Nach Unesco-Erfolg: Mehr Schutz für Epitaphienkunst

14.1.2018, 15:05 Uhr
Thomas Weitzenfelder und Dagmar Wöhrl beobachten Epitaphienkünstler Thomas Haydn bei der Arbeit.

© Roland Fengler Thomas Weitzenfelder und Dagmar Wöhrl beobachten Epitaphienkünstler Thomas Haydn bei der Arbeit.

Die Freude über die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes – gemeinsam mit der Fürther Michaeliskirchweih und dem Wirken der Nürnberger Naturhistorischen Gesellschaft – war enorm: "Das erste Mal werden bedeutende Traditionen im Städtedreieck Nürnberg/Fürth/Erlangen gewürdigt", freute sich Stefan Schuster, Sprecher der mittelfränkischen SPD-Landtagsabgeordneten.

Sven Heublein, erster Vorsitzender des Bürgervereins St. Johannis-Schniegling-Wetzendorf und Ortsvorsitzender der CSU Nürnberg-Altstadt, bezeichnete es als einen "Erfolg für alle, die sich seit Jahren und Jahrzehnten für den Erhalt und die Pflege dieser einzigartigen Kultur in Nürnberg einsetzen." Sie stehe nun auf Augenhöhe mit Ereignissen und Brauchtümern wie den Passionsspielen in Oberammergau oder der Tölzer Leonhardifahrt.

Schon lange aber gibt es auch Kritik am Umgang mit dem Kulturgut. So beauftragt etwa ein von CSU und SPD eingebrachter, laufender Antrag die Stadtverwaltung, anlässlich des diesjährigen Jubiläums der Friedhöfe St. Johannis und St. Rochus beim Freistaat Fördermittel einzuwerben und die Zuständigkeiten zwischen kirchlicher und städtischer Friedhofsverwaltung zu klären. Ein Antrag, der dem Bürgerverein St. Johannis-Schniegling-Wetzendorf nicht weit genug geht. Es reiche nicht, bei anderen nach Geld zu fragen, so der Vorsitzende Heublein: "Es braucht ein klares Bekenntnis zu diesem Kulturgut!"

Öffentliche Aufmerksamkeit für Nürnberg

Der Erfolg sei eine schöne Anerkennung und schaffe öffentliche Aufmerksamkeit, "doch die Probleme sind deshalb nicht gelöst!" Mit dem Nachweis, dass diese Kultur unbedingt erhaltenswert ist, gehe eine Verpflichtung einher: "Wir bitten sowohl die evangelische Kirche als Träger der Friedhöfe wie auch die Stadt Nürnberg eindringlich, alles zu tun, um die Epitaphienkultur zu erhalten, zu sichern und weiterzuentwickeln."

Ein Forderungspapier ging dem Oberbürgermeister und dem evangelischen Stadtdekan zu. Unter den Rubriken "Bewahrung und Sanierung", "Marketing" und "Verwaltungshandeln von Stadt, Kirche und Denkmalschutz", umreißt es Maßnahmen, die aus Vereinssicht rasch umgesetzt gehören. Vordringlichste Maßnahme: die digitale Dokumentation sämtlicher Epitaphien.

Immenser Verlust

Erst kürzlich stürzten zwei Grüfte auf dem Johannisfriedhof ein. Die geschätzten Kosten für die Friedhofsverwaltung liegen bei circa 15.000 Euro.

Erst kürzlich stürzten zwei Grüfte auf dem Johannisfriedhof ein. Die geschätzten Kosten für die Friedhofsverwaltung liegen bei circa 15.000 Euro. © Foto: privat

"Vieles liegt auf St. Johannis und St. Rochus im Argen", wird Heublein deutlich: "Zu viele Gräber sind nicht belegt, es bräuchte eine exakte Analyse der Gründe für den Verfall und die zunehmenden Leerstände." Wertvolle Grabplatten sind durch Krieg, Vandalismus und Diebstahl bereits unwiederbringlich verloren. "Ein immenser Verlust; die Epitaphien sind Chronisten unserer stolzen Stadtgeschichte."

