiter eine einschlägige NS-Vergangenheit auf - sie saßen im Dienstsitz des Ministeriums in der idyllisch anmutenden Rosenburg bei Bonn.
Hier galt es, nach NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg die Weichen für eine völlig neue, rechtsstaatliche Gerichtsbarkeit zu stellen. Tatsächlich, dies hat die Studie gezeigt, brachten die NS-Täter, die hier ihre Juristenkarrieren fortsetzten, totalitäres Rechtsverständnis in bestimmte Felder der Rechtsprechung - wenn auch indirekt - wieder ein.
So endete mit dem Zusammenbruch des NS-Systems weder die Verfolgung Homosexueller noch deren Diskriminierung. Zwar war die Verfolgung nach 1945 mit den Repressionen im so genannten Dritten Reich nicht zu vergleichen, doch die Diskriminierung wurde nun im gesetzlichen Rahmen der Strafjustiz vollzogen. Der Paragraf 175, von den Nationalsozialisten so verschärft, dass bereits ein Blick als Beweis für Homosexualität gelten konnte, blieb bis 1969 in Kraft.
Ziel der Ausstellung: Was bisher "im Schatten" lag, soll ans Licht gebracht werden. Und so haben die Ausstellungselemente zwei Seiten: Eine helle Vorderseite, die öffentliche Fassade - und eine dunkle Schattenseite, die Hinter- und Abgründe zeigt. Der Übergang vom so genannten Dritten Reich zur Bundesrepublik war eine Zeit des Neubeginns, aber auch der Kontinuität: Der Bereich der Justiz bildete hierbei keine Ausnahme.
Wirtschaftswunder vor dunkler Vergangenheit
Das ganze Land strahlte und war stolz auf sein Wirtschaftswunder, doch hinter diesem Glanz verbarg sich die dunkle Vergangenheit. Dies wird an der zweiten Station der Ausstellung besonders deutlich: Auf der großen Tafel werden die damaligen Führungskräfte des Bundesjustizministeriums genannt - ihre Namen sind heutigen Juristinnen und Juristen gut bekannt, einige dieser Ministeriumsmitarbeiter haben bis heute relevante Kommentare zu Gesetzen verfasst.
Doch auf der Rückseite der Stele ist nachzulesen, was sie vor 1945 getan haben. Zu sehen ist, dass einige von ihnen an zahlreichen Todesurteilen, auch wegen Nichtigkeiten, beteiligt waren.
Die Anzahl der unbelasteten Juristen - eine verschwindend kleine Minderheit. Die Präsenz der Juristen mit einschlägiger Vergangenheit, die "alten Eliten", lässt ahnen, warum die deutsche Justiz die Verfolgung von NS-Straftätern geradezu verhindert hat.
Als das Bundesministerium der Justiz 1973 die Rosenburg verließ, war das NS-belastete Personal - meist aus Altersgründen - weitgehend ausgeschieden.
Zur Eröffnung der Ausstellung begrüßte Thomas Dickert, Hausherr im Justizpalast und OLG-Präsident, hochrangige Gäste: Eva Schmierer, Abteilungsleiterin im Bundesministerium sprach ein Grußwort, auch der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) gab sich die Ehre, Professor Christoph Safferling hielt die Festrede.
Dazu lud Thomas Dickert vor allem junge Juristen ein - wurde das NS-Unrecht doch bislang in der Juristenausbildung stiefmütterlich behandelt. Künftig wird im Jurastudium das Bewusstsein für die Geschichte gestärkt. Der Impuls dafür rührt aus der Untersuchung "Akte Rosenburg".
Über Jahre fuhr Christoph Safferling für die Studie nach Berlin, um dort in den Personalakten zu lesen. Gemeinsam mit Historiker Manfred Görtemaker blickte er insbesondere auf die Zeit zwischen 1949 bis 1973.
Die "Kontinuität des nationalsozialistischen Deutschlands in das Regierungshandeln des Bundesministeriums der Justiz in der Nachkriegszeit der fünfziger und sechziger Jahre" zu untersuchen, so lautete der Forschungsauftrag.
Die Personalakten der damaligen Beamten stapelten sich in Kartons und füllten mehrere Regale im Keller des Bundesjustizministeriums. Die Mitarbeiter des Ministeriums seien "sehr bemüht" gewesen, dass die Wissenschaftler alles bekamen, was sie brauchten.
Um ein Gefühl für die Atmosphäre zu bekommen, befragten die Forscher auch Zeitzeugen. Das Ministerium habe geholfen, dass diese Gespräche zustande kamen, schildert Safferling und verhehlt nicht, dass sich die Zeitzeugen regelrecht "einbestellt" fühlten und oft Sinn und Zweck der Forschungsarbeit infrage stellten.
Als Zeitzeugen konnten nur Menschen Auskunft geben, die in den 1920er Jahren und später geboren wurden und in den 60er und 70er Jahren in der Behörde gearbeitet haben. "Rosenburger", die sich, auf Nachfrage der Forscher zur NS-Belastung, untereinander angeblich doch nicht so gut kannten. Aber vielleicht, so gibt Safferling zu bedenken, haben sie wirklich nicht über die NS-Vergangenheit gesprochen, "für die tägliche Arbeit muss man es nicht, es wäre vielleicht gar nicht zu ertragen gewesen."
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