Kirchen in Nürnberg: Keine absolute Sicherheit vor Bränden

18.4.2019, 07:58 Uhr
Kirchen in Nürnberg: Keine absolute Sicherheit vor Bränden

© Horst Linke

Sie mag es sich nicht vorstellen, wie es den Handwerkern und Kirchenbaumeistern in Paris am Tag nach der Brandkatastrophe geht. "Das ist der Albtraum." Die Nürnberger Architektin Alexandra Fritsch ist seit 1993 Kirchenbaumeisterin, derzeit an St. Sebald, und bestens vertraut mit den Tücken und Herausforderungen auf einer historischen Baustelle.

"Es gibt ein paar Spielregeln, die auf jeden Fall beachtet werden müssen", erzählt sie im Gespräch mit der Nürnberger Zeitung. "Niemals in der Kirche schweißen. Absolutes Rauchverbot für die Handwerker, das auch kontrolliert werden muss. Und alle Geräte Tüv-geprüft." Brandschutzvorrichtungen, wie sie in modernen Gebäuden Vorschrift sind, funktionieren in historischen Ensembles nicht. "Die Portale gehen nach innen auf, wir würden sie zerstören, wenn wir das umbauen müssten", so die Baumeisterin.

Suche nach altem Holz und guten Handwerkern

"Wir haben auch keine Sprinkleranlagen in den Kirchen. Sie würden die Kunstwerke bei einem Brand zerstören." Mit Zerstörungen durch Brände gibt es auch in den Nürnberger Kirchen eine lange Geschichte; alte Stiche zeugen davon, doch genaue Aufzeichnungen sind nicht überliefert. "Früher war der Blitzschlag der Klassiker. Dann, im Zweiten Weltkrieg, haben die Türme der Sebalduskirche eine Woche lang gebrannt", sagt Alexandra Fritsch. "Der Sandstein glüht bei dieser Hitze aus, die Oberfläche platzt ab."

Damit haben die nachfolgenden Generationen der Baumeister bis heute zu kämpfen. Dazu kommt, dass die uralte Handwerkskunst langsam ausstirbt. Es gibt wenige Fachbetriebe, die an derartigen Baustellen arbeiten können. Und dann auch noch das entsprechende Material bekommen wie gut gelagertes Holz.

Brandschutzkonzept für St. Sebald kommt neu

Die Holzdachstühle, die im Krieg zerstört wurden, sind auf den Langhäusern in Lorenz und Sebald durch Stahlkonstruktionen ersetzt worden, nur über dem Chor ist noch Holz verbaut. "Eine absolute Sicherheit gibt es bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht", sagt der Sebalder Pfarrer Martin Brons. Die Bauwerke werden turnusmäßig überprüft, prophylaktisch wird nach Schwachstellen gesucht. Derzeit wird gerade das Brandschutzkonzept für St. Sebald neu erarbeitet, Partner dabei ist die Nürnberger Feuerwehr.


Nach Notre-Dame-Brand: So würde Nürnbergs Feuerwehr vorgehen


Zumal es für Gotteshäuser keine speziellen Brandschutz-Vorschriften gibt. Von ihrer Funktion her sind sie zwar Versammlungsstätten, doch die entsprechende Verordnung nimmt Kirchen ausdrücklich aus, berichtet Stephan Gräser von der Abteilung Vorbeugender Brandschutz der Berufsfeuerwehr. Baurechtlich sind sie also "ungeregelte Sonderbauten".

Kaum Brandmeldeanlagen vorhanden

Die allerwenigsten Kirchen in der Stadt dürften daher mit Brandmeldeanlagen ausgestattet sein, schätzt Gräser. Die Christuskirche wurde nach dem verheerenden Turmfeuer von 1993 entsprechend elektronisch nachgerüstet, ebenso wie die Lorenzkirche und die gerade nach der Brandkatastrophe von 2014 wieder neu erstandene Martha-Kirche.

Dabei könnten Brandmeldeanlagen gerade alte Kirchen effektiv schützen. Denn viele der Gotteshäuser werden nur unregelmäßig genutzt. Ein kleines Feuer kann sich da in Ruhe zu einem veritablen Großbrand entwickeln, bevor es entdeckt wird – etwa weil Fenster platzen oder Flammen durchs Dach schlagen. Kirchenbänke, Orgelteile und Chorstühle, Gemälde (häufig Öl auf Holz) und mitunter Kissen und Vorhänge geben den Flammen dabei reichlich Nahrung, zumal jahrhundertealtes Holz knochentrocken ist, so Thomas Schertel, der Pressesprecher der Berufsfeuerwehr.

Dazu kommen nicht selten regelrechte Kleidungslager im Bereich der Sakristei. Da es in alten Kirchen meist kaum Brandabschottungen gibt, kann Feuer sich im gesamten Gebäude ausbreiten.

St. Martha trauert mit Paris

Für die Einsatzkräfte bedeutet das: Ein Innenangriff, der häufig sehr viel effektiver ist als Löschwasser von außen, ist nicht mehr möglich. Ausladende Gebäude-Dimensionen machen den Dachstuhl schlecht erreichbar. Die Feuerwehr hat dann also relativ schlechte Karten.

Auch Kirchtürme sind oft schlecht zugänglich: Die Reichweite der Drehleitern ist begrenzt, zumal wenn die Fahrzeuge nicht direkt an den Turm heranfahren können. Ein Löschangriff wird dann wahrscheinlich nur von unten möglich sein. Das Feuer läuft im Turm aber nach oben, während die Wurfweite der Löschrohre aus physikalischen Gründen beschränkt ist.

Wie dramatisch sich diese Situation in der eng bebauten Altstadt auswirken kann, hat die Gemeinde von St. Martha vor fünf Jahren erfahren müssen. Das 600 Jahre alte Kirchlein an der Königstraße brannte in einer Juninacht 2014 aus. Die Flammen loderten 20 Meter hoch. Die Feuerwehr, blitzschnell durch einen Nachbarn alarmiert, musste zum stundenlangen Löschen die Pegnitz anzapfen. Die Brandursache wurde nie gefunden. Am wahrscheinlichsten erschien ein Schwelbrand durch ein Elektrogerät, das für eine gerade angelaufene Sanierung aufgestellt worden war.

"Die Parallelen sind erschreckend"

In der evangelisch-reformierten Gemeinde wecken die Nachrichten aus Paris schlimme Erinnerungen. "Die Parallelen sind erschreckend", sagt Mitarbeiter Georg Rieger, der den Wiederaufbau koordinierte. "Die Bauarbeiten als mögliche Ursache, der eingestürzte Dachstuhl. Ich konnte es zuerst wieder nicht glauben, wie bei uns damals am Morgen danach." Der Pfarrer, Dieter Krabbe, schickte umgehend eine Solidaritätsadresse an Notre-Dame.

Im vergangenen Herbst feierte St. Martha die Einweihung der wiederaufgebauten Kirche. Seitdem hat sie den modernsten Brandschutz unter den Gotteshäusern der Stadt. Neben Rauchmeldern prüft ein Ansaug-System unterm Dach ständig die Luft auf Rauchpartikel. Ein möglicher Alarm läuft direkt bei der Feuerwehr ein. Fluchtwege, widerstandsfähige Türen und Treppen – all das gab es nicht vor dem Inferno. Eigentlich, findet Georg Rieger, bräuchte es auf Gefahrenbaustellen wie Notre-Dame aber zusätzlich Wächter.

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