Kopftuch am Arbeitsplatz: Junge Frau siegt vor Gericht

24.4.2017, 16:38 Uhr

Als 18-Jährige fing sie in dem Drogeriemarkt an. Probleme gab es nie – das bestätigt auch der Arbeitgeber der mittlerweile 33-Jährigen. Dann wurde Esra G. schwanger. Als sie im Oktober 2014 nach der Geburt zweier Kinder und der Babypause wieder im Job durchstarten wollte, war ihr Arbeitgeber jedoch alles andere als glücklich: Die junge Mutter trug nun ein Kopftuch. Für Esra G. war der erste Arbeitstag schnell vorbei: Die Vorgesetzte schickte sie nach Hause. Die Kopfbedeckung sei nicht mit der Betriebsordnung vereinbar, hieß es.

Die 33-Jährige wehrte sich gegen das Verhalten ihres Arbeitgebers. Sie zog vor das Arbeitsgericht. Ihr Kopftuch störe ihre Arbeitsleistung nicht, so ihre Argumentation. Esra G. wurde damals von ihrer Arbeit freigestellt, bekam also ihre Stunden bezahlt. Die junge Frau wollte jedoch unbedingt wieder arbeiten. Vor Gericht einigte man sich im Frühjahr 2015 auf einen Kompromiss. Esra G. hätte demnach Inventuraufgaben übernehmen sollen – in den Verkaufsräumen, wo sie auch Kunden sehen können. Kassentätigkeit und Verkaufsberatung hätte sie nicht mehr übernehmen können.

Job verursachte gesundheitliche Probleme

Der Kompromiss scheiterte jedoch. Bei einem erneuten Termin am Arbeitsgericht im März vergangenen Jahres, sagte Esra G.’s Rechtsanwalt Georg Sendelbeck (Manske & Partner), seine Mandantin fühle sich "wie eine Praktikantin". Die junge Frau bemängelte, dass sie keinen Kundenkontakt mehr habe. Außerdem werde sie immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten eingeteilt. Der Job habe mittlerweile zu gesundheitlichen Problemen geführt, sie musste sich krankschreiben lassen. Vom Arbeitsgericht erhoffte sie sich vor einem Jahr eine Entscheidung, die dazu führen würde, dass der Drogeriemarkt sie wieder an der Kasse einsetzt. Das Gericht schlug damals vor, über eine Abfindung nachzudenken. Dazu kam es jedoch nicht. Esra G. arbeitete weiter bei Müller – zumindest bis zum Sommer vergangenen Jahres. Im Juni kassierte sie die fristlose Kündigung. Weil sie zu dem Zeitpunkt schwanger war, war diese jedoch unwirksam. Einen erneuten Termin vor dem Arbeitsgericht verursachte das Schreiben trotzdem.

Dabei ging es darum, ob Esra G. seit vergangenen Sommer hätte bezahlt werden und weiterbeschäftigt werden müssen. Jetzt ist ein Urteil gesprochen worden – und für Esra G. bedeutet dies einen Erfolg auf ganzer Linie. Das Gericht bejaht den Anspruch auf Gehaltszahlung seit Juni. Außerdem hat es entschieden, dass die 33-Jährige hätte beschäftigt werden müssen.

"Es ist die erste Entscheidung nach dem EuGH-Urteil, die sagt, dass am Arbeitsplatz ein Kopftuch getragen werden darf", sagt Sendelbeck. Der Europäische Gerichtshof hatte Mitte März entschieden, dass Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs untersagen können, wenn weltanschauliche Zeichen generell in der Firma verboten sind und wenn es gute Gründe gibt. Derzeit kann Esra G. jedoch sowieso nicht arbeiten — die junge Frau legt erneut eine Baby-Pause ein.