Imker erwarten Ausfälle

Magere Ernte: "In diesem Jahr wird es kaum Honig geben"

10.6.2021, 19:36 Uhr
Zeidler-Meister Werner Hertl zeigt eine Wabe aus dem Honigraum. Die Waben sind derzeit noch komplett ohne Honig, was für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist. Bis zu 200 Kilo Honig und 50 Kilo Pollen braucht ein Bienenvolk für die Eigenversorgung pro Jahr, durchschnittlich fallen 15 Kilo für den Imker ab.  

© Roland Fengler, NNZ Zeidler-Meister Werner Hertl zeigt eine Wabe aus dem Honigraum. Die Waben sind derzeit noch komplett ohne Honig, was für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist. Bis zu 200 Kilo Honig und 50 Kilo Pollen braucht ein Bienenvolk für die Eigenversorgung pro Jahr, durchschnittlich fallen 15 Kilo für den Imker ab.  

Die Bienen von Werner Hertl sind besonders: Sie können lesen. Über jedem von Hertls Bienenkästen ist ein einfarbiger Buchstabe angebracht. "Ja", sagt er lachend. "Sie sind sehr klug." Bienen können sich Farben und geometrische Formen merken und finden so immer zurück in ihren heimischen Stock. 15 Bienenkästen, mit je 50 000 Bewohnern, stehen nebeneinander in Hertls grünem Paradies in der Kleingartenkolonie "Bienenheim" in Zabo, eine Anlage der Bienenzüchter-Vereinigung Nürnberg u. Umgebung. Dass er am Abend ein Volk mehr haben wird, weiß der 65-jährige Zeidler-Meister am Samstagmittag noch nicht.

Gerade genießen die Bienenvölker das perfekte Flugwetter. Die Tiere haben es jedoch nicht leicht gehabt in diesem Frühjahr. Regen und Kälte lähmten sie geradezu. Während die Obstbäume blühten, wärmten sie sich lieber in ihrem Stock. "Ich musste bis Ende Mai zufüttern, das ist ungewöhnlich." Das wird sich auf die Honigernte auswirken. "Im vergangenen Jahr konnte ich 15 Kilo pro Stock entnehmen, in diesem Jahr werden es null, wenn das Wetter so bleibt."

Unerfahrenheit bedroht Bienen

Doch um den Honigertrag geht es Hertl nicht. "Wer imkert, sollte das tun, weil er Bienen mag, nicht, weil er möglichst viel Honig gewinnen will", sagt er. Es gebe Bienenvölker, die Opfer von Krankheiten wie der Varroamilbe werden, aber erfahrene Imker hätten längst gelernt, mit diesem vor rund 45 Jahren aus Asien eingeschleppten Schädling umzugehen. "Bienen geht es immer nur so gut, wie sie vom Imker versorgt werden."


Weltbienentag: Können Bienen fränkisch sprechen?


Und genau da liege derzeit oft das Problem: In den vergangenen Jahren habe vor allem die Honigbiene mehr Aufmerksamkeit bekommen. Aber nicht jeder, der nun glaube, er sei zum Imkern geboren, liegt damit richtig. Wer mit Hertl spricht, merkt schnell: Bienenhaltung ist eine Wissenschaft. "Deswegen halte ich nichts vom Imkern auf Balkonen in der Stadt. Die Spontanimker machen nur eine kurze Schulung, aber das reicht nicht." Viele wüssten weder, dass sie ein Volk beim Veterinäramt anmelden müssen, dass es eine Honigverordnung gibt, wie man verhindert, dass Krankheiten ausbrechen oder einfach nur, wie man einen Stock pflegt.

Und dann kommt ein Notruf

Hertl ist nicht nur Imker, er ist auch Retter in der Not. Immer wieder sammelt er Völker ein. "Es kommt vor, dass Bienenkästen so verwahrlosen, dass die Bienen daraus regelrecht fliehen." Doch in der freien Natur können sie nicht überleben.

"Ich habe schon Bienenkästen auf Balkonen gesehen, die in der prallen Sonne standen und bei denen aus dem Einflugloch das Wachs raus lief, weil es viel zu heiß war." Andere Jungimker wissen nicht, dass Sporen der Faulbrut bis zu 35 Jahre in Bienenkästen überleben können. "Sie setzen dann ein Jungvolk in den geerbten Kasten vom Opa und die Krankheit bricht aus." Faulbrut ist noch schlimmer als die Varroamilbe. "Hätten wir hier einen Faulbrut-Befall müssten alle hundert Völker der 14 Imker in der Kleingartenanlage getötet und sämtliche Arbeitsgeräte seuchengerecht entsorgt werden."

Damit Nachwuchsimkern so etwas nicht passiert, können sie sich von Werner Hertl ausbilden lassen. Er gibt ihnen ein Jungvolk auf Probe. Zwei Jahre lang begleitet er derzeit sieben Jungimker als Pate, erst danach gehört ihnen das Volk ganz.

