Mit 115 PS: Erster Notarztwagen steht jetzt im BRK-Museum

13.9.2019, 19:37 Uhr
Dr. Heinz Giering (vorne) und Markus Jessberger übergeben ihr Exponat heute dem Rot-Kreuz-Museum an der Sulzbacher Straße 42.

© Foto: Roland Fengler Dr. Heinz Giering (vorne) und Markus Jessberger übergeben ihr Exponat heute dem Rot-Kreuz-Museum an der Sulzbacher Straße 42.

Wenn heute der Notarzt unabhängig vom Rettungswagen im eigenen Einsatzfahrzeug zum Unfallort rast, dann ist das nichts Ungewöhnliches. Selbstverständlich war das in früheren Jahren nicht. Vor 45 Jahren war das Bayerische Rote Kreuz in Nürnberg Vorreiter: Das BRK schaffte sich Bayerns ersten Notarztwagen an. Die Initiative geht auf den damaligen stellvertretenden Chefarzt Dr. Franz Ernst zurück. Es war die Geburtsstunde des sogenannten Rendezvous-Verfahrens (Notarzt plus Rettungswagen).

Doch wer weiß das heute noch? Markus Jessberger wollte das "Nürnberger Modell" dem Vergessen entreißen. Der 56-Jährige war selbst 20 Jahre lang Rettungsassistent. Die Erinnerung an "Aeskulap Nürnberg 12", so hieß der erste Nürnberger Notarztwagen, hielt bei ihm ein gleichnamiger Film wach. Den drehte Jessbergers Vater, der Polizei-Filmer Walter Jessberger. Der Streifen handelt vom ersten Notarztdienst, 1976 wurde er uraufgeführt und ist heute auf YouTube abrufbar.

Der Wagen, ein BMW 520 mit der Erstzulassung von 1973, ist ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. "Das Notarztteam um Dr. Ernst hatte sich überlegt, was der Pkw für die Einsätze benötigt, und listete das dem Hersteller auf", erzählt Jessberger junior. Nach diesen Vorgaben hat BMW dann eine schneeweiße Serienlimousine händisch umgebaut.

"Der Fahrzeughersteller hat dann dem BRK das erste Einsatzauto kostenlos zur Verfügung gestellt." Eine perfekte Marktstrategie, denn die Nachfrage stieg. Dieser Notarztwagen war bis 1977 in Nürnberg im Dienst: Mit 115 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 173 Kilometer pro Stunde eilten die Mediziner zu Einsatzorten.

Kilometerstand: 107.000

Das Originalfahrzeug ging an BMW zurück und ist in deren historischer Sammlung eingelagert. Jessberger kam aber die Idee, eine originalgetreue Replik für das Rot-Kreuz-Museum zu organisieren. Er machte sich auf die Suche – und fand im Netz den gleichen weißen BMW, selbes Baujahr, selbe Baureihe und nur 107.000 gefahrene Kilometer auf dem Tacho. "Der Pkw stand in Grimma in Sachsen." Seine Idee nahm Gestalt an, der 56-Jährige bildete mit dem ehemaligen BRK-Notfallmediziner Dr. Heinz Giering eine Interessengemeinschaft.

Sie kauften das Auto. Doch die eigentliche Schwierigkeit war die Beschaffung der Originalteile, die auf und im ersten Notarzt-BMW verbaut waren. Im Netz gibt es dafür Märkte – und die durchforstete Jessberger gründlich. Martinshörner, Blaulichter, Rot-Kreuz-Leuchten, Lautsprecher, Antennen, Funkgerät, Telefonhörer und mehr suchte und fand er. "Der doppelte Innenspiegel etwa stammt aus einem Fahrschulauto aus England", sagt Jessberger.

Selbst das Funkgerät rauscht

Als alles beisammen war, schafften er und Giering den Wagen für den aufwendigen Umbau zur Firma Lohr im Allgäu. Im August war der Oldtimers fertig. Sie organisierten rote Überführungs-Kennzeichen und holten ihn ab. "Wir trauten uns auf der Autobahn aber nicht schneller fahren als 110 km/h", sagt Giering. Dass alles funktioniert, davon haben sich die beiden Liebhaber überzeugt: Mit tatütata fuhren sie mal kurz über Land. Selbst das Funkgerät rauscht. Doch auf Antworten oder Einsatz-Geplapper kann man lange warten – heute wird fast nur noch über Digitalfunk gesprochen.

Rund 20.000 Euro haben Jessberger und Giering für Wagen und Umbau in die Hände genommen. Sponsoren fanden sie auch. Doch für die private Garage ist ihnen der Oldtimer zu schade. Das erste Nürnberger Notarzteinsatzfahrzeug wird heute dem Rot-Kreuz-Museum, das heuer 35 Jahre alt wird, übergeben.

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