Lernkompetenz der Schüler fördern

26.11.2015, 19:53 Uhr
Lernkompetenz der Schüler fördern

NZ: Die Schüler verändern sich, die Heterogenität an den Schulen nimmt zu. Wie können Lehrkräfte dieser Vielfalt begegnen?

Heinz Klippert: Sicherlich nicht in der Weise, dass sie jeden einzelnen Schüler zu ,pampern‘ versuchen. Das ist in Regelklassen mit 25 und mehr Schülern illusorisch. Die Hauptaufgabe der Lehrkräfte ist unverändert die, Fachunterricht im Klassenverband zu erteilen. Von daher sind der individualisierten Beratung und Betreuung der Kinder naturgemäß deutliche Grenzen gesetzt. Nach meiner Ansicht müssen wir viel stärker als bisher bei der Unterrichtsgestaltung und bei der Schülerqualifizierung ansetzen. Die meisten Schüler sind praktisch-anschauliche Lerner und müssen deshalb im Fachunterricht in möglichst bunter Weise angesprochen werden – durch wechselnde Tätigkeiten, Methoden, Lernpartner, Aufgaben und Hilfsmittel.  Dann besteht auch die Chance, dass sie ihre unterschiedlichen Talente relativ gut zur Geltung bringen können. Eine weitere Voraussetzung für wirksame Schülerintegration sind tragfähige Lernkompetenzen. Je besser die Schüler methodisch geschult sind, desto selbstbewusster und erfolgreicher können sie sich engagieren und integrieren. Deshalb plädieren ich für differenzierten Arbeitsunterricht und systematische Methodenschulung im Klassenverband.

 

NZ: Wie viel Raum dürfen Computer und Internet im Unterricht einnehmen?

Klippert: Computer und Internet sind wichtige und hilfreiche Arbeitsmittel im Unterricht. Wenn die Schüler lernen sollen, selbstständig und mediengestützt Fachinformationen zu beschaffen, zu verarbeiten und zu präsentieren, dann brauchen sie selbstverständlich auch diese Instrumente. Gerade in heterogenen Lerngruppen eröffnen Computer gute Möglichkeiten, differenzierte Arbeitsprozesse zu sichern. Allerdings darf es dann nicht bei oberflächlichen PC-Spielereien bleiben, wie das im Alltag immer wieder zu beobachten ist. Das nämlich sichert weder nachhaltiges Lernen noch soziale Integration. Computerarbeit hat daher ganz sicher ihre Tücken und Grenzen. Sie muss sorgfältig eingeführt und in möglichst verbindliche Gesprächs-, Kontroll-, Beratungs-, Reflexions- und Transferphasen eingebettet werden, soll sie nicht zum flachen „Aktionismus“ verkommen.

 

NZ: Welche Fähigkeiten der Schüler werden Ihrer Meinung nach zu wenig gefördert?

Klippert: Folgt man der aktuellen Begabungs- beziehungsweise Intelligenzforschung, so verfügen Menschen über ein breites Begabungsspektrum, dem im Schulalltag allerdings viel zu wenig Rechnung getragen wird. Die Crux der meisten Schulen ist es, dass vorrangig auf logisch-mathematische Begabungen abgestellt wird, während soziale, emotionale, sprachliche, kreative, praktische und andere persönlichkeitsprägende Talente eher am Rande rangieren. Das frustriert nicht wenige Schüler und steht ihrem erfolgreichen Mitkommen in der Klasse entgegen. Deshalb bedarf es dringlich einer Aufwertung der fachübergreifenden Begabungen. Die neuen Bildungsstandards und Bildungspläne tragen diesem erweiterten Lern- und Bildungsanspruch Rechnung.

 

NZ: Wie sieht ein guter Unterricht aus?

Klippert: Guter Unterricht ist für mich der eingangs erwähnte differenzierte Arbeitsunterricht. Er sorgt dafür, dass die Schüler vielseitig aktiviert werden. Das schließt kooperatives Lernen mit ein. Gruppenarbeit, Projektarbeit, Planspiele, Rollenspiele, Pro-und-Kontra-Debatten, Interviews, Gruppenpuzzle, Wochenplanarbeit und andere Lernarrangements mehr stehen für diesen schüleraktivierenden Arbeitsunterricht. Diese Lehrermethoden sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite sind die Schülermethoden. Dazu zählen grundlegende Lern- und Arbeitstechniken, Kommunikations- und Präsentationstechniken sowie gruppenspezifische Kooperationsmethoden. Beide Methodenfelder müssen verstärkt beachtet und operationalisiert werden.

 

NZ: Sie plädieren sehr für Gruppenarbeit. Wo liegen darin die Vorteile, wo die Schwierigkeiten?

Klippert: Funktionierende Gruppenarbeit ist eine wichtige Voraussetzung für wirksame Schülerintegration. Die meisten Schüler brauchen die Mitschüler als Helfer und Miterzieher, als Mutmacher und Gesprächspartner, sollen sie zur nötigen Sicherheit gelangen. Einzelarbeit reicht genauso wenig wie Lehrerinstruktionen und lehrergelenkte Unterrichtsgespräche. Gruppenarbeit ermöglicht angstfreie Gärungs- und Klärungsprozesse, die zur verbesserten Mitarbeit in der Klasse beitragen. Da wird gefragt und erklärt, diskutiert und reflektiert. Das alles stützt und stärkt das Lernen der Schwachen wie der Starken – vorausgesetzt, die Schüler verfügen über tragfähige Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit.   Fehlen die nötigen Teamkompetenzen, so kann Gruppenarbeit natürlich auch ins Leere laufen. Streitereien, mangelhafte Mitarbeit,  Regelverstöße, dürftiges Zeitmanagement und anderes sind sichtbare Zeichen dieser fehlenden Teamkompetenz. Das von mir konzipierte Teamtraining wirkt dem entgegen.

Literaturtipps:  Heinz Klippert: Heterogenität im Klassenzimmer. Wie Lehrkräfte effektiv und zeitsparend damit umgehen können. Weinheim und Basel 2010. Heinz Klippert: Methodentraining. Übungsbausteine für den Unterricht. Weinheim und Basel 1994.

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