Hertl selbst hatte auch einen Paten, seinen Schwiegervater, Leonhard Grünbauer. 50 Jahre hatte Grünbauer eine Imkerei mit 80 Völkern in der Kleingartenkolonie. Seit 2006 war Hertl sein Hilfsimker. Sein Schwiegervater überredete ihn im Jahr 2015, sich selbst Völker anzuschaffen. "Er sprach Tag und Nacht davon, er hat nicht aufgegeben. Heute bin ich ihm dankbar." Und obwohl Hertl schon viel Erfahrung hatte, übermannte ihn fast das Gefühl der Verantwortung, als sein Schwiegervater überraschend starb und Hertl sein wichtigster Ratgeber fehlte.


Die Bienen sind los: Schwarm fliegt ziellos durch Nürnberg


Die Honigbienen in Europa sind nach Ansicht Hertls nicht stark gefährdet, anders als die 500 Wildbienenarten. In Nürnberg habe sich aber schon einiges getan. Dort, wo sonst der Rasenmäher alle paar Wochen über die Grünstreifen rollte, dürfen nun Pflanzen ungestört wachsen. Für Hertl sind seine Bienen Familienmitglieder. Er spricht mit ihnen – und er trauert, wenn ein Volk stirbt. "Und es ist schmerzlich für mich, wenn ich ein verwahrlostes Volk einsammele."

Im ersten Halbjahr teilen sich Bienenvölker. Auch dann wird Hertl oft gerufen. Der Teil des Volkes, das samt Königin den Stock verlassen hat, hängt dann irgendwo an einem Baum. Es muss innerhalb von drei Tagen eingefangen werden, sonst sterben die Bienen. Im Jahr 2019 ist Hertl zwölf Mal ausgerückt, teilweise mit Unterstützung der Feuerwehr, wenn der Schwarm zu hoch hing.

Auch am Samstag erhält der Zeidler-Meister plötzlich einen Notruf. Vorbereiten muss er nichts, die Utensilien dafür liegen stets im Auto. Im Garten einer Kleingartenanlage steigt Hertl auf eine Leiter und schüttelt den Schwarm in seinen selbstgebauten Schwarmfangeimer. Zwei Tage kommt das Jungvolk nun in "Dunkelhaft". Dort sollen die Bienen die Honigreste verdauen, die sie noch in sich haben, damit sie keine Krankheiten einschleppen.

"Ein wunderbarer Ausgleich"

Mirjam Hilgerloh assistiert. Sie ist eine von Hertls Schülern. Seit einem Jahr hält sie zwei Völker. "Ich habe einfach Freude an dem Hobby", sagt sie. Doch sie hat auch schon gelitten, ein Volk ist im Winter gestorben, vermutlich an einem Virus. "Da haben wir beide geweint, die toten Tiere sind ein furchtbarer Anblick", sagt sie. Doch sie will weiter machen. "Imkern ist ein wunderbarer Ausgleich und es ist sehr beruhigend, vor dem brummenden Kasten zu sitzen und die Bienen zu beobachten."

Das vom Baum gepflückte Volk zieht nun bei Werner Hertl ein. Er hatte aus einer umgestürzten Linde eine Behausung – eine Klotzbeute – mit Deckel und Flugloch, geschnitzt. Und Bienen in diesem ausgehöhlten Stamm zu halten, den man nicht wie die Kästen zerlegen kann, ist auch für ihn neu.

Tipps rund um die Biene:

Was Bienen lieben: Statt Zierrasen lieber Wildwuchs, es muss ja nicht der ganze Garten sein. Bienenfreundliche Blütenmischungen und als bienenfreundlich gekennzeichnete Balkonpflanzen kaufen, ungefüllte Blüten sind wichtig. Spätblühende Blumen und Sträucher fehlen hierzulande. Wer Platz hat, kann eine Linde oder Weide pflanzen. Komposthaufen und Totholzstapel machen die bedrohten Wildbienen, Insekten und Igel glücklich.


Vorsicht!: Leere Honiggläser auswaschen, bevor sie in den Glasmüll wandern (oder besser noch beim Imker abgegeben werden). Ansonsten ziehen die Honigreste Bienen an. In den Resten können Krankheitserreger stecken, die die Bienen dann in ihren Stock einschleppen.


Kosten: Ein Bienenvolk zu kaufen, kostet etwa 140 Euro. Wer sich von Werner Hertl schulen lässt, bekommt es umsonst. Die Bienenhaltung amortisiert sich langfristig. Der Honigertrag kann sehr unterschiedlich sein. In einem guten Jahr gewinnt man aus einem Stock 45 Kilo. Der Erlös aus dem Verkauf deckt die Investitionskosten für Futter und Gerätschaften. Ist man in einem Bienenzuchtverein, teilen sich die Mitglieder oft Großgeräte wie Honigschleudern. Für den Infektionsschutz und die Behandlung von Krankheiten erhalten die drei Nürnberger Imkervereine Zuschüsse von der Stadt. Sie decken die Hälfte der Kosten von 3500 Euro.


Kontakt: Werner Hertl, Telefon: 0157 73 99 98 80 oder www.imker-zabo.de.

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