Trotz Corona: Diese Projekte will Marcus König umsetzen

19.6.2020, 05:48 Uhr
Trotz Corona: Diese Projekte will Marcus König umsetzen

Das Büro sieht aus wie zu Ulrich Malys Zeiten: derselbe Schreibtisch, dasselbe ockerfarbene Ledersofa, derselbe runde Besprechungstisch. Genau genommen sieht Zimmer 109 im Rathaus sogar aus wie damals bei Alt-OB Ludwig Scholz. Oberbürgermeister Marcus König (CSU) hat keinen Grund gesehen, das Büro seiner beiden Vorgänger groß zu verändern, zumal die Stadt kein Geld habe, wie er sagt. In der Verwaltung will er dagegen einiges umkrempeln. Auch die Diskussionskultur im Stadtrat ändert sich. Ein Gespräch über die ersten Wochen.

Herr König, wie geht’s Ihnen, wenn Sie morgens ins Rathaus fahren? Sind Sie angekommen?

Marcus König: Es ist ein gutes Gefühl, auch wenn es ein Sprung ins kalte Wasser war.

Im Unterschied zu Ihrem Vorgänger Ulrich Maly (SPD) sind Sie seit dem ersten Tag in den sozialen Medien omnipräsent: auf Facebook, Instagram oder Youtube. Lässt sich das in dieser Intensität durchhalten?

Marcus König: Ich bin halt digitaler und direkter in der Kommunikation. Ich bin einer, der nah dran ist, rufe auch mal Bürger direkt an, denn ich möchte wissen, was los ist. Als erster Oberbürgermeister in der Nachkriegsgeschichte, der nicht aus der Verwaltung kommt, mache ich manche Dinge unkonventionell. Aber auch das ist der Auftrag, den die Bürger mir mitgegeben haben.

Gab es schon Momente der Desillusionierung beim Kennenlernen der Verwaltung?

Marcus König: Manchmal wundert man sich, und manchmal muss man sich Dinge zweimal erklären lassen und versteht sie immer noch nicht (lacht) – obwohl wir eine echt gute Verwaltung haben. Aber ich werde verändern, was nicht gut läuft.

Sie haben in Ihrem Umfeld nur Männer installiert: Tobias Schmidt als Chef des Bürgermeisteramts, Ingmar Schellhas als Ihren persönlichen Mitarbeiter. Sven Heublein ist für Ihre digitale Präsenz zuständig, Andreas Franke leitet künftig das Presseamt und Olaf Kuch soll das neue Direktorium für Bürgerservice, Digitales und Recht führen. War’s das jetzt mit der Frauenförderung, die Sie im Wahlkampf hochgehalten haben?

Marcus König: Das sind sachgebundene Entscheidungen. Das Knowhow von Ingmar Schellhas ist wichtig. Tobias Schmidt ist mein engster Vertrauter und Sven Heublein weiß, wie ich ticke, wie ich rede und muss auch so schreiben. Aber Sie werden sehen, dass das Thema Frauenförderung für mich in nächster Zeit weit oben steht. Bei den Dienststellen in meinem Geschäftsbereich werde ich darauf achten, dass die Besetzung paritätisch ist. Und ich strebe an, dass auch die Referentenbank irgendwann 50:50 besetzt ist.


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Also bekommt Nürnberg eine Schulreferentin? Das Vorschlagsrecht für das Referat liegt ja bei der CSU.

Marcus König: Das kann sein.

Sie starten unter schwierigen Bedingungen. Corona bremst alle hochfliegenden Pläne aus, auch wenn Bund und Land zumindest die Gewerbesteuer-Einnahmen für 2020 ersetzen und dauerhaft mehr für die Unterkunft von Hartz IV-Empfängern zahlen. Wie will Nürnberg heil aus der Krise kommen?

