Magie für ein paar Stunden

24.4.2019, 17:42 Uhr
Magie für ein paar Stunden

© Günter Distler

Was lief gut, was lief schlecht? Schröder muss nicht lange überlegen, wenn sie nach den positiven und negativen Erlebnissen in neun Blauen Nächten gefragt wird. Da war zum Beispiel die Künstlerin, die weinend im Parkhaus am Sterntor stand, weil sie trotz aller Absprachen im Vorfeld nicht verstanden hatte, dass sie selbst für die Installation ihrer Arbeiten sorgen sollte. Aufgefallen war das erst kurz vor der Dämmerung – und Pirko Julia Schröder, damals noch neu im Amt, schickte die aufgelöste junge Frau per Taxi in den nächsten Baumarkt, um noch schnell das nötige Material zu besorgen.

Währenddessen organisierte die Kuratorin selbst noch schnell ein paar Helfer mit Leitern und Co. – und sorgte so dafür, dass der Programmpunkt dann doch wie geplant über die Bühne gehen konnte. Zum Glück seien solche Negativerlebnisse jedoch die Ausnahme, wie die 48-Jährige betont. "Oft werden wir sogar positiv überrascht."

Denn das, was an den beiden Abenden zu sehen ist – zum dritten Mal werden die Beiträge des Kunstwettbewerbs bereits bei einer Preview am Vorabend (3. Mai) gezeigt – verlangt auch Kuratorinnen und Jury einiges an Vorstellungsvermögen ab. Schließlich entsteht die Blaue-Nacht-Kunst nur für den Moment, sie soll zum Ort passen und in der Interaktion mit einem relativ großen Publikum funktionieren. Denn bei schönem Wetter flanieren schon mal 140 000 Menschen durch die Stadt, davon rund 10 000 mit der Eintrittskarte, die den Zugang zu den Kunstprojekten öffnet, zehn sind es in diesem Jahr.

Alles ist eine Nummer größer

"Das Kunstwerk sollte schon von mehr als drei Personen gleichzeitig bewertet werden können", sagt Schröder trocken. Die Dimensionen würden einige der Beteiligten dann doch überraschen, ergänzt Barbara Engelhard. "Meistens müssen die Künstler ihre Arbeiten auch etwas größer denken, als sie das zunächst tun."

136 Bewerbungen zum diesjährigen Motto "Himmel und Hölle" gingen diesmal beim Projektbüro ein, die Beiträge kamen aus ganz Deutschland, aber auch aus Finnland, Österreich und der Schweiz. Schröder und Engelhard haben sie alle gesichtet und in mehreren Sitzungen ihren Kollegen in der Jury präsentiert. Manches falle da ganz schnell durchs Raster, so Schröder. "Denn wenn jemand irgendwo drei Bilder ausstellen will, funktioniert das natürlich nicht." Über anderes wird ausgiebig diskutiert, zudem versuchen die Kuratorinnen zu ergründen, ob die vorgeschlagene Idee sich auch wirklich wie geplant umsetzen lässt und ob das vorhandene Budget dafür reicht: Maximal 5000 Euro erhält jeder der beteiligten Künstler, davon bis zu 3500 Euro für das Material.

Magie für ein paar Stunden

© Silke Roennefahrt

Dass beide selbst schon mehrfach als Künstlerinnen an der Blauen Nacht beteiligt waren, hilft ihnen bei der Bewertung. Engelhard hat 2017 die Burg bespielt, "das war natürlich der Höhepunkt". Aber auch wenn sie davon erzählt, wie sie 2011 im Rathaussaal mit den Besuchern lebendige Skulpturen gebaut oder den Kunstverein Kohlenhof zur öffentlichen Straße umfunktioniert hat, fangen ihre Augen zu leuchten an. "Wir haben 1400 Gehwegplatten verlegt, die Zahl weiß ich bis heute."

Mehr als bloße Unterhaltung

Trotz mancher Kritik am Großevent und dessen Volksfestcharakter, aus Sicht der Kuratorinnen kommt die künstlerische Botschaft durchaus an beim Publikum. "Wir bemühen uns, den Spagat zu schaffen", so Schröder. Der Anspruch an die künstlerische Qualität sei da, "sonst bräuchte es uns ja nicht. Dann könnte man auch einen Eventmanager engagieren, der die Massen bespaßt." Doch die Blaue Nacht sei eben mehr als bloße Unterhaltung.

Schröder erinnert sich gern an die Blöcke aus schwedischem Gletschereis, die in einer lauen Nacht in der Katharinenruine langsam schmolzen,"ein fast archaisches Erlebnis" und für sie einer der Höhepunkte. In diesem Jahr freut sie sich unter anderem auf die "Höllenfahrt" im Schmuckhof – dort lässt Gunhild Kreuzer in einem Wohnwagen einen imaginären Vulkan ausbrechen.

Im Parkhaus Sterntor stellen Joanna Maxellon und Harald Jantschke physikalische Gesetz auf den Kopf und lassen Wasser von unten nach oben fließen, auch das sei spannend, meint die Expertin. Engelhard empfiehlt den Hyperloop von Astrid Busch im DB Museum – eine Lichtinstallation zur Geschichte der Eisenbahn und der Telegrafie.

Auch die "Mediengötter" im Rathaus-Innenhof sind in ihren Augen einen Abstecher wert. Die Künstler Sven Sauer und Bony Stoev setzen sich dort mit Protestbewegungen und deren "von den Medien erschaffenen Ikonen" auseinander. Ob das dann wirklich die Höhepunkte der insgesamt zehn Wettbewerbsbeiträge sein werden? Darüber entscheidet das Publikum, das wieder den mit 5000 Euro dotierten Preis der N-Ergie vergeben und den flüchtigen Zauber der Kunstprojekte bewerten kann. Auch dabei ist die Blaue Nacht dann garantiert wieder für einige Überraschungen gut.

 

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