Kein richtiger Platz für die Lords of the Boards

26.6.2011, 21:44 Uhr
Kein richtiger Platz für die Lords of the Boards

© Wolfgang Zink

Regenwetter und Winter sind die Feinde eines jeden Skateboarders, denn dann macht das Fahren entweder keinen Spaß, ist zu gefährlich oder bei Schnee und Eis schlichtweg unmöglich. „Das ist sinnbildlich für die Situation der Skateboarder in Nürnberg“, sagt der 28-Jährige. „Wir Skater stehen buchstäblich im Regen.“

Was her müsste ist eine Halle, die für solche Fälle Abhilfe schafft. Eine Halle nur für Skater mit ihren flotten Brettern. „Nahezu jede Stadt – ja, schon jedes Kaff – hat eine Skatehalle. Nur die zweitgrößte Stadt Bayerns nicht“, beklagt er und tippt mit der Spitze seines Turnschuhs in eine kleine Regenpfütze. „Bei uns läuft alles Soziale über den Sport. Wenn wir im Winter fünf Monate nicht rauskönnen, dann bleibt uns in Nürnberg nur, vor der Glotze zu hocken und uns Skatevideos anzusehen“, beschreibt Herwig König die Situation.

Dabei ist es aber nicht nur die fehlende Halle, die die Jugendlichen auf ihren Brettern ausbremst. Generell sei die Situation in Nürnberg alles andere als zufriedenstellend. Die wenigen Rampen, die es in der Stadt gibt, sind für Regenfahrten zu gefährlich. Viele der Anlagen sind wegen der Zweckentfremdung durch BMXler und Kinder futsch, wurden aus dem falschen Material gebaut und werden der Entwicklung moderner Skateboards nicht gerecht. „Der Skater bleibt bei falschem Untergrund am Boden hängen und stürzt gegen die nächste Wand“, verbildlicht Herwig die Lage. Was schlichtweg fehlt, sei ein Treffpunkt – nur für Skater. Raus aus der gezwungenen Koexistenz zwischen Boardern, Bikern und Bolzern.

Ortsbegehung in St. Leonhard. „Auch mit dem Bowl und der gesamten Anlage am Pferdemarkt sind wir ziemlich unzufrieden, obwohl es noch die beste Skateboardmöglichkeit in Nürnberg darstellt“, klagt er. Der Platz gleiche vielmehr einem Kinderspielplatz: Wippen schaukeln sanft im Wind, auf dem Bolzplatz nebenan kicken ein paar Jungs mit dem Ball, andere nehmen sich einen Kickroller und düsen die Skaterampe hinunter.

Kein richtiger Platz für die Lords of the Boards

© Wolfgang Zink

„Es fängt am Boden an und zieht sich weiter zur generellen Eignung des Parks“, beschreibt er die Lage. Mit dem Servicebetrieb öffentlicher Raum, dem Jugendamt und der Street-Workerin von St. Leonhard haben sie sich schon zusammengesetzt und gezeigt, wo die Mängel sind – gemeinsam sind sie auf der Suche nach den besten Kompromissen. „Es passiert was“, sagt Herwig König und gluckst fast vor Freude. „Heute wurden die Asphaltverbesserungen durchgeführt.“ Die seien zwar nicht zufriedenstellend, aber es sei ja schließlich der Wille, der zählt. „Wir brauchen dennoch eine langfristige Lösung durch einen Betonboden“, sagt er. Immerhin hat die Stadt den Skateboardern am Pferdemarkt schon eine Besenkiste für die Reinigung der Bowl zur Verfügung gestellt, damit kein Stein unter die Räder der Skater kommt.

Der junge Mann will aber noch viel mehr bewegen. Skaten ist sein Herzblut, er selbst ist Teil des „Profi-Zirkus“ – wie er es nennt –, skatet unter anderem für Internet-Videos. Mit sechs bekam er sein erstes Skateboard, doch erst mit elf Jahren hat es ihn „total gepackt und elektrisiert“, als er feststellte, was zwischen dem Brett und seinem Lenker passiert. „Ab da hab‘ ich jeden Tag wie bescheuert geübt, bis alles geklappt hat. Jetzt sind es mittlerweile 19 Jahre“, sagt er und verzieht die Lippe zu einem wissenden Grinsen.