Marcus König: Wir haben die Corona-Task Force auf die Beine gestellt, weil mir wichtig war, dass wir nicht nur Dinge umsetzen, die in München oder Berlin entschieden werden. Ich habe mich zügig mit Gastronomen und Wirtschaftsvertretern getroffen und gefragt, was sie brauchen. Bei der Gastronomie haben wir zum Beispiel Biergärten erweitert und neue Ausschankflächen geschaffen. Wir verzichten auf Gebühren und steigen bei Gastronomen, die städtische Liegenschaften gepachtet haben, auf reine Umsatzpacht um. Also: kein Umsatz, keine Pacht. Das sind Dinge, die die Stadt selbst organisieren kann.

Und ja, wir kriegen mehr für die Unterkunft von Hartz IV-Empfängern, das sind circa 35 Millionen Euro im Jahr. Außerdem bekommen wir rund 110 Millionen Euro für die Gewerbesteuerausfälle. Aber der Knackpunkt ist: Letzteres ist nur für 2020. Die Herausforderung wird sein: Was ist 2021, 2022 und 2023?

Welche bis dato geplanten Investitionen müssen dran glauben? Stehen der neue Konzertsaal oder das Volksbad auf der Streichliste?

Marcus König: Wir machen bis zur Sommerpause einen Kassensturz. Dann muss sich der Stadtrat klar werden, welche Prioritäten er setzt. Alles, was mit Schule, Bildung und Infrastruktur zu tun hat, hat Priorität. Was will man da streichen? Den Kindergarten, die Schule, die Brücke? Das wird schwierig. Die Kommune hat ja auch den Auftrag, vor Ort zu investieren und mit unseren Aufträgen die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Wenn man die Kosten für die Konzerthalle, das Opernhaus oder die Sanierung der Meistersingerhalle zusammenrechnet, kann man locker auf eine Milliarde kommen. Das ist ein dicker Brocken. Den kann man schieben, andererseits will Nürnberg Kulturhauptstadt werden.

Wir sind beim Konzerthaus so weit, dass wir dem Stadtrat Zahlen vorlegen können, was es wirklich kostet. Da muss eine Entscheidung her. Dass wir das Opernhaus sanieren müssen, steht außer Frage. Die Frage ist nur, in welcher Dimension und in welcher zeitlichen Abfolge. Und wir müssen ja nicht nur das Opernhaus angehen, sondern auch den Richard-Wagner-Platz. Der Platz verbindet die Südstadt mit der Altstadt und ist der zweitgrößte Platz in ganz Nürnberg. Da lässt sich städtebaulich etwas machen.

Nürnberg tut sich traditionell schwer mit schönen Plätzen. Kann Marcus König Plätze?

Wir müssen uns die Plätze näher anschauen und zwar nicht nur in der Innenstadt. Wir brauchen auch in dem Bereich eine Prioritätenliste. Ich hoffe, dass wir auch das Geld dafür haben.

Ihr Vorgänger Maly hielt die Choreografie im Stadtrat clever in Händen, da passierte oft nicht all zu viel in den Sitzungen. Soll das bei Ihnen anders werden?

Marcus König: Ja. Ich bin ein Oberbürgermeister, der aus dem ehrenamtlichen Stadtrat kommt. Ich weiß, dass das das wichtigste Gremium ist und kein Debattierclub, daher will ich den Rat eng mit einbinden. Es ist auch nicht so, dass alles im Hinterzimmer ausgemacht wird. Die Diskussionskultur verändert sich, das hat man in den letzten Ausschusssitzungen schon gemerkt, weil neue Kolleginnen und Kollegen dazugekommen sind.

Es wird offensichtlich lebendiger, weil die Grünen mehr auf Opposition machen, so zumindest der erste Eindruck. Ursprünglich wollten Sie die Grünen gern mit im Rathaus-Bündnis haben. Aber wieso haben Sie dann Einwohneramtschef Olaf Kuch als Stadtrechtsdirektor ins Spiel gebracht, der für die Grünen ein rotes Tuch ist?

Marcus König: Ich finde es schade und tragisch, dass wir über Personalien so in der Öffentlichkeit diskutieren. Die Personalie war auch am Anfang gar nicht gesetzt. Wir waren mit den Grünen in vielen Bereichen auf einer Linie. Aber das Problem ist, dass die Grünen jedes Mal die ganze Basis mit einbeziehen müssen – bei jedem Schritt in den Kooperationsverhandlungen. Ich habe ihnen sogar das Schulreferat angeboten – nicht zur Freude der eigenen Partei.

