Kampfkandidaturen: Die Grünen rüsten sich für die Kommunalwahl

22.9.2019, 19:14 Uhr
Kampfkandidaturen: Die Grünen rüsten sich für die Kommunalwahl

© Foto: Rudi Ott

Die streng paritätisch mit Männern und Frauen besetzte Liste wird von Stadträtin Andrea Friedel angeführt. Die grüne Partei setzt damit auf ein Frauen-Tandem an der Spitze aus Friedel und OB-Kandidatin Verena Osgyan. Osgyan selbst kandidiert nicht auf der Liste, sondern tritt nur bei der OB-Wahl an. Sie bliebe im Fall einer Niederlage Landtagsabgeordnete.

Was bei SPD oder CSU gern demonstrativ harmonisch innerhalb weniger Stunden abgehakt wird, ist bei den Grünen eine tagesfüllende Angelegenheit. Und es wären nicht die Grünen, wenn die Listenaufstellung ganz ohne Überraschungen über die Bühne gegangen wäre. Sie offenbarte auch die eine oder andere Differenz zwischen Stadtratsfraktion und Parteibasis. Und für Verwunderung sorgte der kürzlich zurückgetretene Grünen-Chef Daniel Arnold, der sich mit einer Kampfkandidatur um einen der vorderen Listenplätze bewarb – und prompt durchfiel.

Run auf die Plätze

"Es gab einen großen Run auf die Plätze, das ist ein gutes Zeichen", sagte Julia Borghoff, Vorsitzende der Nürnberger Grünen, einleitend. Mit den ihnen von einem parteiinternen Findungsteam zugedachten Listenplätzen wollten sich einige Kandidaten allerdings nicht zufriedengeben. Er halte es für eine "Sauerei", dass auf den ersten 15 Plätzen nur zwei Vertreter der Grünen Jugend berücksichtigt worden seien, kritisierte zum Beispiel Mitglied Johannes Leimeter.

Er warf später selbst seinen Hut für einen der vorderen Plätze in den Ring, scheiterte aber. Leimeter hatte leidenschaftlich für eine umfassende Nutzung "der erneuerbaren und nachwachsenden Ressource Hanf" plädiert, was offensichtlich nicht überzeugte, sondern die Frage provozierte, ob Leimeter denn etwas geraucht habe.

Unstrittig war Platz eins der Liste: Die Stadträtin und Hebamme Andrea Friedel wurde mit 75 Prozent der Stimmen an die Spitze gewählt; mit weniger Stimmen als von Beobachtern erwartet. Sie könnte sich auch vorstellen, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen, sagte sie auf Nachfrage.

Auf dem zweiten Platz landete ein ganz neues Gesicht, ein Vertreter der Grünen Jugend: Paul Arzten (27), Erzieher aus der Südstadt mit Migrationshintergrund. Die Frage, ob er einen Platz in der Gesellschaft habe, habe er mit Ja und mit "Mut zur Verantwortung" beantwortet, sagte er in seiner dreiminütigen Vorstellungsrede. Er will seinen politischen Schwerpunkt bei den Themen Bildung, Integration und Soziales setzen. Arzten hatte es allerdings überraschend mit einem Gegenkandidaten zu tun: dem erst 18 Jahre alten Alexander Kahl aus Reichelsdorf, der sich am Ende über Listenplatz zwölf freuen konnte.

Erhalt der Artenvielfalt

Auf den Plätzen drei und vier treten Stadträtin und Bezirksrätin Andrea Bielmeier (Platz 3) und Marc Schüller (Platz 4) an. Schüller ist ein neues Gesicht: Der Mitarbeiter der Noris-Inklusion und Bio-Imker aus der Rosenau, der als "Imker mit internationaler Reputation" vorgestellt wurde, will sich für den Erhalt der Artenvielfalt und ein Ende der Massentierhaltung einsetzen. Auf Platz fünf wird Lemia Yiyit kandidieren, die sich im Integrationsrat engagiert und Patientenvertreterin am Klinikum ist.

Der amtierende Chef der grünen Rathausfraktion, Achim Mletzko, sah sich gleich drei Gegenkandidaten gegenüber. Ulrich Lindner vom Bürgerverein St. Leonhard/Schweinau, Alexander Kahl von der Grünen Jugend und Johannes Leimeter wollten ihm diesen Listenplatz streitig machen.

Lindner kritisierte "den Kuschelkurs" der Fraktion "mit dem politischen Gegner" im Rathaus. "Der liebt uns aber leider nicht zurück, weder die CSU noch die SPD." Ähnliche Kritik hatte zuvor die ehemalige Landtagsabgeordnete Christine Stahl geäußert. Teile der Fraktion fühlten sich eher der SPD und der CSU zugehörig als den Beschlüssen der Partei, so Stahl. Sie kritisierte auch das "Stuttgarter Modell", wonach alle Fraktionen im Rathaus im Rahmen ihrer Stärke an der Stadtregierung beteiligt werden, was den Grünen das Umweltreferat beschert hat. Doch das Modell führt Stahls Ansicht nach zu "Profilverlust" und "Personalmauscheleien". Die Stadtrats-Kandidaten signalisierten jedoch, dass sie am "Stuttgarter Modell" nicht festhalten wollen, falls die AfD bei der Kommunalwahl mit Fraktionsstärke ins Rathaus einziehen sollte.

Mletzko setzte sich letztlich im zweiten Wahlgang durch. Im Fall einer Wiederwahl kann er sich vorstellen, für eine Übergangszeit von zwei Jahren den Fraktionsvorsitz zu übernehmen und dann den Stab an die jüngere Generation abzugeben.

Unter den ersten zehn Kandidatinnen und Kandidaten finden sich auch starke Frauen: zum Beispiel Réka Lörincz (Platz 7) laut Selbstbeschreibung "eine Nürnberger Europäerin mit ungarischen Wurzeln". Sie ist Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns. Daneben tritt auch Verena Osgyans Mitarbeiterin an: Natalie Keller (Platz 9), eine bekennende Feministin.

Bewerbung "unaufrichtig"

Neu auf der Liste unter den Top Ten sind auch der zweifache Vater Mike Bock (Platz 8) aus Maxfeld, für den "Klimaschutz, die Energie- und Verkehrswende" oberste Priorität haben. Und Maik Pflaum (Platz 10), der sich für fair produzierte Kleidung und Spielzeug einsetzen will.

Der unlängst zurückgetretene Grünen-Chef Daniel Arnold musste mit Listenplatz 28 Vorlieb nehmen. Seine Versuche, einen besseren Platz zu bekommen, scheiterten und stießen auf Verwunderung. Arnold sei mit dem Hinweis zurückgetreten, dass er mehr Zeit für die Arbeit im Bezirkstag haben wolle. Deshalb finde er Arnolds Bewerbung für die Stadtratsliste "unaufrichtig", sagte Grünen-Fraktionschef Mletzko. Sein Rücktritt sei nicht leichtfertig gewesen, erwiderte Bezirksrat Arnold. "Ich will lieber wieder inhaltlich arbeiten."

82,4 Prozent der Anwesenden gaben der grünen Stadtratsliste am Ende ihren Segen.

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