Kuch über Corona und Politik: So geht es in Nürnbergs Service-Ämtern weiter

27.9.2020, 06:00 Uhr
Der 1970 in Coburg geborene Jurist Olaf Kuch ist nach Stationen in den Landratsämtern Neuburg-Schrobenhausen und Nürnberger Land sowie bei der Regierung von Mittelfranken 2001 zur Stadt Nürnberg gewechselt. Er war zunächst im Ordnungsamt und wechselte 2003 an die Spitze des Einwohneramtes. Zum 1. September übernahm er die Position des Stadtrechtsdirektors, die seit 2008 nicht mehr besetzt war. 

© Foto: Stefan Hippel Der 1970 in Coburg geborene Jurist Olaf Kuch ist nach Stationen in den Landratsämtern Neuburg-Schrobenhausen und Nürnberger Land sowie bei der Regierung von Mittelfranken 2001 zur Stadt Nürnberg gewechselt. Er war zunächst im Ordnungsamt und wechselte 2003 an die Spitze des Einwohneramtes. Zum 1. September übernahm er die Position des Stadtrechtsdirektors, die seit 2008 nicht mehr besetzt war. 

Herr Kuch, zwölf Jahre lang gab es keinen Stadtrechtsdirektor mehr, nun hat man die Position wiederbelebt. Wie kam es dazu?

Olaf Kuch: Wir haben in Nürnberg kein Rechtsreferat, alle anderen Städte haben das schon. Daher entstand der Vorschlag, die klassischen "Paragrafen"- und Bürgerdienststellen im rechtlichen Bereich zu bündeln. Allerdings nicht als eigenes Referat, sondern als Direktorium im Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters. OB König sagte, er wolle kein "Stadtrechtsdirektorium Reloaded" – daher kommen die zusätzlichen Säulen Bürgerservice und Digitales hinzu.

Schon seit Jahren wird Ihnen vorgeworfen, in der Ausländerbehörde einen restriktiven Kurs zu fahren, etwa Asylbewerbern gegenüber. Deswegen war Ihre Ernennung zum neuen Stadtrechtsdirektor extrem umstritten, die Grünen haben aus diesem Grund sogar das geplante Bündnis mit CSU und SPD platzen lassen. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Kuch: Die Vorwürfe gibt es in der Tat seit Jahren. Und seit Jahren wiederhole ich gebetsmühlenartig: Die Ausländerbehörde vollzieht staatliches Recht. Das, was die Stadt macht, macht sie im Auftrag des Freistaats Bayern. Wenn das Gesetz Ermessensentscheidungen zulässt, sind wir als Behörde durch Weisungen des bayerischen Innenministeriums ebenfalls gebunden. Deswegen gibt es keine Nürnberger Ausländerpolitik.

Dann sind Einordnungen wie "tolerant" oder "restriktiv" hier nicht angebracht?

Kuch: Jedenfalls nicht auf kommunaler Ebene. Es ist nicht Sache der Ausländerbehörde, vor Ort eigene Linien zu entwickeln. Die Grundentscheidung, ob jemand Asyl bekommt oder nicht, trifft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wir müssen sie vollziehen. Die Entscheidung, ob jemand Asyl bekommt oder nicht, steht aber öffentlich nie im Fokus, sondern immer nur die Umsetzung. Wir können zudem der Kritik nicht auf Augenhöhe begegnen, weil wir personenbezogene Daten nicht preisgeben dürfen. Wenn ein Geflüchteter, der abgeschoben werden soll, zum Beispiel ein Straftäter ist, können wir das nicht sagen.

Wie bewerten Sie es, dass – zumindest nach den öffentlichen Verlautbarungen – an Ihrer Person das Dreierbündnis im Rathaus gescheitert ist?

Kuch: Ich habe das staunend zur Kenntnis genommen. Ich habe nicht verstanden, dass es eine solche Dimension annehmen konnte. Ich möchte das politisch nicht bewerten, aber ich habe mich gefragt, warum diese Kritik zu solchen Folgen führen kann oder vermeintlich führen kann. Ich war immer gesprächsbereit und habe Kontakte über Parteigrenzen hinweg. OB Ulrich Maly (der Kuch vor der Kritik in Schutz genommen hat, Anm. d. Red.) war sicher auch nicht der Meinung des Gesetzgebers, aber er wusste, wo die Kritik hingehört und dass sie nicht bei uns abgeladen werden kann.

Auch wenn Sie die Vorwürfe als ungerecht empfinden – haben Sie trotzdem darüber nachgedacht, sich als potenziellen Stadtrechtsdirektor aus dem Spiel zu nehmen, um das große schwarz-rot-grüne Bündnis zu ermöglichen?