Ist es vielleicht das Problem der CSU gewesen, dass sie zu sehr auf Markus Söder gehört hat, weil Olaf Kuch in Söders Gunst offenbar ziemlich weit oben steht?

Marcus König: Ich wollte kein Stadtrechtsdirektorium reloaded. Sondern mir geht es darum, Digitalisierung und Bürgerservice zur Chefsache zu machen. Und da das etwas mit Recht zu tun hat, habe ich gesagt, dann lasst uns doch ein Direktorium für Digitalisierung, Bürgerservice und Recht machen. Da haben auch die Grünen noch gesagt: alles super. Und dann kam der Name Kuch – und alles war kaputt. Da verstehe ich die Grünen nicht. Ich bedaure das sehr.

Sie machen jemanden zum obersten Bürgerservice-Verantwortlichen, dessen Einwohneramt dadurch auffällt, dass es neben der Kfz-Zulassungsstelle die längsten Wartezeiten bei der Stadt hat. Wie passt das zusammen?

Marcus König: Das war coronabedingt so, und wir haben gegengesteuert mit Terminvergabe und intensivem Personaleinsatz aus anderen Dienststellen. Olaf Kuch hat im Einwohneramt vor allem auch die Einführung von "Mein Nürnberg" verantwortet, das digitale Bürgerservice-Portal der Stadtverwaltung. Im Ausländerwesen läuft dies sehr erfolgreich und spart massiv Bearbeitungszeiten ein. Ich möchte dies auf alle Bürgerservice-Bereiche der Stadtverwaltung ausrollen. Damit machen wir uns und die Bürger unabhängiger vom persönlichen Erscheinen.

Die Grünen kritisieren den Kooperationsvertrag von CSU und SPD und vermissen eine echte Verkehrswende. Es gab auch etliche ätzende Leserbriefe wegen des CSU-Plans, die Bergstraße wieder zu öffnen — nach jahrzehntelangem Hin und Her. Ist die neue alte GroKo zu zaghaft?

Marcus König: Wir machen einen runden Tisch zur Bergstraße. Es gibt solche und solche Leserbriefe: Die einen freuen sich, die anderen steinigen dich. Ich bin optimistisch, dass wir eine Verkehrswende hinbekommen. Wir werden am Freitag den ersten Pop-Up-Radweg beschließen. Aber wir haben vier Verkehrsteilnehmer und diese werden wir im Blick haben. Wir können das Auto nicht wegzaubern. Wir brauchen Quartiersparkhäuser, der Grundstein fürs erste Quartiersparkhaus wurde schon gelegt. Wir brauchen den Lückenschluss bei den Radwegen und müssen den ÖPNV attraktiver machen.

Sie wollen ein Verkehrskonzept für die Altstadt: Was heißt das für den Autoverkehr? Wie viel soll weg?

Marcus König: Wir wollen die Parkhäuser stärken, das ist gut für den Einzelhandel. Wir brauchen Menschen, die hier einkaufen, sonst wird das eine Geisterstadt. Wir wollen aber auch dem Fußgänger mehr Raum und mehr Aufenthaltsqualität geben. Ich treibe auch den Obstmarkt voran. Wir müssen schauen, dass wir unsere Plätze begrünen. Dadurch wird es auch weniger ruhenden Verkehr geben.

Sie haben im Wahlkampf versprochen, dass für jedes Neugeborene ein Baum gepflanzt wird. Wann geht es los?

Marcus König: Jedes Neugeborene soll ein Welcome-Paket bekommen. Ich kann mir gut vorstellen, dass darin auch Baumsamen sind, damit Kinder und Eltern selbst noch mal aktiv werden können. Wir werden aber auch noch einen Plan erstellen, wo wir gemeinsam mit dem Forst Bäume pflanzen können. Das Ziel ist: Die Natur muss zurück in die Stadt.

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