Kritik an Polizisten bei Gegendemos zu Pegida Nürnberg

22.5.2015, 06:00 Uhr
Kritik an Polizisten bei Gegendemos zu Pegida Nürnberg

© Foto: Hippel

Demonstrationen haben meist ein Nachspiel. Oft auch ein sehr schmerzliches. Tanja W. musste so eine Erfahrung machen, auf einer Pegida-Demo. Dabei provozierte sie gar nicht, sie stand als Gegnerin der Rechtspopulisten nur zur falschen Zeit am falschen Ort: in der Nähe des U-Bahn-Abgangs „Wöhrder Wiese“ nahe dem Prinzregentenufer.

Es war Donnerstag, 26. März. Die 18-Jährige hat bis dahin mit ihren Eltern an jeder Gegendemo teilgenommen, wenn die Rechten aufmarschierten. „Wir sind nicht linksextrem, aber demokratisch“, sagt sie. „Wir sehen es als unsere Bürgerpflicht, Rechtsradikalen in unserer Stadt die Stirn zu bieten“, ergänzt ihre Mutter. Aber ohne Gewalt, nur mit Anwesenheit.

Doch als Kundgebungsteilnehmer am Absperrgitter vorbei zur U-Bahn gehen wollten, kam es zu einer Schlägerei — wenige Meter von der 18-Jährigen entfernt. „Ein Polizist riss mir den Arm nach hinten und schleuderte mich weg“, erzählt sie. Offensichtlich wollte der den Weg freiräumen, um die Pegida-Leute zu schützen.

Die verletzte Jugendliche blieb liegen, bis sich jemand um sie kümmerte. Ihre Eltern standen weiter hinten. Die Mutter: „Ich sprach einen Polizisten an und berichtete das. Er antwortete ziemlich desinteressiert und gereizt, dass ich mich doch beschweren solle.“ Ein Arzt attestierte bei Tanja W. eine erhebliche Schulterzerrung: „Zwei Wochen lang hatte ich Schmerzen, Arm- und Schulterbewegungen waren nur eingeschränkt möglich.“ Im Polizeijargon heißt das: Kollateralschaden. Anzeige wollte die Familie aber nicht erstatten. „Wir fürchten eine Gegenanzeige“, so die Mutter.

Heikel ist: Einer der Pegida-Leute, die am 26. März in Nürnberg aufmarschierten, soll selbst Polizist sein. Die Rede ist von Mathias R., der nach einem Bericht der Main Post auch regelmäßig an Wügida-Demos (Pegida-Ableger in Würzburg) teilnimmt und öfter auch mal Inhalte von NPD-Seiten auf Facebook teilt.

Flyer kassiert

R. ist überdies stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Bamberg. Nach NN-Recherchen schrieb er nach dem Aufmarsch in Nürnberg auf Facebook: „Oh Leute, sind nach der Demo voll in die Schlägerei hinter der U-Bahn-Station und Polizeiabsperrung gekommen. Hab eine abbekommen, aber kräftig ausgeteilt, bis die Polizei uns raushaute.“ Es war die Prügelei, in die Tanja W. verwickelt wurde.

Auf die Frage, ob R. als Pegida-Demonstrant bekannt sei, antwortete die Polizeipressestelle: „Das Polizeipräsidium Mittelfranken erhebt ohne Rechtsgrundlage keine Personalien von Demonstrationsteilnehmern.“ Polizeibeamte dürften sich überdies in Parteien engagieren, solange sie nicht verboten seien. „Bei der Amtsausübung haben sich die Einsatzkräfte parteipolitisch neutral zu verhalten.“

Dass es bei Polizeieinsätzen während Pegida- und Nügida-Kundgebungen heftig zur Sache gehen kann, das bestätigt auch Ralph Hoffmann, Ex-Kreisvorsitzender der Grünen. Er war am 23. April Veranstaltungsleiter der Gegendemo am Hasenbuck. Ein 15-Jähriger verteilte dort Flugblätter und wurde dann von Polizisten abgeführt. Warum? Auf einigen Flyern fehlte ein V.i.S.d.P. (Verantwortlich im Sinne des Presserechts). „Ich hatte einen Flyer, da stand das aber drauf“, so Hoffmann. Der Minderjährige kam zur „Clearingstelle“ der Polizei und wurde erkennungsdienstlich erfasst. „Die Mutter des Jungen, eine verbeamtete Lehrerin, ging hinterher. Nicht dass ihrem Sohn was passiert.“ In einem anderen Fall nahmen Polizisten einem Gegendemonstranten Handschuhe weg, weil da Nieten drauf waren. „Die wurden als Waffe interpretiert, aber was alles kann denn eine Waffe sein?“

Vertrauen verloren

Laut Hoffmann kam es auch während einer Nügida-Demo am 19. April in der Gleißbühlstraße zu einem unangenehmen Zwischenfall. Einsatzkräfte sollen 25 Leute „eingekesselt“ haben. „Eineinhalb Stunden lang wurden sie festgehalten, um ihre Namen herauszubekommen.“ Für Hoffmann wahrten die Beamten die Verhältnismäßigkeit nicht. „Ich habe das Vertrauen in die Polizei verloren.“

Tanja W. ist gegenüber Polizisten auch vorsichtiger geworden: „Ich war vor dem Zwischenfall unbekümmerter. Ich dachte nicht, dass ich mal was abbekomme. Ich demonstriere aber friedlich weiter, weil ich nicht will, dass in Nürnberg Nazis marschieren.“

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