Kein richtiger Platz für die Lords of the Boards

© Wolfgang Zink

Um zusammen mit anderen dieselbe Leidenschaft zu teilen, hat Herwig König erst im April den „Skateboardfreunde Nürnberg e.V.“ als eine Konstante oder einen Dachverband ins Leben gerufen. Mit der Community wollen sie die vorhanden Anlagen auf Vordermann bringen, die Rampen neu lackieren, Risse abdecken und sich ihre kleinen Eldorados schaffen.

Leidenschaft, Freiheit, die Art und Weise, wie sich der Wind um den Körper schmiegt, Haare und T-Shirt im Wind und der Skateboarder über den Asphalt gleitet. „Es ist Selbstverwirklichung, eine Form kreativen Ausdrucks“, schwärmt er, während er seinen Coffee to go schlürft. In den USA, aber auch hierzulande ist Skateboarding mittlerweile ein ernster Sport geworden. Über den Atlantik, wo es nahezu mehr Skater als Baseballer gibt, schwappte irgendwie auch die Idee von Herwig und seinem Kumpel Maximilian Hecht, mehr zu tun für den Sport und für die Gemeinschaft. „Man kann sich sein Board schnappen und einfach rausgehen. Skateboarden ist ein Medium, womit man sofort in Kontakt tritt mit Menschen“, sagt er. Nur in Nürnberg sei das wegen mangelnder Skatemöglichkeiten schwierig. „Wir kämpfen für eine allgemeine Verbesserung der Situation. Wir kämpfen für eine Skateboardhalle, wir kämpfen für einen geeigneten Skatepark, den wir gerne in Eigenregie über den Verein aufziehen würden“, erklärt Herwig. Mit Sponsorengeldern – zwei Skaterfirmen haben bereits zugesagt – wollen sie das Gelände pachten und die Anlagenelemente aus Beton selbst bauen, ihr Vereinsheim von Herwigs Wohnung dorthin verlegen und einen zentralen Treffpunkt für die rund tausend Skateboardfreunde im Raum Nürnberg schaffen.

Bau-Initiativen solcher Art sind in den USA bereits gang und gäbe. Auch in Nürnberg hatten Jugendliche mit dem „Projekt: Eden“ im Zuge der Initiative „Do it yourself!“ letzten Sommer innerhalb der Ferien ein Paradies für Skateboarder geschaffen. Leider aber illegal, weil sie die Initiative nicht angemeldet hatten. Das Paradies wurde schneller dem Erdboden gleichgemacht als hochgezogen.

Man muss wohl für seinen Sport leben, schultert man solch ein Projekt. Die beiden Vorsitzenden der „Skateboardfreunde“ organisieren Workshops, Wettbewerbe und Skatefahrten in andere Städte, sie sind das Bindeglied zwischen den Skateboardern und den Behörden, Vermittler zwischen den Jugend- und Sportkulturen, Fachmänner für die Erneuerung der verschlissenen Anlagen in der Stadt in Sachen Material und Anstrich. Doch ihr größtes Projekt momentan ist die Suche nach Sponsoren und einem sponsorenwürdigen Gelände für den neuen Skatepark. „Wir wollen vor allem die Community in der Stadt beleben und stärken“, sagt Maximilian Hecht, der auch Gründungsmitglied ist. „Wenn man sich nicht bündelt, wird man nicht wahr- oder ernstgenommen, man wird die Situation nicht verbessern“, meint Herwig König.

Die Arbeit nimmt zurzeit einen empfindlichen Teil des Tages der Beiden ein. „Meine Freundin jammert. Ich studiere und jobbe nebenbei ja noch. Was wir zu Zeit für den Verein aufbringen, sind mehrere Stunden täglich“, überschlägt er im Kopf. „Momentan bleibt leider wenig Zeit zum Skaten selbst, aber immerhin haben wir schon 40 Mitglieder“, schiebt Max nach. „Und die heiße Phase läuft erst an“, verspricht Herwig.

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