"Frisch.Fromm.Fröhlich.Frei"

Leibesübungen mit politischer Note: 175 Jahre Nürnberger Sportgeschichte

Wolfgang Heilig-Achneck

Lokalredaktion

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3.1.2023, 20:30 Uhr
Gymnastik in Reih und Glied bei der Eröffnungsfeier für das damals neu erworbene Sportgelände des TSV 1846 in Erlenstegen im Jahr 1913: Diehistorische Aufnahme ist auch das Titelbild des Jubiläumsbands.

© Stefan Hippel, NNZ Gymnastik in Reih und Glied bei der Eröffnungsfeier für das damals neu erworbene Sportgelände des TSV 1846 in Erlenstegen im Jahr 1913: Diehistorische Aufnahme ist auch das Titelbild des Jubiläumsbands.

Neben einem ebenso traditionsreichen Club in Lohr/Main ist er auch der älteste Sportverein in Bayern: Vor nun bald zwei Jahren konnte der Nürnberger TSV 1846 sein 175-jähriges Bestehen feiern. Mit etwas Verspätung ist nun auch ein repräsentativer Band zum Jubiläum erschienen. Jürgen Franzke, Historiker und früherer Leiter des Nürnberger DB-Museums, hat im Ruhestand die vielfältigen Überlieferungen gesichtet und neben seiner ehrenamtlichen Vorstandstätigkeit (inzwischen hat ein Nachfolger das Amt übernommen) die Vereinsgeschichte aufgearbeitet.

Schöpfen konnte er dabei aus umfangreichen Unterlagen, die der Verein zur Aufbewahrung und Erschließung dem Stadtarchiv Nürnberg anvertraut hat. Entstanden ist unter dem Titel „Frisch.Fromm.Fröhlich.Frei“ nicht etwa eine langweilige Chronik, die bloße Daten, Tabellen und Listen von Honoratioren umfasst und bestenfalls Mitglieder anspricht. Sondern ein Buch, das auch begreiflich machen will, was Vereine im Innersten ausmacht und zusammenhält.

Gesellschaftliche Bezüge

Natürlich werden in dem reich bebilderten Band große Sportler und ihre Leistungen gebührend gewürdigt. Was die Geschichte aber erst spannend macht, sind die gesellschaftlichen Bezüge, spiegeln sich im „kleinen“ Vereinsgeschehen“ doch stets auch Rahmenbedingungen und Zeitgeist – also das, was jeweils die Epochen prägt.

Bekanntlich hatte das Turnen und hatten Sportvereine von Beginn an auch politische Bedeutung – als patriotische Zusammenschlüsse mit den Farben Schwarz-Rot-Gold und gerade in der Frühzeit oft getragen von der Hoffnung auf demokratische Mitsprache und eine Überwindung der Monarchien.

So spannt sich der Bogen vom ursprünglichen Turnverbot nach dem Wiener Kongress über Vereinsgründungen in Verbindung mit dem Feuerwehrwesen und erneute Verbote bis zu Neugründungen unter strammer staatlicher Kontrolle. Mehr als nur ein Detail sind Meilensteine wie die Einführung des Kinderturnens 1887 und des Frauenturnens 1890.

In Nürnberg erinnert bis heute die Obere Turnstraße daran, dass die Wurzeln einst im Rosenauprater lagen. Dort durfte der Verein 1860 auch seine erste Halle errichten. Nicht ausgespart bleibt die NS-Zeit mit Gleichschaltung und Führerkult.

Vortrag beim Verein für Geschichte

Über die Geschichte des Vereins und die Arbeit an den Quellen berichtet Jürgen Franzke in der kommenden Woche, am Dienstag, 10. Januar, beim Verein für Geschichte der Stadt Nürnberg. In dessen öffentlicher Vortragsreihe ist der Historiker der erste Referent im neuen Jahr (Haus Eckstein, Burgstraße 1-3, 19 Uhr). Der Band ist in der Geschäftsstelle des TSV 1846 für 24,90 Euro erhältlich (18 Euro für Mitglieder).

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