Kuch: Das klingt mir viel zu sehr nach politischem Mandat. Der Stadtrechtsdirektor ist ein Beamtenposten, eine Verwaltungsstelle. Ich bin kein Politiker, ich habe kein Wahlamt. Für mich ist eines wichtig: Ein Stadtrat hat den Anspruch darauf, dass die Verwaltung ihm zuarbeitet und ihm über Parteigrenzen hinweg vertrauensvoll begegnet. Das hat vorher funktioniert und wird auch weiterhin funktionieren.

Kritik gibt es auch an Ihrer Behörde. Regelmäßig beklagen unsere Leser, im Servicecenter telefonisch nicht durchzukommen.

Kuch: Ich weiß, die Leute akzeptieren mittlerweile Corona nicht mehr als Ausrede – aber seit Beginn der Pandemie haben wir extrem viele Anrufe, die alles blockiert haben. Zudem haben wir nun Anrufer, die einen Termin benötigen, weil wir wegen Corona keinen spontanen Parteiverkehr im Einwohneramt mehr haben. Wenn über 40 Leute gleichzeitig anrufen, dann gibt es obendrein technische Probleme. Man kommt dann nicht in die Warteschleife, sondern hört ein Freizeichen. Deswegen denken die Leute, es gehe niemand ran, und sind sauer.

Wird es perspektivisch irgendwann besser?

Kuch: Wir haben im Servicecenter 19 Leute pro Schicht im Einsatz und sind in Auswahlgesprächen, um mehr Personal zu haben und weitere Leitungen bereitstellen zu können. Wir wollen jetzt im Herbst auf 26 aufstocken.

Derzeit darf man zum Beispiel einen neuen Personalausweis nur nach einer Terminvereinbarung beantragen. SPD-Stadtrat Ulrich Blaschke hat angemahnt, wieder normalen Parteiverkehr zuzulassen. Gibt es hier eine Perspektive?

Kuch: Auch unsere Leute wären glücklich, wenn es wieder normal wäre. Aber die Abstandsregelungen diktieren das Geschehen. Wir können in der Wartehalle nicht jeden Stuhl nutzen und dürfen nicht so viele Leute ins Gebäude lassen. Wenn wir spontanen Parteiverkehr wieder zulassen und sich Warteschlangen vor dem Amt bilden, ist das problematisch, weil wir draußen kein Hausrecht haben. Das ist jetzt schon manchmal schwierig, obwohl wir eigentlich keine echten Warteschlangen haben. Die kleineren Ansammlungen vor dem Gebäude kommen nur zustande, wenn viele Leute zu zeitig zu ihren Terminen kommen. Wir rufen zum Beispiel um 10.20 Uhr die Leute ins Haus, die um 10.30 Uhr Termin haben.

Wie viele Termine bieten Sie täglich an?

Kuch: Wir bieten rund 600 Termine am Tag an, das ist eine Menge, die vorzeigbar ist – zudem sind pro Termin oft mehrere Personen da; denken Sie an Familien. Früher hatten wir an den heftigsten Tagen 1000 Leute im Haus, oft aber auch nicht viel mehr als 600. Aber viele sehen es nicht ein, für einen Behördengang einen Termin zu vereinbaren. Sie wollen das schnell in der Mittagspause erledigen. Aber derzeit geht es leider nicht anders.

Werden irgendwann alle Leistungen digital abrufbar sein?

Kuch: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist sinnvoll oder rechtlich möglich. Derzeit ist es uns zum Beispiel verboten, einen Aufkleber für eine Adressänderung im Personalausweis per Post zu verschicken. Im neuen Direktorium werden sowohl die Säule Organisation/Bürgerservice als auch die Säule Verwaltung/Rechtsvollzug vom Onlinezugangsgesetz getrieben, das bestimmt, dass Verwaltungsleistungen bis 2022 digital möglich sein sollen. Diesen doch recht theoretischen Anspruch in die Praxis umzusetzen, wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein.

Neben dem Amt für Digitalisierung fallen auch das Ordnungs- und ab 2021 das Rechtsamt in Ihren Bereich. Mit welcher Philosophie gehen Sie an diese Aufgaben heran?

Kuch: Es geht nicht um "Law and Order" und Paragrafenreiterei. Aber in der Stadt gibt es unterschiedlichste Interessen, denen man gerecht werden muss. Es ist die klassische Aufgabe der Ordnungsverwaltung, zu sagen, dass jeder ein Stück weit von seinen Maximalforderungen abrücken muss, um auch dem jeweils anderen seinen Freiraum zu erhalten. Ein Lebensmittelüberwacher wird nicht tätig, um einen Bäcker zu ärgern, sondern um die Kunden zu schützen. Ein Ordnungsamt wird nicht tätig, um Gastronomen einzuschränken. Es erteilt ihnen die Genehmigungen, muss aber auch die Lärmbelästigung für die Nachbarn im Blick haben. Es geht nicht darum, stupide Rechtsvorschriften durchzuexerzieren, sondern es geht um die Ordnung und Balance unseres Zusammenlebens in der Stadt, die Platz zum Wohnen, Arbeiten, Feiern, Entspannen und vielem mehr bieten soll.

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