Na super: Dieser Bauernhof enthält keine Tiere

Nürnberg - Endlich Urlaub! Jetzt beginnt die beste Zeit des Jahres. Glaubt man. Doch manchmal kommt es anders als gebucht - und dann ist die Unterkunft ein Kellerloch, der Autoschlüssel verschwindet im Nirwana und auf dem vermeintlichen Familien-Bauernhof lebt nur ein einziges Tier. Fast jeder hat so ein Sommerdesaster schon mal erlebt. Wie sie damit umgegangen sind und ob noch etwas zu retten war, berichten Redakteure einmal in der Woche in unserer Sommerserie “Alles furchtbar, liebe Grüße!”

"Juhuu, Kinder! Wir fahren an den . . .", sagte ich schon Tage vor dem Urlaub - und dann zwickte ich jedes der beiden Mädchen etwas in den Arm.

"Aua!", schrien sie in gespielter Empörung.

". . . berg", ergänzte ich. "Genau. Wir fahren an den Auerberg!" Ich gebe zu, ein Scherzchen für das man heutzutage kaum mit einem Preis ausgezeichnet wird - noch dazu mit einem Schmerzchen verbunden, aber es entspricht der Wahrheit und verdeutlicht: Wir haben uns riesig gefreut, auf unseren Urlaub.

Lesen und erholen

Zuhause tobte das Chaos in Kartons. Wir steckten mitten in Umzugsvorbereitungen und wenn wir jetzt etwas gebrauchen konnten, dann ein paar erholsame Tage auf einem Bauernhof im Ostallgäu. Auf der Hinfahrt zählten wir all die Tiere auf, die uns schon auf der Internetseite des Hofes entgegen lächelten: Kaninchen, Hühner, Pferde und Ziegen. Alles, was die Mädchen mögen. Meine Frau und ich tauschten ein Lächeln. Wir sahen uns schon, wie wir am Pool liegen, während unsere tierlieben Kinder mit all dem vielen Viechzeug beschäftigt sein werden. Pferdepflege, Hühnerfütterung, Kaninchenstreichelei. "Du, jetzt habe ich alle fünf Bücher, die ich eingepackt habe schon ausgelesen", wird meine Frau sagen. "Nimm eines von meinen", werde ich vorschlagen, "ich bin nämlich auch schon durch."

Vedächtig still

Und wo sind die Tiere? Für Kinder sind die unendlichen Weiten ohne irgendwelches Viechzeug keine besonders große Attraktivität. © Rurik Schnackig

Als wir ankamen, war das erste was auffiel: diese Stille. Verdächtige Stille. Dafür schwätzte die Dame des Hauses um so mehr. Dass sie Arzthelferin sei und dass der Mann unter der Woche nicht da sei, auf Montage, und dass der Auerberg . . . Die Kinder blickten mit wachsender Verzweiflung hin und her: "Die Tiere? Wo sind die Tiere?" Ach ja. Die Frau lächelte. Davon habe man sich weitgehend verabschiedet, die machen so viel Arbeit und letzte Woche habe man noch die restlichen Hasen weg und ohnehin sei sie ja mehr die Städterin und . . .

Ein alter Gaul ist übrig

Am Abend schaute immerhin mal die Katze vorbei. Aber auch sie blieb nicht lange.  © Rurik Schnackig

"Wir haben Urlaub auf dem Bauernhof gebucht", japste ich. "Naja, der ist noch übrig", sagte die Frau und deutete auf ein grimmiges Pferd am anderen Ende des Geländes, das schon irgendwie schimmlig wirkte. "Der ist alt und sehr zurückhaltend", meinte sie und in Zeitlupe bewegte der alte Gaul seinen Kopf von uns weg.

Nürnberg

11.8.2021, 14:25 Uhr Sommerserie

Was im Urlaub alles schief laufen kann: Traumblick in den Kellerschacht

Von Sabine Ebinger

In diesem Moment stellte ich anerkennend fest, dass ich doch irgendwie - sagen wir: reifer geworden bin. In früheren Zeiten hätte ich mich auf den Boden geworfen und gebrüllt. Oder ich hätte einen Streit mit meiner Frau gesucht, in dessen Verlauf ich versucht hätte, ihr die Schuld dafür zu geben. Aber jetzt überlegst du, ob du den Jahresurlaub komplett gegen die Wand krachen lässt, oder ob doch noch irgendwas zu retten ist. Vielleicht haben wir wenigstens eine gemütliche Ferienwohnung?

"Ach, da sind ja die Tiere", begrüßte meine Frau die Spinnen und Käfer als wir die düstere 60er Jahre Höllenhöhle betraten. Durch Spinnweben konnte man aus dem Fenster das Poolchen erkennen. "Das Wasser ist grün", sagten die Kinder mit krausen Nasen, als sie mit ihren Badeanzügen wieder in der Tür standen.

Unendliche Weiten im Allgäu

"Was machen wir jetzt?", seufzte ich. "Happy . . .", sagte meine Frau und zwickte mich in den Arm. "Aua!" - "Genau: Happy Hour!" Sie öffnete den mitgebrachten Wein und wir durchwühlten mit den Handys das Internet nach Tieren in der Nähe. Tatsächlich: Streichelzoo, Reiterhof, Alpaka-Gehege . . .

Jeden Tag kurvten wir durch die unendlichen Weiten des Allgäu um ungezähltes großes und kleines Getier zu treffen. Hunderte Kilometer zurückgelegt, keine einzige Zeile im Buch gelesen.

"Kinder, wir fahren", rief ich am letzten Tag erschöpft, nachdem ich mit der Geschwindigkeit eines alten Pferdes gepackt hatte. "Nöööööö!", schrie es mir zweistimmig entgegen. Und das musste wohl heißen, sie waren zufrieden.