Käte Strobel: Die Nürnbergerin, die für Sexualaufklärung und Bafög stritt

26.3.2021, 19:57 Uhr
Glückwünsche von der Nürnberger Parteispitze zum 85. Geburtstag im Jahr 1992: Käte Strobel (rechts) mit den Gratulanten Jürgen Fischer, Willy Prölß, Peter Schönlein, Renate Schmidt (damals SPD-Landeschefin) und Horst Schmidbauer (von links).

Glückwünsche von der Nürnberger Parteispitze zum 85. Geburtstag im Jahr 1992: Käte Strobel (rechts) mit den Gratulanten Jürgen Fischer, Willy Prölß, Peter Schönlein, Renate Schmidt (damals SPD-Landeschefin) und Horst Schmidbauer (von links).

"Hoffentlich hast Du jetzt trotz unserer zwei Kinder Zeit für die Politik!“, schreibt Hans Strobel seiner Frau Käte aus der Kriegsgefangenschaft. „Frauen brauchen wir jetzt besonders notwendig.“

Käte Strobel, die heute vor 25 Jahren gestorben ist, hat sich den Appell offenkundig zu Herzen genommen. Die 1907 in ein durch und durch sozialdemokratisches Milieu hineingeborene Nürnbergerin aus der Gartenstadt legt jedenfalls eine erstaunliche Karriere hin. Von 1949 bis 1972 gehört sie dem Bundestag an, von 1966 bis 1972 ist sie Bundesministerin. Und das in einer Zeit, als die fortschrittliche Sicht eines Hans Strobel alles andere als alltäglich ist.

"Morjen, meine Herren"

Die ersten drei Kabinette der Regierung von Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) werden ausschließlich von Männern gebildet.

Und nach der Berufung von Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) als Bundesministerin für Gesundheit im Jahr 1961 – ein neu geschaffenes Ressort, weil Adenauer keinen der angestammten Fachbereiche einer Frau überlassen wollte – begrüßt der Rheinländer die Runde dennoch demonstrativ mit „Morjen, meine Herren“.

In Brandts „Schattenkabinett“

Strobel, seit 1925 SPD-Mitglied, wird 1966 in der Großen Koalition unter Kurt Georg Kiesinger (CDU) Schwarzhaupts Nachfolgerin als Gesundheitsministerin. Zuvor hatte sie zweimal dem „Schattenkabinett“ Willy Brandts angehört, der aber 1961 und 1965 als SPD-Kanzlerkandidat scheiterte. 1969 schafft er es dann doch an die Spitze der Republik und beruft die Nürnbergerin als Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit.

Männer in der Übermacht

Zu dieser Zeit macht der Frauenanteil im Bundestag 6,6 Prozent aus. Die wenigen Parlamentarierinnen mussten sich inmitten der Übermacht „anzugbewehrter Machtmänner“ (so Torsten Körner in seinem sehr lesenswerten Buch „In der Männer-Republik“ über Frauen in der Bonner Politik) behaupten.

1972 ist Schluss mit der Bundespolitik: Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) überreicht Käte Strobel zum Abschied aus dem Kabinett eine rote Rose.

1972 ist Schluss mit der Bundespolitik: Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) überreicht Käte Strobel zum Abschied aus dem Kabinett eine rote Rose.

Strobel gelang das mehr als respektabel. Renate Schmidt, zwischen 2002 und 2005 ebenfalls Bundesfamilienministerin, hebt vor allem ihren Einsatz für das Berufsausbildungsförderungsgesetz (Bafög) heraus. „Damit konnten auch junge Leute studieren, die aus einem weniger gut gestellten Elternhaus kamen.“

Neue Wege in der Aufklärungsarbeit

Strobel beschreitet zudem unter anderem mit dem Film „Helga“ neue Wege in der Sexualaufklärung und gründet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
In der Nürnberger SPD war sie eine Autorität, ein „Lokalheiligtum“, wie der weitläufig mit ihr verwandte Altoberbürgermeister Ulrich Maly („meine Oma war ihre Schwester“) sagt.

Renate Schmidt musste vorsprechen

Renate Schmidt erinnert sich, dass sie 1980 bei ihrer ersten Bundestagskandidatur, als sie auch in der Partei noch relativ unbekannt war, erst einmal bei Strobel „antanzen“ musste: „Da wurde ich in ihrer Wohnung examiniert, aber ich habe die Prüfung unter ihren strengen Augen bestanden“, sagt Schmidt lachend.

Horst Schmidbauer wiederum, von 1990 bis 2005 im Bundestag, berichtet von sonntäglichen Anrufen Strobels, bei denen er die ehemalige Ministerin auf dem Laufenden halten sollte. Er habe über sie zum schwierigen Terrain der Gesundheitspolitik gefunden und bezeichnet sie als seine große Mentorin.

Bestes Ergebnis der SPD

Die beiden arbeiten ab 1972 politisch zusammen, als Strobel mit 65 Jahren zwar ihre bundespolitische Laufbahn beendet, aber zur Kommunalwahl antritt. Auf Platz eins der SPD-Stadtratsliste führt das bei der Bevölkerung überaus beliebte „Käddala“ die SPD im Jahr der Brandt-Euphorie mit 56,1 Prozent zu ihrem bis heute besten Ergebnis. In die nun sehr große, 39-köpfige Fraktion ziehen auch sechs explizit linke Jungsozialisten ein – unter anderem Schmidbauer, Jürgen Fischer und Peter Schönlein, die von den konservativeren Genossen eher kritisch beäugt werden.

Der Schachzug des Willy Prölß

Fischer betrachtet es im Rückblick als klugen Schachzug von SPD-Chef Willy Prölß, dass dieser damals eine Integrationsfigur wie Strobel als Fraktionschefin installierte. „Sie war eine tolle Frau, die uns Junge auch gleich in die Verantwortung genommen hat.“ Schmidbauer etwa wird Vize-Fraktionschef.

Kabinettskollegen im Jahr 1971: Käte Strobel mit dem damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD).

Kabinettskollegen im Jahr 1971: Käte Strobel mit dem damaligen Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD).

1980 wird sie Ehrenbürgerin

Strobel gibt 1976 den Vorsitz wieder ab und scheidet 1978 aus dem Stadtrat aus. 1980 bekommt sie als erste Frau nach 38 Männern den Titel eines Ehrenbürgers der Stadt Nürnberg. Sie stirbt am 26. März 1996 mit 88 Jahren. Ein ihr zugeschriebenes Bonmot bleibt unvergessen: „Politik ist eine viel zu ernste Sache, um sie allein den Männern zu überlassen.“

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