Mehrfacher Kindesmissbrauch: Nürnberger muss in Haft

2.3.2018, 06:00 Uhr

Als Kurt K. (Namen der Betroffenen geändert) am 14. Juni 2017 festgenommen wurde und in Untersuchungshaft landete, konnte "ich mir keinen Reim darauf machen", sagt Nadja J. "Ein Richter braucht doch einen gewichtigen Grund, um U-Haft anzuordnen" weiß die 20-Jährige – doch was dem Vater ihrer Halbschwester vorgeworfen wurde, wusste sie zunächst nicht. Hatte er schwarz gearbeitet und war aufgeflogen? Aber das wäre doch kein Grund für U-Haft, zweifelte Nadja.

Es war ihre Mutter, die vermutete, dass Kurt K. verdächtig des Kindsmissbrauchs sein könnte – "dabei hatte mir meine Mutter damals nicht geglaubt", schildert Nadja J. heute.

"Ich habe einen väterlichen Freund gesucht"

Rückblick: Nadja war im Grundschulalter, als sie zwischen 2004 und 2008 immer wieder bei Kurt K. übernachtete. In seiner Wohnung im Nürnberger Norden besuchte sie ihre Halbschwester, "ich ging gerne hin, schon weil sich mein leiblicher Papa kaum um mich kümmerte. Ich habe einen väterlichen Freund gesucht", sagt sie heute. Sie schildert, dass sie gänzlich arglos bei ihm im Bett schlief. Sie, das kleine Mädchen im Grundschulalter, wusste nicht, wie ihr geschah, als er die Nähe ausnutzte, sie an intimsten Stellen unter ihrem Schlafanzug betatschte.

Sie habe geglaubt, sie sei die Einzige, der das passiere, erinnert sich Nadja. Als sie endlich wagte, sich ihrer Mutter anzuvertrauen, besuchte sie K. nicht mehr – doch geglaubt habe ihr die Mutter auch nicht. Auch deshalb, so erklärt sie, sei es ihr zunächst ein Rätsel gewesen, warum er im vergangenen Sommer verhaftet wurde. Dass andere Geschädigte wagten, das Schweigen zu brechen, ahnte sie nicht einmal.

Jahrelang vergriff Kurt K. sich 

Neun Monate später wartet Nadja mit weiteren jungen Frauen im Landgericht Nürnberg-Fürth vor dem Sitzungssaal, bis sie als Zeugin in die 16. Strafkammer gerufen wird. Denn Nadja war nicht allein in ihrem Martyrium – am Ende von zwei Prozesstagen wird Kurt K. wegen schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in sieben Fällen sowie Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie verurteilt.

Jahrelang hatte sich der Nürnberger, ein 45-jähriger Hausmeister, an kleinen Mädchen aus seiner Verwandtschaft und seinem Bekanntenkreis vergriffen – es war eine seiner Nichten, die im vergangenen Jahr zur Polizei ging und erzählte, dass sie zwischen 2005 und 2011, auch sie war damals im Grundschulalter, von ihrem Onkel zum sexuellen Objekt gemacht worden war. Nach ihrer Aussage ermittelte die Polizei in Kurt K.s Umfeld, befragte Bekannte und Verwandte, unter anderem auch Nadja J.

"Ich habe mich geschämt"

"Komisch, richtig unangenehm", sei es gewesen, beschreibt Nadja J., bei der Polizei so detailliert über sexuelle Übergriffe zu sprechen. "Ich habe mich geschämt", sagt sie und weiß, dass eine Therapie wohl das Richtige wäre. Aber dafür fehle ihr die Kraft. Es sei gut gewesen, sagt sie, dass vor Gericht die Richter und der Staatsanwalt ihre Geschichte hörten, im Familien- und Freundeskreis will sie nichts mehr erzählen. "Ich will all das wieder verdrängen", sagt sie und weiß doch, dass ihr innerer Druck gewaltig ist. Manchmal bricht sie zusammen, liegt eine Stunde auf ihrem Bett und weint – ihr Ausweg: sie ritzt sich die Beine blutig. "Und dann bin ich sauer auf mich, weil ich wieder die Kontrolle verloren habe".

K. hat mit seinem Geständnis zu Prozessbeginn zumindest eine langwierige Beweisaufnahme unnötig gemacht – ihm beschert es Strafrabatt und die Geschädigten konnten vor Gericht zwar berichten, was ihnen widerfuhr, und schildern, wie es ihnen heute geht, doch Einzelheiten zu beschreiben, blieb ihnen erspart. Vier Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe? Besonders viel ist das nicht, kommentiert Nadja. Sie leidet schon fast dreimal so lange unter den Folgen der Übergriffe.