Millionen-Baustelle: Nürnbergs Pfarrhöfe sind fast fertig saniert

9.11.2020, 05:48 Uhr
Millionen-Baustelle: Nürnbergs Pfarrhöfe sind fast fertig saniert

© Jürgen Petzoldt

Wer den Innenhof des Lorenzer Pfarrhofs betritt, kommt ins Staunen. Der Fürther Architekt Volker Heid hat eine moderne Optik geschaffen, die mit den historischen Häusern harmoniert. Rund 70 Prozent Neubau, 30 Prozent Bestand auf 5000 Quadratmetern bebauter Fläche, so die nüchternen Zahlen.

20 Millionen Euro Baukosten

Was ernüchternd ist: Die Baukosten sind von 16 auf 20 Millionen Euro geklettert. Archäologische Grabungen, professioneller Ausbau des Bibelmuseums, Anforderungen des Brandschutzes, eine komplexe Elektrik - laut der Lorenzer Pfarrerin Claudia Voigt-Grabenstein trugen viele Gründe zu der Kostensteigerung bei: "Die Komplexität des Hauses wurde unterschätzt."

Millionen-Baustelle: Nürnbergs Pfarrhöfe sind fast fertig saniert

© Jürgen Petzoldt

Mit der bitteren Folge, dass die zwei oberen Etagen des Altbaus leer stehen. Die Wände sind energetisch nicht gedämmt, die alten Fenster wurden nicht ersetzt. Die Landeskirche als Bauherrin wollte die Kosten begrenzen. Doch was mit dem wertvollen Platzangebot im Zentrum der Altstadt passiert, ist noch nicht klar, merkt die evangelische Geistliche an.

Attraktiver Gemeindesaal

Ansonsten kann sich das Ergebnis des Umbaus sehen lassen. Der gepflasterte Innenhof hat deutlich an Aufenthaltsqualität gewonnen. Wo früher Garagen standen, bietet nun ein langgezogener, attraktiver Saal mit großen Glasflächen Platz für 130 Personen. Die abgehängte Holzdecke soll für eine gute Akustik sorgen, wenn der Bachchor probt. Hier trifft sich künftig die Gemeinde, doch der große Raum wird auch an Interessenten vermietet. Das große Glaskunstwerk von Therry Boissel passt sich unauffällig ein. Man braucht schon etwas Phantasie, um darin den Bezug zum Gewölbe der Lorenzkirche zu sehen.

Münzschatz war Falschgeld

Das "Bibelmuseum" mit professionellem Museumsstandard schließt sich an. Es ist etwas größer als das ursprüngliche "Bibel Erlebnis Haus". Die Räume sind noch leer, bis zur Eröffnung Anfang Dezember werden sich Vitrinen und Räume noch füllen. In dem Gebäude wurde eine uralte, versteckte Mauer mit einer Lichtnische für Öllampen freigelegt, welche die lange Vergangenheit des Pfarrhofs vor Augen führt. Scherben aus dem 13. Jahrhundert wurden gefunden, die Archäologen stießen auch auf einen Münzschatz - leider ist es Falschgeld.

Direkt vor dem Museum sind Pflanzen ausgesät, die in der Bibel erwähnt sind - eine Reminiszenz an den alten Pfarrgarten. So kann man die Besucher über das Entdecken der Blumen und Sträucher auf das Thema des Museums, die "heilige Schrift", hinführen.

Gaststätte öffnet erst im Frühjahr

Profaner geht es in anderen Etagen des Gebäudekomplexes zu, dort ist das Kirchensteueramt untergebracht. Interessanter dürfte für die Passanten der vordere Teil des Pfarrhofs sein, direkt gegenüber der Lorenzkirche. Dort lädt ab Frühjahr nächsten Jahres das Lokal "Laurentius" ein, das von einem Integrationsunternehmen der Stadtmission betrieben wird.

Millionen-Baustelle: Nürnbergs Pfarrhöfe sind fast fertig saniert

© Jürgen Petzoldt

Direkt benachbart - und gut sichtbar für die Laufkundschaft - ist der Lorenzer Laden "Lola".- Er wirbt seit Jahrzehnten für fairen Handel und bietet Kaffee, Spielzeug und Textilien an. Die letzten fünf Jahre musste "Lola" wegen des Umbaus in die etwas abseits gelegene Nonnengasse ausweichen. Umso zufriedener ist Mitarbeiterin Monika Schwarzfischer über die Rückkehr, seit einigen Tagen ist das neue Geschäft geöffnet: "Es ist zwar etwas kleiner als der ursprüngliche Laden, aber total schön. Wir sind wieder sichtbar." Damit Nachhaltigkeit nicht nur eine Forderung bleibt, hat man die alten Regale aufgebaut.

Signal der Offenheit

Mit den unterschiedlichen Angeboten sendet der Lorenzer Pfarrhof ein Signal der Offenheit an die Passanten aus: "Schau mal rein".

Ein Sprung hinüber zum Sebalder Pfarrhof: Er ist einer der ältesten Deutschlands, die frühesten Mauern reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. "Erstmals seit 500 Jahren wurde die vierflügelige Anlage grundlegend saniert", erklärt Pfarrer Martin Brons, "und ich hoffe, es ist das letzte Mal für die nächsten 500 Jahre."

Auch hier sind die Kosten gestiegen - von 4,5 auf 6,5 Millionen Euro. Der Brandschutz war deutlich aufwendiger als erwartet und auch der Erhalt der historischen Decken, Putze, Türen und Fußböden gestaltete sich komplizierter. Dass Architekt Johannes Fritsch dann auch noch rund 300 Tonnen bleihaltigen Sand als Sondermüll auf der Deponie entsorgen lassen musste, fällt dabei fast nicht mehr ins Gewicht.

Ein Ort auch für jüdische Geschichte

Im Erdgeschoss gibt es einen großen Gemeindesaal sowie kleinere Räume für die Pfarrgruppen. Als Besonderheit will Pfarrer Martin Brons dort künftig ein "Ein-Raum-Museum" einrichten. Es soll über die Geschichte des Pfarrhofs, die Sebalder Gemeinde und über die jüdische Geschichte Nürnbergs Auskunft geben. Bei den Umbauarbeiten war nämlich ein eingemauerter jüdischer Grabstein entdeckt worden, der nun auch dort zu sehen ist.

"Der Pfarrhof soll ein zentraler Kristallisationsort der Stadtgeschichte sein", meint der 42-Jährige. In der Vergangenheit kamen oft Gruppen mit Stadtführern durch den Innenhof, das ist auch weiterhin erwünscht. Schließlich will man sich nicht abkapseln.

Feier wegen Corona verschoben

Im ersten Stock des Pfarrhofs befinden sich die Wohnung des Pfarrers und seiner Familie sowie weitere Gemeinderäume. Eine Rechtsanwaltskanzlei hat die zweite Etage gemietet. Die Einnahmen sollen zur Deckung der Umbaukosten beitragen. Zwar haben evangelische Landeskirche, Dekanat, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Entschädigungsfonds und Landesstiftung Bayern Zuschüsse gegeben, doch die Sebalder Gemeinde muss dennoch eine größere Summe stemmen.

Am ersten Advent (29. November) wird der Pfarrhof nach dem Gottesdienst geweiht - allerdings coronabedingt ohne großes Fest. Die eigentliche Feier soll im nächsten Frühjahr stattfinden, falls man sich dann wieder unbeschwerter im öffentlichen Raum bewegen kann. So will es auch die Lorenzer Gemeinde machen.

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