Leblos und grau: Stadt möchte Kies-Vorgärten an den Kragen

14.3.2019, 14:39 Uhr
Ein Vorgarten in Nürnberg: Schneeweiße Baumarkt-Kiesel haben die Natur verdrängt.

© Edgar Pfrogner Ein Vorgarten in Nürnberg: Schneeweiße Baumarkt-Kiesel haben die Natur verdrängt.

Marmorkies, Lavamulch, Granitsplitt, Rheinkiesel in allen Grautönen - das Angebot in den Baumärkten ist unfassbar groß. Die Nachfrage boomt. Wo nichts wächst, muss nicht gegossen, geharkt oder gepflanzt werden. Der Vorgarten ist mausetot, aber Insekten und anderes Getier finden keine Nahrung. 

Das Rezept für den finalen Gartenbau ist denkbar einfach: Auf die Erde kommt Vlies, darauf eine Ladung Steine. Fertig. Vor allem in Reihenhaussiedlungen und Eigenheim-Gegenden finden sich immer mehr Beispiele dafür. Viele Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg schieben dieser "Verkiesung" der Vorgärten inzwischen einen Riegel vor. In Bebauungsplänen und Satzungen untersagen etwa Gütersloh, Herford, Xanten und Dortmund explizit eine lebensfeindliche Gestaltung in Neubaugebieten.

Auch Nürnberg tritt auf die Kies-Bremse

Auch in Essen regt sich Protest gegen die "Gärten des Grauens", wie sie auf einer gleichnamigen Facebook-Seite genannt werden. Dort ist ein wahres Gruselkabinett an Schotterflächen zu besichtigen.

Und Nürnberg? Das Thema ist angekommen, die Parteien denken darüber nach, die ungute Gartenmode vor Ort auszubremsen. Allerdings warnt Siegfried Dengler, Chef des Stadtplanungsamtes, vor zu großen Erwartungen. Das Planungsrecht sei kaum in der Lage, derartige Entwicklungen zu steuern, sagt er. Die Chancen, auf die Gestaltung privater Flächen einzuwirken, tendierten gegen Null.

"Es läuft zäh"

In der Stadt sei das "noch kein flächendeckendes Problem", sagt Umweltreferent Peter Pluschke (Grüne). Er hält mehr von Aufklärung und Förderung als von Verboten. Finanziell gefördert würde einiges, theoretisch. Plusche ist traurig, weil das gerade aufgestockte Förderprogramm "Mehr Grün für Nürnberg" auf zu wenig Nachfrage stößt. "Es läuft zäh", so der Referent.

Einer, der den Schotter-Fans durchaus Daumenschrauben ansetzen möchte, ist Otto Heimbucher. Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz (BN) denkt konkret an Satzungen, die verhindern, was er "verarmt und trostlos" nennt. Außerdem werde diesen Steinwüsten nach ein paar Jahren oft mit Unkrautvernichtungsmitteln zu Leibe gerückt. Denn die Natur ist schwer auszurotten: Zwischen den Steinen bildet sich im Lauf der Zeit Humus, es keimt.

Steine sorgen für heiße Sommer

"Rettet den Vorgarten" heißt die Initiative, für die Peter Menke in Düsseldorf spricht. In Städten komme es auf jeden Quadratmeter Grün an, sagt er. "Es ist ein Irrtum, dass versiegelte Flächen pflegeleicht sind!" Eine Strafe ereile die Hausbewohner mit Schotter-Gärten in jedem Fall. Die Steine speichern die Wärme und geben sie nachts wieder ab. Ein grüner Vorgarten dagegen wirke der Hitze entgegen.

Sowohl in der SPD- als auch in der CSU-Fraktion im Rathaus hält man den Weg über Bebauungspläne mit Vorgaben fürs Grün für grundsätzlich für sinnvoll. Der grüne Arbeitskreis Ökologie hat das Thema gerade diskutiert, eine gute Sache. Eine Anfrage im Stadtrat sei geplant.

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