Müll-Ärger nach Rock im Park: Es herrscht Fassungslosigkeit

12.6.2019, 05:25 Uhr
Zu Bergen türmt sich der Müll, den viele "Rock im Park"-Besucher auf den Campingplätzen hinterlassen haben. Der Veranstalter bezahlt die Beseitigung.

© Foto: Claudia Urbasek Zu Bergen türmt sich der Müll, den viele "Rock im Park"-Besucher auf den Campingplätzen hinterlassen haben. Der Veranstalter bezahlt die Beseitigung.

Nur mit schwerem Gerät kommen die Aufräumtrupps voran, erst kommen die Sprinter, die Ladefläche voll mit Müll, und kippen diesen auf den Volksfestplatz. Dann schiebt ihn der Radlader zusammen. Und am Ende schaufelt ein großer Kranbagger den Festivalmüll in riesige Lkw, die ihn zur Deponie bringen.

An Tag zwei nach "Rock im Park", kann Roland, der den Bagger steuert, wenigstens mal am Stück arbeiten. "Am Montag war es ganz schlimm", sagt er. "Da kamen unzählige Leute, die im Festivalmüll nach Brauchbarem gesucht haben. Es waren sogar Rollstuhlfahrer dabei, die ganz nah ranfahren. Wir müssen die Leute wegschicken, weil sie sich in Gefahr bringen."


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Brauchbares findet man rund um den Dutzendteich auf den Zeltplätzen oft, denn viele der 70.000 "Rock im Park"-Besucher lassen alles da: Zelte, Klappstühle, Möbel, Grills, Pavillons, Verpackungen, Geschirr, Besteck, Klorollen, Essensreste. "Es ist Wahnsinn", sagt Roland, der Baggerführer. "In den Müllbergen liegen oft originalverpackte Sachen. Die Leute haben offenbar zu viel Geld."

Die, die wenig Geld haben, kommen erst nach dem Festival. Am Abreisetag sammeln sich teilweise mehr als 100 Leute vor den Toren und warten darauf, dass das Gelände geöffnet wird, erzählt ein Mittdreißiger, der ebenfalls zwischen den Sachen nach Zelthaken Ausschau hält. "Wenn dann die Tore aufgehen, rennen die los. Manche haben Teppichmesser dabei und schlitzen die Zelte auf, um nach vergessenem Geld oder Handys zu suchen."

Danach kommen die Pfandflaschensammler. Für sie haben die professionellen Firmen Verständnis, allerdings gibt es Schwierigkeiten, denn einige schlitzen Müllsäcke auf, die entweder von Konzertbesuchern zurückgelassen oder von den Räumprofis befüllt wurden und auf den Abtransport warten. "Dann fliegt der ganze Müll wieder in der Gegend rum", sagt Nassir Bakshi, Betriebsleiter von Graf & Kittsteiner, einer der fünf Entsorger, die das Gelände bis Freitag reinigen. Allein seine Firma ist mit 90 Mitarbeitern derzeit unterwegs. Rechen, bücken, hochheben – Müllbeseitigung ist nichts für Schwache.

Warum gerade junge Menschen ihren ganzen Müll einfach liegen lassen, kann Bakshi nicht verstehen. "Wir betreuen auch das Klassik-Open-Air in Nürnberg, da kommen genauso viele Leute, da liegt fast nichts, wenn das Konzert zu Ende ist."

Natürlich ist ein dreitägiges Festival exzessiver, wilder. Das darf auch so sein, finden Jana, 35, und Angelus, 34. Sie steigen auch durch den Müll, allerdings nicht, weil sie das Pfandgeld brauchen. "Ich habe eine Zeltplane gefunden, mit der ich mein Motorrad abdecken kann", sagt Angelus. Außerdem hat er einen ganzen Sack voll mit Zewa- und Klopapierrollen, die überall rumliegen. "Ich schraube viel. Und um Öl damit wegzuwischen, sind die Rollen allemal gut." Sie haben auch in den vergangenen Jahren nach Sachen geschaut. "Aber ich nehme nicht mehr so viel mit, nur, was ich wirklich brauche", sagt Angelus. "Denn was soll ich mit zehn Zelten?" Die Wegwerfgesellschaft ist hier beispielhaft. "Ich finde es gerade in Zeiten der Klimadiskussion einen bedenklichen Trend, dass auch Discounter wie Aldi und Lidl inzwischen Festivalequipment für einen Appel und ’n Ei verkaufen", sagt Jana. Das fördere die Wegschmeißmentalität noch.


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Egal, mit wem man spricht, ob mit Müllsuchern oder denen, die ihn entsorgen, man spürt bei allen Resignation und Fassungslosigkeit. "Die Festivalbesucher benehmen sich wie Schweine", schimpft ein Fahrer. "Stellen Sie sich vor, wir finden Würstchen, Ketchup, Mayo – alles ungeöffnet, und woanders haben die Leute nichts zu essen!", ruft ein Mitarbeiter des Mülltrupps, "die Jugend hat offenbar zu viel Geld" ein anderer.

Nassir Bakshi, Betriebsleiter von Graf & Kittsteiner, glaubt, es könnte helfen, mehr mittelgroße Mülltonnen auf dem Gelände aufzustellen. Der Veranstalter, der die Aufräumarbeiten bezahlt, setzt eher auf schnelle Beseitigung im Nachgang. "Es ist so, dass die Leute den Müll fabrizieren, daran wird sich nichts ändern", sagt Carolin Hilzinger von Argo Konzerte. Sie glaubt, die Container seien ausreichend bemessen. Man habe dieses Jahr fünf Firmen engagiert, mehr als im Vorjahr, damit der Müll bis Freitag verschwindet.


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