Mord und ein G7-Gipfel: Was ein fränkischer Polizist in 47 Dienstjahren erlebt

8.4.2021, 13:48 Uhr
Polizisten und Demonstranten in den bayerischen Alpen: Ordnungshüter begleiteten am 7. Juni 2015 die Teilnehmer des Sternenmarsches von Garmisch-Patenkirchen nach Elmau. Polizeidirektor Hermann Guth sorgte im Leitungsteam für den Schutz der Staatschefs der wichtigsten Industriestaaten beim G7-Gipfel in Elmau.

© Angelika Warmuth, picture alliance / dpa Polizisten und Demonstranten in den bayerischen Alpen: Ordnungshüter begleiteten am 7. Juni 2015 die Teilnehmer des Sternenmarsches von Garmisch-Patenkirchen nach Elmau. Polizeidirektor Hermann Guth sorgte im Leitungsteam für den Schutz der Staatschefs der wichtigsten Industriestaaten beim G7-Gipfel in Elmau.

Im Alter von 16 Jahren ist er durch die Türe zur bayerischen Polizei gegangen, in Bayreuth. Jetzt, nach über 47 Dienstjahren, tritt der 63-jährige Hermann Guth heraus - die Tür bleibt aber offen, den Kontakt will er nicht abreißen lassen. "Ich werde die Uniform zwar nicht mehr anziehen, aber den Beruf trage ich auch in Zukunft im Herzen", sagt er.

Guth, der gebürtige Oberfranke, ist ein bescheidener Mensch. Aus sich, seinen Einsätzen und seiner Funktion - zuletzt als Leitender Polizeidirektor in Nürnberg - hat er öffentlich nie viel Aufhebens gemacht. Doch als Einsatzleiter und Polizeihäuptling stand er oft ganz vorne, zeigte sein schnurrbärtiges Gesicht: oft lächelnd, die Hände am Rücken verschränkt, bereit für ein Gespräch - ob beim vorweihnachtlichen Kinder-Lichterzug zur Nürnberger Burg, bei friedlichen und weniger friedlichen Demonstrationen oder in der "Besonderen Aufbauorganisation Königstorpassage" (BAO Köpa). Guth ist bekannt, nicht nur in Nürnberg, sondern über die regionalen Grenzen hinaus.

Eine ganz andere Dimension

Sein größtes berufliches Erlebnis hatte er im oberbayerischen Elmau, als sich am 7. und 8. Juni 2015 die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrienationen der Welt zum G7-Gipfel im dortigen Alpen-Schloss trafen. Der Gipfel in der pittoresken Berglandschaft hatte freilich eine ganz andere Dimension, als herkömmliche Demos. Weil er selbst schon mehrere Einsätze geführt hatte - unter anderem als langjähriges Führungspersonal der Bereitschaftspolizei -, dachte man an ihn. Sicher kam ihm dabei auch zugute, dass er bis zum Beginn seines Studiums 1994 zum höheren Polizeivollzugsdienst im Präsidium München, dem bayerischen Staatsministeriums des Inneren und bei der Bereitschaftspolizei in Dachau tätig war.

Ist jetzt im Ruhestand: Der leitende Polizeidirektor Hermann Guth.

Ist jetzt im Ruhestand: Der leitende Polizeidirektor Hermann Guth. © Polizeipräsidium Mittelfranken

Ab 2013 bereitete er im Leitungsteam zwei Jahre lang den Großeinsatz vor. Es wurden Konzepte entwickelt, wie die bayerische Polizei das Treffen schützen kann und mit welchen Gefahren zu rechnen ist. Denn das Gipfeltreffen in Heiligendamm im Jahr 2007 stand den Sicherheitsbehörden noch sehr lebhaft vor Augen: Kritiker mobilisierten damals eine breite Protestbewegung, die in Teilen auch in Gewalt ausartete.

Schattenseiten des Berufs: Tote und Verletzte

"Der Großeinsatz im Gebirge war spannend", erinnert sich der 63-Jährige. Das erste Gefühl, dass der Einsatz "gut gemeistert" worden sei, habe sich bei ihm eingestellt, als der damalige US-Präsident Barack Obama, Kanzlerin Angela Merkel und alle anderen Staatsgäste mit dem Helikopter von München kommend auf dem Parkplatz in Elmau gelandet waren. Mehr als 15.000 Polizisten schützten am Ende den Gipfel, rund 1200 Beamte aus Mittelfranken waren dabei.

Nach 47 Dienstjahren denkt Guth auch an die Schattenseiten seines Berufs. Bereut hat er es nie, in diesem Job zu arbeiten. Doch manche Situationen waren nur schwer zu verkraften: Schwerverletzte oder Tote nach Autounfällen, aber auch, wenn Kollegen im Dienst verletzt oder gar getötet wurden.Zuletzt beim Einsatz am 19. Oktober 2016, als im mittelfränkischen Georgensgmünd ein SEK-Beamter von einem sogenannten Reichsbürger erschossen wurde. Die Schüsse auf einen Kollegen schockierten viele Menschen, ganz besonders aber Polizisten und ihre Angehörige. "Diesen tödlichen Vorfall habe ich mit Kollegen auch nachbearbeitet", berichtet Guth.

Im Ruhestand wird der Oldtimer-BMW restauriert

Seine Tür zur Polizei bleibt also offen. Der Weg zurück ist aber nicht mehr möglich. "Ich muss diese Tatsache in den ersten Tagen meines Ruhestandes setzen lassen, muss innehalten. Im Beruf war alles durchgetaktet. Es braucht eine Übergangszeit, bis ich richtig loslassen kann", sagt er. Seinen Lebensmittelpunkt hat er schon vor vielen Jahren nach Nürnberg verlegt, an den Rand der Stadt. Worauf er sich im Ruhestand freut? "Ich werde meiner Leidenschaft, dem Fotografieren, stärker nachgehen." Außerdem wolle er seinen 40 Jahre alten BMW restaurieren. Was wird er vermissen? "Die vielen Begegnungen und Kontakte mit Menschen. Ich hoffe, dass einige Kontakte weiter fortbestehen."