Keine Engel: Verwaltung räumt in Nürnberg Gräber ab

29.1.2020, 08:46 Uhr
Keine Engel: Verwaltung räumt in Nürnberg Gräber ab

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"Sehr geehrter Grabnutzer, wir bitten Sie, lose Kerzen, Laternen und Figuren von Ihren Grabstätten zu entfernen." Derartige Zettel gibt es immer mal wieder auf den denkmalgeschützten Friedhöfen in St. Johannis und Gostenhof zu entdecken. Es folgt eine Frist und dann der Satz "Danach räumen wir sie ab". Zuletzt waren jene Zettel im Dezember auf St. Rochus zu entdecken. Im Januar folgten dann die angekündigten Abräumaktionen – zum Ärger zahlreicher Nürnberger.

"Anmaßend und überheblich": Leser kritisieren Verwaltung

So schreibt uns eine Leserin: "Es ist doch niemand verpflichtet, diese Aushänge an den Toren zu lesen, und wenn man nur alle paar Wochen einmal zum Friedhof kommt, entgeht einem das sowieso." Sie empfindet das Vorgehen der Friedhofsverwaltung als "menschlich fragwürdig" und fragt, ob denn die entfernten Gegenstände zwischengelagert werden.

Eine andere kritisiert vor allem eine fehlende Begründung für derartige Aktionen und findet es "anmaßend und überheblich, dass die Friedhofsverwaltung glaubt, bestimmen zu können, mit was und in welcher Art die Hinterbliebenen ihrer Toten gedenken. Solche Anweisungen machen den Friedhof wirklich zu einem toten Ort!".

Vorher: Vogeltränke, Laterne und Schale, die eine Nürnbergerin auf das Grab ihres Mannes auf dem Rochusfriedhof in Gostenhof gestellt hatte, sind entfernt worden.

Vorher: Vogeltränke, Laterne und Schale, die eine Nürnbergerin auf das Grab ihres Mannes auf dem Rochusfriedhof in Gostenhof gestellt hatte, sind entfernt worden. © Foto: privat

Die auf St. Rochus eingesammelten Gegenstände wurden nach einer kurzen Zwischenlagerung entsorgt. Die Mitarbeiter handelten auf Anweisung von Elfie Heider, Leiterin der Evangelisch-Lutherischen Friedhofsverwaltung. Sie räumt ein, dass "im Einzelfall dann auch mal etwas vom Grab entfernt wird, das zwar strenggenommen auch nicht so aufgestellt werden darf, das die Verwaltung aber toleriert. Das passiert halt im Zuge einer solchen Maßnahme." Dabei ist die Rede etwa von Vogeltränken oder Blumenschalen, die direkt auf dem Stein stehen. Sie hinterlassen Schäden auf den Grabsteinen und machen die Oberfläche kaputt. Wasser dringt ein, der Stein verwittert schneller, weiß Heider.

Das Augenmerk bei den Aktionen ruht vor allem auf Gegenständen wie Engelsfiguren oder auch losen Laternen. "Wir hatten schon mehrere Fälle, dass bei starkem Wind alles heruntergeweht wurde und wir dann die Scherben auflesen mussten." Gleiches gilt für den Johannisfriedhof, auch hier werden nach vorheriger Ankündigung immer wieder etappenweise die Gräber "abgeräumt".

Ausgelaufenes Wachs am Dürer-Grab

Elfie Heider berichtet von einem Vorfall im August 2019 am Dürer-Grab: Ein Besucher hatte dort ein Grablicht aufgestellt. Es kippte um, Wachs lief auf den Stein und aufs Epitaph. Beides musste professionell gereinigt werden, ein Steinmetz und Metallgestalter waren vor Ort. "Sehr ärgerlich", wie sie betont.

Danach sah das Grab so aus.

Danach sah das Grab so aus. © Foto: privat

Und mit Verweis auf die Grabpflegeordnung betont sie: "Porzellanengel sind einfach nicht gestattet." Darin heißt es unter anderem: Es ist nicht erlaubt, Grabschmuck aus nichtpflanzlichen Stoffen, insbesondere Porzellan, Emaille, Wachs und Kunststoffen, an Gräbern anzubringen. Heider weiß: "Grabschmuck ist immer ein sehr sensibles Thema, da die Angehörigen ihre Emotionen durch die aufgestellten Gegenstände ausdrücken." Dabei sei Geschmack sehr individuell. Das könne für einen Friedhof aber nicht die Grundlage der Gestaltungsmöglichkeiten sein, fährt sie fort.

"Wir müssen – so leid mir das im Einzelfall auch tun mag – im Rahmen der in der Satzung geregelten Vorgaben handeln. Sonst könnten wir ja alles freigeben und müssten jeglichen Grabschmuck zulassen. Das wird diesen besonderen Friedhöfen nicht gerecht." Sie ergänzt, dass dezenter Grabschmuck – wie Muscheln oder kleine Kieselsteine, die keinen Schaden hinterlassen – toleriert werde. Und betont vor dem Hintergrund der jüngsten Aktion: "Wir wollen das Bewusstsein für die Einzigartigkeit dieser beiden Friedhöfe schaffen, die nicht beeinträchtigt werden soll durch einfallslose Massenware."

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