Bereits 2014 habe die kirchliche Friedhofsverwaltung beklagt, dass für eine Dokumentation des Bestands auf den Friedhöfen kein Geld da sei. Vor dem Jahreswechsel erhielt nun der Verein mehrere Tausend Fotografien von Epitaphien des Johannisfriedhofs. Ein Nürnberger Pensionist erfasste 2017 "den Großteil des historischen Teils. Wir haben der evangelischen Kirche wie auch der Stadt angeboten, dass diese Fotografien die Grundlage für eine digitale Dokumentation sein können."

Auch fehle es an Systematik: "Fragt man, wer wofür zuständig ist, wird es schnell dünn. Eine Bekannte wollte sich ein Grab besorgen – keiner fühlte sich zuständig, niemand konnte sagen, welche Epitaphien wertvoll sind, welche nicht . . ." In diesem Zusammenhang, betont Heublein, stelle sich die Frage, wie viel Dienstleistung von Friedhofsseite gewollt ist – "und was dieser Kulturschatz der Kirche wert ist. Hier sehe ich die evangelische Landeskirche in der Pflicht!"

Zu unrecht kritisiert

Jonas Schiller, erster Pfarrer an St. Sebald und Vorstandsvorsitzender der Friedhofsverwaltung von St. Johannis und St. Rochus, sieht die Lage – auch von Epitaphiengestalter Thomas Haydn im NZ-Interview vergangene Woche – zu unrecht kritisiert: "Wir haben uns in den vergangenen beiden Jahren verstärkt um die Epitaphien gekümmert, auch Friedhofspersonal erneuert und erweitert. Von den Einnahmen der Grabnutzungsgebühren zahlen wir das Personal. Was übrig bleibt, inklusive der Einnahmen von Benefizkonzerten, stecken wir in die Epitaphien nicht belegter Gräber. In den vergangenen Jahren waren das immer fünfstellige Summen", betont der 39-Jährige. "Wir bemühen uns, viel zu tun."

Vor einigen Tagen erst seien zwei Grüfte auf dem Johannisfriedhof eingestürzt. "Die Wiederherstellung geht in die Tausende!" Zudem habe die Einschätzung von Epitaphiengestalter Haydn wohl den Hintergrund, "dass neben ihm auch andere Betriebe dort tätig sein dürfen. Bislang gab es ein Monopol. Wir haben gesagt, dass das nicht sein kann."

Arbeiten auf den Friedhöfen

Haydn, Initiator der Unesco-Bewerbung, reagiert überrascht: "Eine Monopolstellung gab es zu keiner Zeit! Es ist für jedermann über die Website der Friedhofsverwaltung einsehbar, dass eine Liste mit über 20 Firmen existiert, die zugelassen sind, auf diesen Friedhöfen zu arbeiten. Früher, bei voller Auslastung der Friedhöfe, waren es möglicherweise noch mehr."

Grabmalgebühren? Auch sie thematisiert der Bürgerverein: "Sie müssen fallen!" Heublein bezieht sich auf § 8 der Bestattungs- und Friedhofsgebührensatzung (BFGebS). Danach müssen sechs Prozent des Entgelts (einschließlich MWSt) für die Genehmigung zur Aufstellung, Änderung und Erneuerung von Grabmalen oder Grabmalteilen an die Stadt gezahlt werden. "Bei einem Epitaph ist man schnell bei einigen Tausend Euro – da kommt schon was zusammen! Diese Gebühren bestrafen jene, die zur Weiterführung und Erhaltung der Epitaphienkultur beitragen."

Aktuell gehe ein Epitaph nach der Auflassung des Grabes in den Besitz der Kirche über. "Die Stadt erhebt also eine Gebühr für etwas, das jemand als Kunst stiftet, von dem weder derjenige noch seine Verwandten etwas haben und das letztlich einmal der Kirche gehört."

Für den Verwaltungsaufwand, den die Stadt habe, könne man ja über eine Pauschale reden, regt Heublein an. Auch gebe es auf beiden Friedhöfen eine Menge Regeln. "Wer aber kümmert sich um deren Einhaltung? Da stehen ja trotzdem Plastikschalen und sonstiger Plunder herum!"

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