"Keinen Überblick mehr": Viele Fragezeichen im Bamf

1.8.2016, 05:58 Uhr
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verkauft seine Ankunftszentren, die zentraler Bestandteil des Flüchtlingsmanagements sind, immer als Erfolgsmodell. Doch nun offenbaren sich große Defizite.

© Daniel Karmann (dpa) Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) verkauft seine Ankunftszentren, die zentraler Bestandteil des Flüchtlingsmanagements sind, immer als Erfolgsmodell. Doch nun offenbaren sich große Defizite.

Das geht aus der  Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen Bundestagsfraktion hervor, die den Nürnberger Nachrichten exklusiv vorliegt. Darin bleibt das Amt auch entscheidende Details zu Prozessen in Ankunftszentren, für die eine Verzahnung mit anderen Behörden relevant ist ,  schuldig - obwohl genau das nach eigener Aussage "zentraler Erfolgsfaktor"  ist.  In den Ankunftszentren sollen Asylfälle schnell - mitunter in nur 48 Stunden - bearbeitet und Prozesse gebündelt werden. Damit soll der Rückstau an Anträgen zügiger abgearbeitet werden.

Doch insbesondere bei der wichtigen Abstimmung mit den Ländern liegt offenbar einiges im Argen.  Das geht bei der Kapazität der Ankunftszentren (AZ) los: Die Bundesregierung kann in der Antwort auf die Kleine Anfrage zu den Unterbringungskapazitäten keine Angaben machen, verweist auf die Zuständigkeit der Länder. Dabei ist es für die Personal-Ausstattung  des Bamf in einem AZ entscheidend, wie viele Asylbewerber dort untergebracht sind.

Auf Nachfrage der Nürnberger Nachrichten weicht die Bamf-Pressestelle aus: Die Zuteilung des Personals hänge vom Königsteiner Schlüssel ab. Der sagt zwar etwas darüber aus, wie viele Asylbewerber prozentual einem Bundesland zugewiesen werden, aber nichts darüber, wie viele davon in einem AZ untergebracht sind — und wie viel Personal man daher benötigt.

Auch zur durchschnittliche Fallbearbeitungszeit bleibt die Bundesregierung die Antwort schuldig: Man könne dazu keine Aussage treffen, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage, „da eine solche Prognose – neben dem Asylverfahren – auch Landesprozesse einbeziehen müsste“.

Ein langjähriger Entscheider bezeichnet dies gegenüber den Nürnberger Nachrichten als "Blödsinn" .Selbstverständlich könne man Aussagen über die Bearbeitungszeiten von der Antragsannahme über die Anhörung, Bescheiderstellung bis zur Zustellung treffen, die Landesprozesse seien vor- oder nachgeschaltet. Man habe diese mit einbeziehen wollen, weicht die Bamf-Pressestelle erneut aus.

"Einige Abweichungen festgestellt"

Das Bundesamt ist außerdem nicht in der Lage aufzuschlüsseln, wie viele Mitarbeiter an die AZ versetzt oder neu eingestellt wurden. Man arbeite auch mit Abordnungen und Dienstreisen, heißt es, und nachdem das sich um "zeitlich begrenzte Einsätze" handele, sei eine Aufschlüsselung nicht möglich. Es handele sich um einen "dynamischen Prozess", erklärt die Presse-Abteilung auch Nachfrage.

Mitarbeiter kritisieren gegenüber den Nürnberger Nachrichten, das Bamf habe einfach keinen Überblick mehr. Die Personalabteilung habe eine "Volkszählung" durchgeführt und über Wochen hinweg Personallisten überprüft. Dabei seien einige Abweichungen festgestellt worden, die man nun erst berichtige.

Das Problem: Primär arbeiten in den AZ neue und recht kurz eingearbeitete Mitarbeiter. Durch den Einsatz erfahrener Kollegen – von denen man, wie die Anfrage zeigt, nicht weiß wie viele wann und wo sind – soll die Qualität der Verfahren gewährleistet werden. Doch das, so hört man aus den Zentren, funktioniere nicht immer.

Dabei werden immer mehr komplizierte Fälle in den AZ bearbeitet — ursprünglich beschäftigte man sich nur mit eindeutigen Anträgen, die fast zu 100 Prozent abgelehnt (Balkan-Länder) oder bejaht (Syrien und Irak) wurden. In der Antwort auf die Kleine Anfrage heißt es zwar, die Bearbeitung von komplizierteren Anträgen (Cluster-C-Fälle genannt) erfolge "in der Regel in den Außenstellen", auf Nachfrage dieser Zeitung räumt das Bamf aber ein, dass auch "weniger komplexe Verfahren" aus dieser Gruppe in den AZ bearbeitet werden – etwa Algerien, Tunesien oder Marokko. Man habe dafür geschulte Entscheider.

Dem widerspricht aber ein langjähriger Entscheider. Der Grundsatz, dass komplizierte Fälle an die besser ausgestatteten Außenstellen verwiesen werden, werde aufgeweicht, sagt er den Nürnberger Nachrichten. Die Außenstellen müssten "zunehmend schwierigere Fälle abgeben, die dann unsere Neuen bearbeiten". Die Qualität leide darunter. "Wir lassen häufig nur auf die Schnelle geschulte Entscheider in den AZ anhören, häufig ohne die Option, sich von erfahrenen Entscheidern beraten zu lassen", kritisiert er. Das geht nicht nur zulasten der Asylbewerber, sondern ist auch unter Sicherheitsaspekten kritisch zu sehen. Denn Teil des Verfahrens ist eine Überprüfung der Geschichte des Asylbewerbers.

Die Grünen sehen nun das ganze Konzept der Ankunftszentren infrage gestellt. Es erschließe sich aus den Antworten der Bundesregierung nicht der Mehrwert gegenüber den klassischen Außenstellen des Bamf, kritisiert Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik. "Im Gegenteil, die Verfahrensabläufe sind komplizierter und es gibt ein großes Unwissen über das Handeln der jeweils anderen Behörden."
 

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